DirkS
Moderator E-Gitarren HCA frühe PRS und Superstrats
- Zuletzt hier
- 19.11.24
- Registriert
- 18.08.13
- Beiträge
- 7.292
- Kekse
- 189.648
PRS pre factory – Überblick und User-Thread
Bei der Herstellung von Paul Reed Smith – Gitarren lassen sich 3 Zeiträume unterscheiden:
1. Die Findungsphase von 1975 bis 1985: Paul lernte, wie man Gitarren baut, indem er verschiedene Einzelstücke fertigte. Es gelang ihm zunehmend, auch weltbekannte Gitarristen mit Gitarren zu versorgen, etwa Carlos Santana und Al di Meola. Die Gitarren dieser Zeit erkennt man daran, dass sie (zumeist) einen Adler auf dem Headstock zeigen, es gibt nur sehr wenige und als normaler Gitarrist wird man im Zweifel nie die Gelegenheit erhalten, eine solche Gitarre anzuspielen.
2. Die „pre factory“ – Zeit von 1985 bis zum Jahresende 1995, Standort Annapolis.
(Der Begriff "pre factory" ist etwas umstritten, ich verwende ihn aber, da er prägnanter ist als "von 1985 bis 1995 noch am ursprünglichen Sitz von PRS in Annapolis gefertigte Gitarren"^^)
3. Die aktuelle Neuzeit seit 1996, Standort Stevensville / Kent Island
Vorab:
Speziell in den amerikanischen Foren existiert seit Jahrzehnten ein relativ sinnbefreiter Streit darüber, ob die in der „pre factory“-Zeit gefertigten Gitarren von PRS denen aus der Zeit danach überlegen sind. Beide "Lager" können nachvollziehbare Argumente vorbringen:
Freunde der Neuzeit (darunter Paul selbst) argumentieren im Wesentlichen dahingehend, dass PRS im Laufe der Jahre stets dazu gelernt habe, man diese Neuerungen umgesetzt habe und deshalb neuere Gitarren stets früheren überlegen sein müssten.
Die pre factory – Freunde halten dagegen, dass man früher wegen der viel geringeren Stückzahlen noch viel strenger nur die allerbesten Hölzer habe auswählen können, dass viele Änderungen im Wesentlichen auf Einsparmaßnahmen beruhen würden, etc.
Vieles davon entpuppt sich bei näherer Ansicht als reine Geschmackssache. Nur ein Beispiel, um es nicht ausufern zu lassen: Genau zum Wechsel 1996 schaffte sich PRS CNC-Fräsen an. Freunde älterer PRSi beklagen den Verlust der Handarbeit und der individuellen Befassung von Fachkräften mit jedem einzelnen Bauteil, Freunde der Neuzeit loben die perfekte Präzision der CNC-Fräsen.
Ich finde den gesamten Streit überflüssig, zumal man sicher nicht alle Gitarren der beiden Perioden über einen Kamm scheren kann (Serienstreuung) und allzu oft der persönliche Geschmack ausschlaggebend sein dürfte. Ich habe dennoch diese Auseinandersetzung voran gestellt, damit jeder, der sich näher im Netz mit den pre factorys beschäftigen möchte, die damit verbundenen Diskussionen im Internet einzuschätzen weiß.
Jetzt aber los.
Überblick über die pre factorys:
1985 bezog Paul mit insgesamt 18 Mitarbeitern ein Produktionsgebäude für die Herstellung von PRS-Gitarren in Annapolis, Virginia Avenue. Den eigentlichen Startschuss bildete die NAMM 1985, auf der Paul erstmals seine Gitarren an einem eigenen Stand der Öffentlichkeit präsentierte:
Zu diesem Zweck hatte er in weitgehender Handarbeit knapp 20 Gitarren gebaut, von denen er wohl 8 Stück den interessierten Besuchern vorstellte. Der nachfolgende Erfolg des Unternehmens zeigt, wie gut diese Gitarren dort angekommen sein dürften.
Die Modellvielfalt erhöhte sich relativ schnell. Schon 1989 bot PRS folgende Modelle an: Signature Series, Custom, Special, Studio, Standard, Classic Electric (CE), in den frühen 90er Jahren kam auch noch die EG-Reihe hinzu.
