Ich würde mich nach wie vor über einen Standard freuen, der sehr viel kann und durch eine hohe Verbreitung dann ordentlich unterstützt wird. Sei es mit Klängen, Apps oder so ähnlich
Eine einzige Standardarchitektur wird sich nie durchsetzen, schon allein deshalb, weil die Ansprüche der Keyboarder ans Gerät unterschiedlich sind.
Der Idealfall wäre wirklich eine EWS. Das Ding hätte eine voll-virtuell-modulare Klangarchitektur in der Art von Reaktor oder Nord Modular, die Elemente enthält wie 24 Bit/96 kHz-Sampleplayer mit Multiformat-Sampleimport, eine Physical-Modeling-Tonradorgel, einen FM/VPM-Block, der nicht nur VPM-Synths vom DX1 über DX100 und Korg 707 bis zu SY99 und FS1R imitieren kann, sondern auch echte FM mit bis zu acht OPs wie im GS1, und jede Menge Analogmodule, die auf Arturia-Art die Originale auf Einzelkomponentenbasis modellieren (also Physical Modeling mit analogen Schaltkreisen), und zwar mehr davon als Arturia Origin, NI Reaktor und die Eurorack-Vorführkabinette in Schneiders Laden zusammen. Nicht zu vergessen die gigantische Effektsektion, die unter anderem etliche Gitarrentretminen, Vintage-Banddelays und ähnliches bis ins Detail emuliert und ein Leslie auf Ventilator-Niveau enthält. Das Ding wäre alleine schon wegen der Lizenzgebüren an Moog, Oberheim, Roland, Yamaha, Korg, EMS-Rehberg etc. pp. horrende teuer, aber klanglich extremstens flexibel.
Dann kommt einer daher, der sagt, das will er nicht, das ist ihm alles zu teuer, und wenn er doch mal selbst dabei muß, dann ist das alles viel zu kompliziert, seine Motif bedient sich ja viel besser.
Von den kommerziellen Kaufpreset-Programmierern mal ganz abgesehen, die bei jeder neuen Chartsproduktion erst auseinanderklamüsern müssen, welche noch so kleine Synthspur jetzt womit genau gemacht wurde. Oder, sagen wir, eine ältere Vangelis-Nummer kommt aus irgendeinem Grunde in der Originalversion in die Charts, dann müssen sie irgendwie die Effektkette auseinanderpulen, mit der Vangelis seinen CS80 dazu gebracht hat, so zu klingen, wie er klingt (und die hält er geheim). Das ist nichts, was in ein paar Stunden gemacht ist, und genau das verlangen seine Kunden: blitzschnelle Reaktionszeit mit perfekten Presets.
Umgekehrter Fall: Besagte Workstation ist keine EWS, sondern die Yamaha Motif XF. 100% reiner Rompler/Sampleplayer ohne Ambitionen der detaillierten Replica von konkretem Vintage-Gear. Das wird nun zum Standard erklärt.
So, dann kommt aber ein absoluter Soundfreak, der wiederum die detaillierte Replica haben will. Der beklagt sich dann natürlich: Der DX1 (Whitney-Houston-Balladen) klingt unlebendig, den Minimoog (Manfred Mann's Earth Band) würde er mit einem Plugiator authentischer hinkriegen, beim Prophet-5 (Phil Collins) ist zu hören, daß es ein Sample ist, die Hammond (Santana, Procol Harum, Deep Purple) kreischt nicht so, wie sie kreischen müßte, weil's auch nur unlebendige Samples sind, die auch nicht auf die virtuellen Zugriegel reagieren, wie es das Original täte, der Typ, der die Wurlitzer-Samples eigens für What'd I Say gemacht hat, hat das Wurly nicht genau richtig eingestellt und obendrein den falschen Amp genommen, mit einem Modeling-Wurly plus Ampsimulation wäre das nicht passiert, der Spezialist, der meinte, sein Mellotron samplen zu müssen, hat sich nicht die Mühe gemacht, jedes einzelne Band über die vollen acht Sekunden zu samplen, Loopen zu unterbinden und die Bereiche, in denen ein Mellotron naturgemäß nicht mehr spielt, komplett abzuschalten, und so weiter.
Und der Programmierer, gleichermaßen ambitionierter Synthesizerfreak, regt sich auf, daß die Romplerfilter so gar nicht nach Minimoog klingen. Oder Memorymoog. Oder Taurus. Oder ARP. Oder Original-SEM. Oder OB-X. Oder Jupiter. Oder Prophet (SSM). Oder Prophet (CEM). Oder 303. Oder (paradoxerweise) Yamaha. Wavetables beherrscht die Kiste auch nicht, wie soll er da die typischen 80er-Jahre-PPG-Wave-Klänge replizieren. So kann er nicht arbeiten.
Martman