Mal was anderes:
Ich bin aktuell ziemlich gefrustet davon, dass Soundcloud mehr oder weniger tot ist. Vor 2-5 Jahren war diese Plattform einfach wundervoll für Spontanität...
So gut wie alle Leute mit denen ich aktuell Musik mache sind inzwischen bei Labels und selbst wenn sie das nicht sind, ist der Weg Musik auf spotify, itunes und co zu kriegen "lang" geworden. Selbst wenn man "mal eben irgendnen Track" raushauen will, dann braucht man ein Artwork dafür, muss die Zwischendienstleister bezahlen und es dauert trotzdem (im besten Falle) mehrere Tage, bis die Sachen verfügbar sind.
Einer meiner Lieblingssongs die ich bisher gemacht hab ist z.B. der hier:
https://soundcloud.com/yungkonz/plastik-exclusive-heat
Ist gut 1,5 Jahre her und wir hatten beide wenig Ahnung was wir da tun. Mein Kollege Konz, weil er da noch relativ grün hinter den Ohren war und auf der Suche nach seinem Style und seiner Stimme und ich, weil ich in dem Studio an einem Mac saß mit Logic und einer Native Instruments Maschine. Bin weder Apple/Logic-User, noch benutz ich eine Maschine ansich.
Ich hab mit Konz abgemacht, dass wir uns nachts treffen, einen Song machen und ihn direkt auf Soundcloud hochladen (egal was dabei rauskommt) ... genau das haben wir dann auch gemacht.
Wir haben das Instrumental zusammen angefangen, er hat dann ein paar Zeilen geschrieben und ich hab währenddessen die Drums und Details ein bisschen ausgebaut und dann haben wir die Vocals aufgenommen.
Man hört auf einer der Vocalspuren links (bei ca 0:54) auch wie ich mir ein Bier aufmache und der Kronkorken auf den Tisch fällt. Wir haben einfach direkt alle Takes genommen... auch mit Kronkorken. Nachdem wir Refrain und 1. Strophe im Kasten hatten, hab ich ihn gefragt ob er noch einen zweiten Verse machen will und ich hab direkt an seinem Blick gesehen, dass er sich dachte "puuuh". Ich hab ihm dann vorgeschlagen, dass wir einfach random noch irgendwelche Vocalfetzen irgendwie gepitched auf den Song schneiden um etwas Länge zu kriegen, die Hook nochmal kopieren und fertig.
Der Studioraum war zu dem Zeitpunkt in einem Luftschutzbunker ohne Internet (oder Fenster) und ich hab nachdem wir alles im Kasten hatten die Spuren exportiert, mit nach Hause genommen, total "angeheitert" (so nenn ich das mal
) einen mix und master in 20 mins oder so gemacht und ihm die masterfile geschickt.
Dann war der Song oben.
Ich glaub von unserer Begrüßung, dem öffnen eines leeren Projekts in Logic und dem Upload sind so 6-7 Stunden vergangen. Könnte ich Logic bedienen, hätte dort meine gewohnten Plugins und Internet gehabt, dann wären es noch 1-2h weniger gewesen.
Mit ~30.000 Plays auf Soundcloud und ~10.000 auf Spotify (wurde noch nachträglich hochgeladen) ist der Song sein "erfolgreichster" Solo-Song bis dato. Das sind jetz nicht wirklich nennenswert viele Streams, aber für zwei no-names ohne irgendwelche Promotion, Berichterstattung oder Weiterverbreitungsmöglichkeiten war das schon ein kleiner "Überraschungserfolg" in dem Rahmen.
Im Folgenden haben wir auf die Art auch noch mehr Lieder zusammen gemacht und eine EP mit nächtlichen Treffen und ohne irgendeine Vorbereitung gebastelt. (die haben wir aber nicht auf Soundcloud geladen)
Wir haben uns in 10 Tagen 8 mal getroffen und 8 Songs gemacht. 6 davon sind im Endeffekt auf einer EP gelandet.
Bei dem zweiten oder dritten Treffen hat er mir erzählt, dass er mit seiner aktuellen Freundin Schluss hat (spoiler: inzwischen wohnen sie zusammen und sind verlobt) und bevor wir uns getroffen haben den ganzen nachmittag geheult hat, während ihm selbst beim Essen Tränen auf den Teller gekullert sind und er dabei sentimentale Popmusik aus den 80ern gehört hat... ich hab mich dann ans Keyboard gesetzt, einen Beat angefangen und versucht diese "Tristesse" einzufangen... daraus wurde dann entsprechend ein Song. Ich werde nie den dankbaren Gesichtsausdruck in seinen Augen vergessen, als wir den Song im Kasten hatten und das erste mal haben laufen lassen über Monitore mit Lautstärke Maximum.
Als wir uns das nächste mal getroffen haben, hatte er sich mit seiner Freundin ausgesprochen und die beiden sind wieder zusammengekommen, weil er es geschafft hat ein wenig seine Standpunkte durchzusetzen.... wir haben daraufhin einen härteren Song gemacht mit der Hook "Ja sie springt.... lass sie springen" usw.
Bei der nächsten Session war ein Kumpel von mir dabei, der mit einer chronischen Krankheit zu kämpfen hat und daher oxycodon verschrieben bekommt. Er hat uns beiden jeweils eine Tablette angeboten, die wir genommen haben und dann haben wir einen Song gemacht wo ich versucht hab dieses Gefühl einzufangen. Dieses Zeug knallt wirklich unnormal... wundert mich da wenig wie es dazu kam, dass soviele Amerikaner Opiat-abhängig sind... grade bei der leichten Verfügbarkeit dort.
Die Musik die bei diesen Sessions herauskam ist musikalisch sicherlich überschaubar.
Das Beispiel "Plastik" von oben ist sicher keine geniale Komposition, kein guter Mix, keine guten lyrics und auch keine besonders gute Performance, aber die Musik die wir zu der Zeit gemacht haben war für uns ein absolut perfektes Training.
Zum einen wie man sich mal locker machen kann einfach zu jammen und zum anderen wie man sich ausprobieren kann.
Ich mach nach wie vor stapelweise Musik mit Leuten, mixe Songs oder bau zusammen Beats, aber dass es grad nicht die Plattform gibt Sachen auch wirklich JETZT hochzuladen und es sich mehr als 3 Leute anhören finde ich irgendwie traurig.
Das gab es zwar "früher" auch nicht, aber vor ein paar Jahren hat es die globale Musikszene massiv revolutioniert, dass man von jetzt-auf-gleich Musik veröffentlichen konnte die auch wahrgenommen wurde... bzw wo zumindest die Chance darauf bestand.
Inzwischen ist es wieder wie früher, dass große Labels und die Streaminganbieter als "Gatekeeper" fungieren.
Ich hab das Gefühl, dass ich langsam gut genug wäre, aber nun ist die Bühne nicht mehr so da spontane freestyles/jams zu veröffentlichen als Undergroundartist... schlechtes timing