Während der gut 10 Jahre andauernden pre factory – Phase erhöhte Paul beständig die Mitarbeiterzahl und die Produktionszahlen, so dass am Ende dieser Periode immerhin fast 25.000 Cores der Modelle Custom, Standard, Studio, McCarty und Santana, weitere 13.000 CEs und einige kleinere Serien (EG) produziert waren. Hieraus lässt sich zugleich der Schluss ziehen, dass der Begriff „pre factory“ wohl etwas romantisierend ausgewählt ist. Auch wenn PRS anschließend (seit 1996) über eine halbe Million Gitarren produziert hat, mithin also die Gitarrenproduktion sich noch einmal vervielfachte, und anstelle der ursprünglich (1985) 18 inzwischen 280 Mitarbeiter für PRS tätig sind, sprechen ca. 40.000 hergestellte Gitarren in den 10 Jahren von 1985 bis 1995 dafür, dass auch in der pre factory Zeit durchaus schon eine gewisse Rationalisierung der Produktionsabläufe existiert haben muss.
Trotz der seinerzeit noch deutlich ausgeprägteren Handarbeit im Herstellungsprozess ist auch die Qualität der pre factory – PRSi überragend. Nur auf diese Weise konnte Paul die Gitarren zu auffällig hohen Preisen verkaufen: 1985 betrug der Verkaufspreis einer Fender USA Stratocaster in den USA 750 $, der einer Gibson Les Paul Standard 1000 $, das Grundmodell von PRS, die Custom, jedoch je nach Ausstattung (Birds etc.) zwischen 1.350 und 1.550 $. PRS profitierte sicher auch davon, dass Fender und Gibson Mitte der 80er Jahre unter Qualitätsproblemen litten und deshalb das hohe Qualitätsniveau der PRSi besonders auffällig war.
Die PRSi der pre factory – Periode lassen sich auf den ersten Blick daran erkennen, dass sie fast alle den noch sehr kleinen „Paul Reed Smith“ – Schriftzug am Headstock tragen. (Ausnahmen: Die allerersten handgefertigten 1985er-Modelle trugen überhaupt keinen Schriftzug, schon 1995 wurde der ab 1996 verwendete größere Schriftzug aus Metall auch schon für die letzten pre factorys verwendet und die Sonderreihen GOTM (Guitar oft he month), Artist Limited und 10th Anniversary, direkte Vorreiter des 1996 gegründeten Private Stock, tragen stattdessen den Adler, der eigentlich aus der Findungsphase vor der pre factory – Zeit stammt und später Kennzeichen des Private Stock wurde.)
Ein weiteres Erkennungsmerkmal ist natürlich die Seriennummer: Alle Cores (also in den USA ab 1985 gefertigten PRSi) tragen eine Seriennummer, die sich bei den Topmodellen Santana, Custom und McCarty auf der Rückseite des Headstocks und bei der (mit Schraubhals versehenen) CE auf der Neckplate befindet. Der erste Teil der Seriennummer (in der pre factory – Zeit die erste Ziffer) kann hier vernachlässigt werden, sie steht für das Entstehungsjahr (5 für 85 oder 95, 6 für 86, 7 für 87 etc.)
Für die Ziffern dahinter gilt, dass folgende Seriennummern in der pre factory - Zeit vergeben wurden:
- Santana, Standard, Special, Custom 22, Custom 24, McCarty, Sonderserien: 0001 bis 24.600
- CE: 0001 bis 13.000
Ein weiteres Erkennungsmerkmal zumindest der früheren pre factorys: Anstelle eines Pickupwahlschalters verwendete PRS (allerdings bis 2008) einen 5-Weg-Drehschalter für die Ansteuerung der PUs und bestimmter Schaltungen (out of phase), ferner hatten die Gitarren einen kleinen Switch-Schalter, der etwas höhenreichere Single Coil – ähnliche Sounds ermöglichen sollte.
Natürlich kam es auch innerhalb des Zeitraums von 1985 bis 1995 zu verschiedenen Änderungen der Serien. Dies soll nur beispielshaft anhand der verwendeten Pickups aufgezeigt werden:
1985: Standard Treble und Standard Bass
1987: Hinzu kamen HFS Treble und Bass, Vintage Treble und Bass, Single Coil Bass
1990: Alle Standard, Custom, Special und CE bekamen nun HFS Treble und Vintage Bass – PUs
1991: Die neu eingeführte Artist-Reihe (direkter Nachfolger der Signature) bekam eigene, auf den jeweiligen Korpus abgestimmte Artist-PUs.
