bei meiner Gitarre (eine Ibanez RGR 220 DX) ist mir aufgefallen, daß auf allen Saiten jeweils die Leersaite im Vergleich zu gegriffenen Tönen ein wenig zu tief klingt. Zwar nicht viel, aber eben doch so, daß es gerade bei Akkorden, in denen Leersaiten vorkommen, deutlich schief klingt.
Das ist normal, da die meisten Hersteller nach der theoretischen Mensur gehen, die aufgrund der Saitensteifigkeit, die direkt hinterm Sattel am größten ist, aber nicht stimmt. Deshalb klingt, in bezug auf die G-Saite jetzt mal gesehn (das ist die schlimmste Saite), wenn man die Leersaiten exakt stimmt, E-Dur immer um den Wert X zu hoch. Und wenn man die gegriffenen Saiten exakt stimmt, dann klingt E-Moll um den Wert X zu tief.
Deshalb stimmt man bewusst falsch in die Mitte, leer ist die Saite X/2 zu tief, gegriffen X/2 zu hoch, dann halbiert sich also der Fehler. Kein Mensch mit guten Ohren würde Leersaiten exakt mit einem Stimmgerät stimmen, dann ist deine Gitarre immer falscher als nötig. Bewusste Fehlstimmung heisst das zauberwort. Gilt übrigens auch für die Oktavreinheit. Anstatt irgendwie keinen Fehler zu haben, anderswo aber eine Abweichung von 5 cent, stellt man das lieber so ein, dass es nirgendwo stimmt, dafür aber maximal 2,5 cent abweicht. Das ist fürs Ohr viel angenehmer.
Kompensieren kann man das zusätzlich mit Kompensationssätteln. Einige verbauen sowas schon serienmässig. Da wird dann der ganz Sattel näher an den ersten Bund geschoben, um die Saitensteifigkeit (und den damit verbundenen Tobhöhenanstieg) zu kompensieren. Gleichzeitig sind die Auflagepunkte für die einzelnen Saiten unterschiedlich, weil die Steifigkeit unterschiedlich ist. Übeltäter #1 ist die G-Saite.
Wenn das Problem bei dir allerdings sehr deutlich wäre, kann es auch mehr sein als die übliche Abweichung. Also es ist möglich, dass der Sattel effektiv falsch sitzt. Ich hatte grade dasselbe Problem bei einer nagelneuen Gitarre. Satte 2 mm zu viel. :screwy:
Die Bünde 1-22 waren Gibson-Mensur, aber die Entfernung Sattel <-> 1. Bund war Fender-Mensur bzw knapp drüber. Da half nur Umtausch.
Wenn man versucht, das über den Steg zu kompensieren, erreicht man genau das Gegenteil. Da müsste man, wenn der Sattel z.B. 2mm zu weit weg ist, den Reiter dann 2 mm nach hinten schieben, damit die Oktavreinheit wieder passt. Dummerweise beträgt die Abweichung dann schon 4 mm. Exakt ist nur der 12. Bund. Aber vom 12. Bund auf- wie abwärts wirkt sich das dann immer schlimmer aus, denn die Bundstäbe 1-22 sind ja immer noch korrekt bundiert, also für eine Mensur, die 4 mm kleiner wär. Je weiter nach unten vom 12. Bund, desto mehr sind die Töne dann zu hoch. Je weiter hoch vom 12. Bund, desto mehr sind sie zu tief. Lösung ist also nur, den falschen Sattel weiter nach vorne zu setzen.
Ob es wirklich am Sattel liegt, kann man nachmessen. Bei Fender-Mensur ist der Abstand vom Sattel zum 1. Bund 36,5 cm, vom ersten Bund zum 2. Bund 34,5. Exakte Messung ist unnötig, denn selbst Gitarrenbauer arbeiten nur auf 100 Mikrometer genau. (36,4 und 34,3 wäre exakter). Lineal mit zehntel-mm-Einteilung reicht also völlig.
Auch wenn die Bundierung nicht exakt Fender ist, sondern insgesamt vom ersten bis zum letzen Bund paar mm abweicht, kannst du davon ausgehen, dass der 1. Bund nur etwa 2 mm länger ist als der zweite. Zur Grobmessung reicht das völlig aus. Bei Gibson short wäre es 35,3 und 33,3.
Ich hab mir das mit nem Calculator damals ausrechnen lassen, der auch gleich ne Schablone ausdrucken konnte. Wenn man die auf die Bünde legt, sieht man sofort, was Sache ist. Da waren alle Bünde korrekt, nur am ersten war halt 2m Luft Richtung Sattel.
Das sah man schon mit blossem Auge. Der erste Bund war einfach viel zu lang.
Ob das bei dir auch so ein Fall ist oder ob es sich nur um die übliche Verstimmung handelt, die einfach toleriert wird, musst du halt mal ausmessen.
Also Gitarre exakt stimmen, Oktavreinheit anpassen, nur wenig Fingerdruck und schön senkrecht von oben. Und dann mal die leere G-Saite leer mit dem Stimmgerät messen und dann die gegriffene g-Saite. Einige Cent Abweichung sind leider normal (und immer hörbar). Desweiteren mal mit dem Lineal die Bundierung und den Sattel überprüfen. Sollte der erste Bund deutlich mehr als 2mm länger sein als der zweite, dann wär das ungut.
PS: weil man das problem selbst bei bestem Bau nicht völlig in den Griff kriegt, umgehen Leadguitar-Freaks Leersaiten und stimmen ihre Gitarre so, dass sie gegriffen passt und leer theoretisch dann zu tief klingen würde. Und gewisse Noten oder gar Akkorde, die man auch mit Leersaiten spielen könnte, werden anders gespielt.
Satriani ist so ein Typ. Hab mich immer gewundert, warum der bei einigen Songs unmögliche sauschwere griffe nimmt, satt haargenau die gleichen Töne mit leichten Griffen mit Leersaiten zu spielen. Bis ich das in nem Workshop dann las, dass es um die Intonation geht.