Demokratie und Ideale in allen Ehren, aber wovon ich mittlerweile überhaupt nichts mehr halte, ist, ständig alles mit allen auszudiskutieren!
Mit meinen Bandkollegen verbringe ich ne Menge Zeit (Tourbus, Gigs, Proberaum, demnächst mal wieder zwei Wochen Türkei), und natürlich gibts da immer wieder Reibereien. Zumal Musiker ja nicht immer die einfachsten Menschen sind.
Anfangs habe ich versucht, jedes Problem mit allen in großer Runde zu besprechen. Wobei die große Runde bei uns mit 9 Personen auf der Bühne und unserem Manager ziemlich groß ist. Ergebnis: Meistens hören einige gar nicht zu und haben anderes zu tun, oder einige steigern sich aus irgendwelchen Gründen (Tagesform, schlecht geschlafen, wasweißich) in ernsthafte (an der Grenze zum Persönlichen) Diskussionen, wo einfaches ruhiges Drüber-Reden gefragt gewesen wäre. Das ist kontraproduktiv! So werden aus kleinen Mücken Riesenelefanten gemacht und persönliche Animositäten geschürt. Also das Gegenteil von dem, was eine Band braucht.
Daher überlege ich mir bei Problemen sehr genau, mit wem ich rede. Das kann eine Person sein oder mehrere. Nie aber alle zusammen. Immer offen und ehrlich, wohlgemerkt. Aber eben nicht immer mit allen zusammen. Schon allein, weil das den anderen oft genug auch (zu Recht) auf die Nerven ginge.
Ich verstehe also durchaus diejenigen, die darauf bestehen, alles immer mit allen offen zu diskutieren und alles andere als "Scheißband" o.ä. empfinden. Allerdings gehen diese Personen von einem idealen Menschenbild aus, nach dem sich alle Beteiligten auch wie Erwachsene benehmen. Insofern unterstelle ich diesen Leuten hier mal ein wenig Weltfremdheit bzw. Unerfahrenheit und kümmere mich nicht weiter um evtl. folgende Diskussionen oder Beschimpfungen
Menschen sind nun mal nicht so! Langjährige Erfahrung zeigt mir, dass alle Menschen ihre Macken haben, in unterschiedlich starken Ausprägungen. Auf Dauer wird eine Band (zumal eine so große wie unsere) nur dann bestehen, wenn man die unterschiedlichen Charaktere auch berücksichtigt und ihnen ihren Platz einräumt. Ständiges Hätscheln und Tätscheln evtl. gekränkter Egos gehört natürlich auch dazu. Das ist zwar anstrengend und zeitraubend, aber wesentlich besser als das ständige Diskutieren um Nichtigkeiten.
Das wäre nämlich auch noch so ein Punkt: Ab wann nervt etwas so sehr, dass man mit allen drüber reden muss/soll? Wenn sich Sängerin A über Gitarrist B beim letzten Gig geärgert hat, müssen das alle immer erfahren und ausdiskutieren? Oder ist es nicht sinnvoller, wenn die beiden darüber reden und gut ist?
In meiner Band erwarte ich eigentlich, dass Probleme erst dann vors allgemeine Tribunal kommen, wenn sie sich anders nicht mehr regeln lassen. Sprich: Es SOLLTE vorher Gespräche im kleinen Kreis gegeben haben.
Vielleicht ist das bei uns auch anders, da unsere Band von vornherein als Firma aufgebaut ist mit dem Ziel, Geld zu verdienen. Das schließt aber nicht aus, dass alle Beteiligten Spaß daran haben. Das ist sogar Grundvoraussetzung. Aber es hat halt auch nix mit diesem "die besten Freunde sollt ihr sein!" aus vergangenen Schülerband-Tagen zu tun.
Trotzdem (oder deswegen?) fühle ich mich in meiner Band sauwohl und würde durchaus sagen, dass der Umgang miteinander sehr herzlich und geradezu familiär ist. Wenn das nicht so wäre, würde ich aufhören. Ich würde aber auch aufhören, wenn nur noch diskutiert würde...
LeGato