1992: Einführung der Dragon Treble und Bass – PUs für die neuen Dragon-Reihe
1994: Standard 22 und CE erhielten ebenfalls Dragon Treble und Bass
1994: Mit Einführung der neuen McCarty-Baureihe neue McCarty Treble und Bass- PUs für McCarty und 1995 auch –mit goldener Abdeckkappe- für die teuren Sondermodelle GOTM und 10th Anniversary.
Im MB gibt es bereits ein aufschlussreiches Review zu einer sehr frühen (86er) pre factory von unserem User @mr.coleslaw unter:
https://www.musiker-board.de/threads/gitarre-1986-er-pre-factory-prs-prs-guitar.658224/
Schon in der pre factory – Zeit gab es erste Sonderserien, die viele Optionen des erst später (1996) gegründeten Private Stocks (quasi der Custom Shop innerhalb von PRS) vorweg nahmen. Hierfür verwendete PRS besonders ausgewählte Hölzer und wählte einige Besonderheiten, so dass er die sämtlichst limitierten Sondermodelle zu höheren Preisen anbieten konnte. Diese Gitarren sollten nach außen den Stand, der inzwischen möglich war, aufzeigen und sicher auch den lukrativen Sammlermarkt ansprechen. Vielleicht liegt hier der Grundstein des Vorurteils der „Gitarre für Zahnärzte und Rechtsanwälte“. Der Fairness halber muss ich aber anmerken, dass ich schon ein paar dieser Sondermodelle in den Händen hatte und sie tatsächlich ein schwer in Worte zu fassenden Flair ausströmen.
Insgesamt gab es in der pre factory – Zeit folgende
Limitierte Sondermodelle:
Signature (1987 bis 1991): 1000 Stück
Artist I (1991 bis 1994): 500 Stück
Dragon I (1992): 50 Stück
Dragon II (1993): 100 Stück
Artist II (1993 bis 1994): 500 Stück
Dragon III (1994): 100 Stück
Artist Limited (1994 bis 1995): 165 Stück
GOTM (Guitar of the month): 12 Stück, je eines pro Monat des Jahres 1995
10th Anniversary (1995): 200 Stück
Ende des Jahres 1995 schließlich endete die pre factory – Periode. Die große Nachfrage nach PRS-Gitarren war in den beschränkten Platzverhältnissen in Annapolis nicht mehr zu bewältigen und so kam es zum Jahreswechsel 1995/96 zum Umzug nach Stevensville / Kent Island. Dieser Umbruch ging zugleich einher mit einer Umstellung der Herstellungsprozesse, etwa der Anschaffung der bereits eingangs erwähnten CNC-Fräsen. Ebenfalls 1996 gründete PRS den Private Stock unter Leitung eines Mitarbeiters der ersten Stunde, Joe Knaggs. Ein paar später sehr beliebte Modifikationen, etwa die Einführung des Stoptail oder der Single Cut – Bauform, entwickelte PRS erst in der Neuzeit.
Zu den Verhältnissen der Neuzeit bei PRS inklusive Factory-Tour aus Stevensville immer wieder lesenwert: Martins kompletter PRS-Thread aus dem Board unter
https://www.musiker-board.de/threads/prs-1-2-3-by-hack_meck.536112/page-5
Abschießend noch eine persönliche Anmerkung:
Im Jahr 1996 wurde ich erstmals auf die pre factorys aufmerksam: Ein befreundeter und ziemlich wohlhabender Gitarrist erschien zu einer Bandprobe mit einer Ten Anni (= PRS 10th Anniversary). Sie wurde zu einem absoluten Trauminstrument von mir, war aber bei einem Neupreis von ab 6600 $ (zzgl. Optionen wie Vibrato, quilted maple, etc.) finanziell ganz weit außer Reichweite. Erst jetzt, fast 25 Jahre später, konnte ich mir diesen Traum erfüllen. Gut Ding will manchmal ganz schön viel Weile haben…..^^. Ich mag sie wirklich und spiele sie oft.
(Die Pics stammen noch von Felix Dütting von dem Verkäufer-Shop bigfoot guitars)
Ja, vielleicht etwas too much, die Ten Anni, aber wer das nicht mag hat ja genügend tolle Alternativen aus dieser Zeit. Ein Anspielen lohnt auf jeden Fall, zumal im Moment gerade ein paar schöne Stücke bei den bekannten Händlern hochwertiger Gebrauchtgitarren stehen.
Ich kann auch nach dem Probespielen anderer pre factorys durchaus verstehen, dass diese Gitarren sehr geschätzt werden. Dabei kann ich allerdings nicht beurteilen, ob wirklich der Funke von diesen Gitarren aus geht oder mich bereits der Umstand, dass ich ja vorher weiß, was ich da in den Händen halte, unbewusst beeinflusst, Mojo und Realität verschwimmen da vielleicht etwas.
Ich versuche mal, die Nostalgie (früher waren ja bekanntlich alle Bäume grüner, der Himmel blauer, die Weiden saftiger) auszublenden. Danach sind die pre factorys, die ich bisher kenne, wirklich sehr gute Instrumente. Ich mag sie, auch wenn meine persönliche Lieblings-PRS aus dem Jahr 2012 stammt.
Lohnen pre factorys den Aufpreis? Keine Ahnung, das mag jeder für sich entscheiden. Die Sonderserien werden heute schon sehr teuer gehandelt, bei den Serienmodellen erzielen besonders die ersten Jahrgänge hohe Gebrauchtpreise, die überwiegend deutlich über den damaligen Neupreisen liegen. Die Aufpreise für späte Serien-pre factorys aus den 90ern fallen demgegenüber derzeit (noch?) wirklich moderat aus, insbesondere bei den CEs oder bei optisch unauffälligen Exemplaren (keine besonders schöne Deckenzeichnung bzw. Standards, keine Birds, etc). Obwohl in den USA das Thema pre factory viel verbreiteter ist, als hierzulande, ist das Preisniveau in Europa und den USA vergleichbar.
Mich würde es freuen, wenn dieser Thread die eine oder andere Information vermitteln konnte und sich vielleicht auch der eine oder andere User, der selbst Erfahrungen gesammelt hat, zu Wort meldet.
Zum Abschluss noch ein Bild eines frühen Prospekts von 1985:
Abschließend ein Dankeschön an Ulrich (@Stoptail22 ) und Martin (@hack_meck) für gute Anregungen bei Erstellung dieses Beitrags!
Bei der Herstellung von Paul Reed Smith – Gitarren lassen sich 3 Zeiträume unterscheiden:
1. Die Findungsphase von 1975 bis 1985: Paul lernte, wie man Gitarren baut, indem er verschiedene Einzelstücke fertigte. Es gelang ihm zunehmend, auch weltbekannte Gitarristen mit Gitarren zu versorgen, etwa Carlos Santana und Al di Meola. Die Gitarren dieser Zeit erkennt man daran, dass sie (zumeist) einen Adler auf dem Headstock zeigen, es gibt nur sehr wenige und als normaler Gitarrist wird man im Zweifel nie die Gelegenheit erhalten, eine solche Gitarre anzuspielen.
2. Die „pre factory“ – Zeit von 1985 bis zum Jahresende 1995, Standort Annapolis.
(Der Begriff "pre factory" ist etwas umstritten, ich verwende ihn aber, da er prägnanter ist als "von 1985 bis 1995 noch am ursprünglichen Sitz von PRS in Annapolis gefertigte Gitarren"^^)
3. Die aktuelle Neuzeit seit 1996, Standort Stevensville / Kent Island
Vorab:
Speziell in den amerikanischen Foren existiert seit Jahrzehnten ein relativ sinnbefreiter Streit darüber, ob die in der „pre factory“-Zeit gefertigten Gitarren von PRS denen aus der Zeit danach überlegen sind. Beide "Lager" können nachvollziehbare Argumente vorbringen:
Freunde der Neuzeit (darunter Paul selbst) argumentieren im Wesentlichen dahingehend, dass PRS im Laufe der Jahre stets dazu gelernt habe, man diese Neuerungen umgesetzt habe und deshalb neuere Gitarren stets früheren überlegen sein müssten.
Die pre factory – Freunde halten dagegen, dass man früher wegen der viel geringeren Stückzahlen noch viel strenger nur die allerbesten Hölzer habe auswählen können, dass viele Änderungen im Wesentlichen auf Einsparmaßnahmen beruhen würden, etc.
Vieles davon entpuppt sich bei näherer Ansicht als reine Geschmackssache. Nur ein Beispiel, um es nicht ausufern zu lassen: Genau zum Wechsel 1996 schaffte sich PRS CNC-Fräsen an. Freunde älterer PRSi beklagen den Verlust der Handarbeit und der individuellen Befassung von Fachkräften mit jedem einzelnen Bauteil, Freunde der Neuzeit loben die perfekte Präzision der CNC-Fräsen.
Ich finde den gesamten Streit überflüssig, zumal man sicher nicht alle Gitarren der beiden Perioden über einen Kamm scheren kann (Serienstreuung) und allzu oft der persönliche Geschmack ausschlaggebend sein dürfte. Ich habe dennoch diese Auseinandersetzung voran gestellt, damit jeder, der sich näher im Netz mit den pre factorys beschäftigen möchte, die damit verbundenen Diskussionen im Internet einzuschätzen weiß.
Jetzt aber los.
Überblick über die pre factorys:
1985 bezog Paul mit insgesamt 18 Mitarbeitern ein Produktionsgebäude für die Herstellung von PRS-Gitarren in Annapolis, Virginia Avenue. Den eigentlichen Startschuss bildete die NAMM 1985, auf der Paul erstmals seine Gitarren an einem eigenen Stand der Öffentlichkeit präsentierte:
Zu diesem Zweck hatte er in weitgehender Handarbeit knapp 20 Gitarren gebaut, von denen er wohl 8 Stück den interessierten Besuchern vorstellte. Der nachfolgende Erfolg des Unternehmens zeigt, wie gut diese Gitarren dort angekommen sein dürften.
Die Modellvielfalt erhöhte sich relativ schnell. Schon 1989 bot PRS folgende Modelle an: Signature Series, Custom, Special, Studio, Standard, Classic Electric (CE), in den frühen 90er Jahren kam auch noch die EG-Reihe hinzu.
Während der gut 10 Jahre andauernden pre factory – Phase erhöhte Paul beständig die Mitarbeiterzahl und die Produktionszahlen, so dass am Ende dieser Periode immerhin fast 25.000 Cores der Modelle Custom, Standard, Studio, McCarty und Santana, weitere 13.000 CEs und einige kleinere Serien (EG) produziert waren. Hieraus lässt sich zugleich der Schluss ziehen, dass der Begriff „pre factory“ wohl etwas romantisierend ausgewählt ist. Auch wenn PRS anschließend (seit 1996) über eine halbe Million Gitarren produziert hat, mithin also die Gitarrenproduktion sich noch einmal vervielfachte, und anstelle der ursprünglich (1985) 18 inzwischen 280 Mitarbeiter für PRS tätig sind, sprechen ca. 40.000 hergestellte Gitarren in den 10 Jahren von 1985 bis 1995 dafür, dass auch in der pre factory Zeit durchaus schon eine gewisse Rationalisierung der Produktionsabläufe existiert haben muss.
Trotz der seinerzeit noch deutlich ausgeprägteren Handarbeit im Herstellungsprozess ist auch die Qualität der pre factory – PRSi überragend. Nur auf diese Weise konnte Paul die Gitarren zu auffällig hohen Preisen verkaufen: 1985 betrug der Verkaufspreis einer Fender USA Stratocaster in den USA 750 $, der einer Gibson Les Paul Standard 1000 $, das Grundmodell von PRS, die Custom, jedoch je nach Ausstattung (Birds etc.) zwischen 1.350 und 1.550 $. PRS profitierte sicher auch davon, dass Fender und Gibson Mitte der 80er Jahre unter Qualitätsproblemen litten und deshalb das hohe Qualitätsniveau der PRSi besonders auffällig war.
Die PRSi der pre factory – Periode lassen sich auf den ersten Blick daran erkennen, dass sie fast alle den noch sehr kleinen „Paul Reed Smith“ – Schriftzug am Headstock tragen. (Ausnahmen: Die allerersten handgefertigten 1985er-Modelle trugen überhaupt keinen Schriftzug, schon 1995 wurde der ab 1996 verwendete größere Schriftzug aus Metall auch schon für die letzten pre factorys verwendet und die Sonderreihen GOTM (Guitar oft he month), Artist Limited und 10th Anniversary, direkte Vorreiter des 1996 gegründeten Private Stock, tragen stattdessen den Adler, der eigentlich aus der Findungsphase vor der pre factory – Zeit stammt und später Kennzeichen des Private Stock wurde.)
Ein weiteres Erkennungsmerkmal ist natürlich die Seriennummer: Alle Cores (also in den USA ab 1985 gefertigten PRSi) tragen eine Seriennummer, die sich bei den Topmodellen Santana, Custom und McCarty auf der Rückseite des Headstocks und bei der (mit Schraubhals versehenen) CE auf der Neckplate befindet. Der erste Teil der Seriennummer (in der pre factory – Zeit die erste Ziffer) kann hier vernachlässigt werden, sie steht für das Entstehungsjahr (5 für 85 oder 95, 6 für 86, 7 für 87 etc.)
Für die Ziffern dahinter gilt, dass folgende Seriennummern in der pre factory - Zeit vergeben wurden:
- Santana, Standard, Special, Custom 22, Custom 24, McCarty, Sonderserien: 0001 bis 24.600
- CE: 0001 bis 13.000
Ein weiteres Erkennungsmerkmal zumindest der früheren pre factorys: Anstelle eines Pickupwahlschalters verwendete PRS (allerdings bis 2008) einen 5-Weg-Drehschalter für die Ansteuerung der PUs und bestimmter Schaltungen (out of phase), ferner hatten die Gitarren einen kleinen Switch-Schalter, der etwas höhenreichere Single Coil – ähnliche Sounds ermöglichen sollte.
Natürlich kam es auch innerhalb des Zeitraums von 1985 bis 1995 zu verschiedenen Änderungen der Serien. Dies soll nur beispielshaft anhand der verwendeten Pickups aufgezeigt werden:
1985: Standard Treble und Standard Bass
1987: Hinzu kamen HFS Treble und Bass, Vintage Treble und Bass, Single Coil Bass
1990: Alle Standard, Custom, Special und CE bekamen nun HFS Treble und Vintage Bass – PUs
1991: Die neu eingeführte Artist-Reihe (direkter Nachfolger der Signature) bekam eigene, auf den jeweiligen Korpus abgestimmte Artist-PUs.
1992: Einführung der Dragon Treble und Bass – PUs für die neuen Dragon-Reihe
1994: Standard 22 und CE erhielten ebenfalls Dragon Treble und Bass
1994: Mit Einführung der neuen McCarty-Baureihe neue McCarty Treble und Bass- PUs für McCarty und 1995 auch –mit goldener Abdeckkappe- für die teuren Sondermodelle GOTM und 10th Anniversary.
Im MB gibt es bereits ein aufschlussreiches Review zu einer sehr frühen (86er) pre factory von unserem User @mr.coleslaw unter:
https://www.musiker-board.de/threads/gitarre-1986-er-pre-factory-prs-prs-guitar.658224/
Schon in der pre factory – Zeit gab es erste Sonderserien, die viele Optionen des erst später (1996) gegründeten Private Stocks (quasi der Custom Shop innerhalb von PRS) vorweg nahmen. Hierfür verwendete PRS besonders ausgewählte Hölzer und wählte einige Besonderheiten, so dass er die sämtlichst limitierten Sondermodelle zu höheren Preisen anbieten konnte. Diese Gitarren sollten nach außen den Stand, der inzwischen möglich war, aufzeigen und sicher auch den lukrativen Sammlermarkt ansprechen. Vielleicht liegt hier der Grundstein des Vorurteils der „Gitarre für Zahnärzte und Rechtsanwälte“. Der Fairness halber muss ich aber anmerken, dass ich schon ein paar dieser Sondermodelle in den Händen hatte und sie tatsächlich ein schwer in Worte zu fassenden Flair ausströmen.
Insgesamt gab es in der pre factory – Zeit folgende
Limitierte Sondermodelle:
Signature (1987 bis 1991): 1000 Stück
Artist I (1991 bis 1994): 500 Stück
Dragon I (1992): 50 Stück
Dragon II (1993): 100 Stück
Artist II (1993 bis 1994): 500 Stück
Dragon III (1994): 100 Stück
Artist Limited (1994 bis 1995): 165 Stück
GOTM (Guitar of the month): 12 Stück, je eines pro Monat des Jahres 1995
10th Anniversary (1995): 200 Stück
Ende des Jahres 1995 schließlich endete die pre factory – Periode. Die große Nachfrage nach PRS-Gitarren war in den beschränkten Platzverhältnissen in Annapolis nicht mehr zu bewältigen und so kam es zum Jahreswechsel 1995/96 zum Umzug nach Stevensville / Kent Island. Dieser Umbruch ging zugleich einher mit einer Umstellung der Herstellungsprozesse, etwa der Anschaffung der bereits eingangs erwähnten CNC-Fräsen. Ebenfalls 1996 gründete PRS den Private Stock unter Leitung eines Mitarbeiters der ersten Stunde, Joe Knaggs. Ein paar später sehr beliebte Modifikationen, etwa die Einführung des Stoptail oder der Single Cut – Bauform, entwickelte PRS erst in der Neuzeit.
Zu den Verhältnissen der Neuzeit bei PRS inklusive Factory-Tour aus Stevensville immer wieder lesenwert: Martins kompletter PRS-Thread aus dem Board unter
https://www.musiker-board.de/threads/prs-1-2-3-by-hack_meck.536112/page-5
Abschießend noch eine persönliche Anmerkung:
Im Jahr 1996 wurde ich erstmals auf die pre factorys aufmerksam: Ein befreundeter und ziemlich wohlhabender Gitarrist erschien zu einer Bandprobe mit einer Ten Anni (= PRS 10th Anniversary). Sie wurde zu einem absoluten Trauminstrument von mir, war aber bei einem Neupreis von ab 6600 $ (zzgl. Optionen wie Vibrato, quilted maple, etc.) finanziell ganz weit außer Reichweite. Erst jetzt, fast 25 Jahre später, konnte ich mir diesen Traum erfüllen. Gut Ding will manchmal ganz schön viel Weile haben…..^^. Ich mag sie wirklich und spiele sie oft.
(Die Pics stammen noch von Felix Dütting von dem Verkäufer-Shop bigfoot guitars)
Ja, vielleicht etwas too much, die Ten Anni, aber wer das nicht mag hat ja genügend tolle Alternativen aus dieser Zeit. Ein Anspielen lohnt auf jeden Fall, zumal im Moment gerade ein paar schöne Stücke bei den bekannten Händlern hochwertiger Gebrauchtgitarren stehen.
Ich kann auch nach dem Probespielen anderer pre factorys durchaus verstehen, dass diese Gitarren sehr geschätzt werden. Dabei kann ich allerdings nicht beurteilen, ob wirklich der Funke von diesen Gitarren aus geht oder mich bereits der Umstand, dass ich ja vorher weiß, was ich da in den Händen halte, unbewusst beeinflusst, Mojo und Realität verschwimmen da vielleicht etwas.
Ich versuche mal, die Nostalgie (früher waren ja bekanntlich alle Bäume grüner, der Himmel blauer, die Weiden saftiger) auszublenden. Danach sind die pre factorys, die ich bisher kenne, wirklich sehr gute Instrumente. Ich mag sie, auch wenn meine persönliche Lieblings-PRS aus dem Jahr 2012 stammt.
Lohnen pre factorys den Aufpreis? Keine Ahnung, das mag jeder für sich entscheiden. Die Sonderserien werden heute schon sehr teuer gehandelt, bei den Serienmodellen erzielen besonders die ersten Jahrgänge hohe Gebrauchtpreise, die überwiegend deutlich über den damaligen Neupreisen liegen. Die Aufpreise für späte Serien-pre factorys aus den 90ern fallen demgegenüber derzeit (noch?) wirklich moderat aus, insbesondere bei den CEs oder bei optisch unauffälligen Exemplaren (keine besonders schöne Deckenzeichnung bzw. Standards, keine Birds, etc). Obwohl in den USA das Thema pre factory viel verbreiteter ist, als hierzulande, ist das Preisniveau in Europa und den USA vergleichbar.
Mich würde es freuen, wenn dieser Thread die eine oder andere Information vermitteln konnte und sich vielleicht auch der eine oder andere User, der selbst Erfahrungen gesammelt hat, zu Wort meldet.
Zum Abschluss noch ein Bild eines frühen Prospekts von 1985:
Abschließend ein Dankeschön an Ulrich (@Stoptail22 ) und Martin (@hack_meck) für gute Anregungen bei Erstellung dieses Beitrags!
- Eigenschaft
Zuletzt bearbeitet: