Moinsen!
Hier im Board ist doch auch mindestens ein (kommerzieller?) HOAX-Anbieter unterwegs. Vielleicht kann der uns ja kompetent über die notwendige Polyphonie bei Hammond-Clones aufklären. Vielleicht auch darüber, wie begrenzt die "unbegrenzte" Polyphonie im Endeffekt ist (der Hinweis auf die "unbegrenzte Polyphonie" fehlt ja zum Glück bei der B.A.S.S.-Seite).
Eigentlich halte ich mich aus derartigen Diskussionen lieber heraus - dennoch will ich Euch hier einmal meinen Mostrich dazu auf's Brot schmieren...
Vorab bemerkt: Ich werde mich hier nicht auf eine Diskussion was besser oder schlechter ist einlassen sondern Euch einfach einmal die technischen Gegebenheiten etwas näherbringen - was durch den Verlauf dieses Stranges angeraten erscheint (zumindest mir).
Ich möchte zunächst einmal die Frage aufgreifen, wie denn die notwendige Polyphonie eines Hammond-Klones auszusehen hat. Die Frage ist letztlich ganz einfach zu beantworten: Genauso wie bei einer originalen Hammond. Das heißt: Wenn drei Mann gleichzeitig alle Tasten auf allen Manualen und alle Pedale drücken und alle Zugriegel gezogen sind müssen alle diese Töne zu hören sein - egal, wie sinnvoll diese Kakophonie nun sein mag. Eine Ausnahme kann man beim Pedal machen, wenn dieses monophon als Stringbass ausgelegt ist. Dies entspricht jedoch nicht dem Original. Andererseits gibt's ja heute kaum noch Hammond"oganisten", die überhaupt richtig Pedal spielen können, geschweige denn mit den alten polyphonen Pedalen klar kommen...
Aus technischer Sicht ist nun die Frage, wie denn jetzt überhaupt der Ton erzeugt wird. Meist wird heute über DSPs etc. gearbeitet, dort der Klang berechnet etc.. Das Problem dabei ist, daß diese Rechenleistung nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Dies versucht man zu umgehen, in dem man nun in den DSPs mehrere Kanäle implementiert, die diese Berechnungen nun (je nach Ausführung mehr oder minder) parallel ausführen können, was die Gesamtleistung erhöht. Eine entscheidende Frage bei derartigen Ansätzen ist nun, wie die Berechnungen laufen. Müssen jetzt erst pro Taste die einzelnen neun Töne berechnet werden und wird dann daraus gemäß den Zugriegeln eine Summe gebildet oder ist der Algorithmus komplexer und berechnet gleich das Summensignal aller Töne etc. Dies alles hat letztlich Auswirkungen auf das, was ausgegeben wird und hörbar ist. Wichtig bei dieser Art von System ist zu verstehen, daß es eben nicht "nur" 96 Töne gibt, die erzeugt werden müssen, sondern daß für gleiche Töne (z.B. C 8' und c 16')
zwei der verfügbaren Klangerzeugungsmechanismen eingesetzt werden müssen. Analoges gilt auch für die Summenberechnung pro Taste. Auch hier muß für jede Taste ein Klangerzeugungsmechanismus eingesetzt werden, auch wenn gleiche Töne erzeugt werden. Übrigens ist die Frage, welche Art eines Algorithmus letztlich zur Anwendung kommt auch immer eine Frage der eingesetzten Hardware.
Somit müßten unter der Annahme des ersten Verfahrens max. 2 * 9 * 61 + 2 * 25 Klangerzeuger, also 1148 Klangerzeuger zur Verfügung stehen. Für die zweite Variante 147.
Da dies je nach eingesetzter Hardware nicht immer oder nur mit entsprechendem Mitteleinsatz (und somit entsprechend hohem Verkaufspreis) machbar ist wird sich oftmals damit beholfen, daß man davon ausgeht, daß eigentlich nie alle Tasten gleichzeitig gedrück werden. Wenn man nun davon ausgeht, daß vollgriffig beidhändig und mit beiden Füßen gespielt wird, so werden (bei melodiösem Spiel - Glissandi einmal außen vor) seltenst mehr als 12 Tasten und 4 Pedale gleichzeitig gedrückt sein. Damit käme man im Falle des ersten Beispiels mit 116 Klangerzeugern und im zweiten Beispiel mit 16 Klangerzeugern hin. Alles, was darüber hinaus geht, würde dann wegfallen und wäre nicht mehr hörbar. Um diese Effekte gering zu halten, werden in derartigen Fällen Berechnungen angestellt, die dann die vermeindlich unwichtigsten (=am wenigsten wahrnehmbaren) Teile zu Gunsten der prägnanten Teile ausschalten.
Anders sieht es hingegen aus, wenn noch Sustain zum Einsatz kommt (was dem Original ja nicht entspricht). Hier können während der Ausklingphase ja durchaus neue Töne hinzukommen, womit man hier wiederum den vollen Umfang der Tonerzeuger bräuchte. Jedoch wird auch hier oft der soeben beschriebene Weg beschritten.
Um jetzt auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Wenn eines der auf DSPs aufsetzenden Verfahren die Möglichkeit beitet, alle Tasten mit allen Fußlagen (und je nach Auslegung das Pedal mono- oder polyphon) gleichzeitig erklingen zu lassen ohne etwas herauszurechnen, dann ist dies mMn. in Bezug auf einen Hammond-Klon vollpolyphon. Ist dies nicht oder nicht vollständig möglich, dann wäre so gesehen der Klon auch nicht als vollpolyphon zu bezeichnen.
Die Frage, warum nun oftmals diese (für die Hammondorgelemulation eigentlich weniger geeignete) Technik eingesetzt wird, drängt sich auf und ist relativ einfach zu beantworten: Diese Technik eignet sich recht gut, um mit einem Bauteil möglichst viele unterschiedliche Klangformen darstellen zu können (Thema Keyboards und Naturstimmen). Den Entwicklern der Instrumentenhersteller ist diese Technik bekannt und es kann für einen Hammond-Klon ggf. auf schon entwickelte Module zurückgegriffen werden. Dies spart Kosten und minimiert die Notwendigkeit, sich u.U. in neue Verfahren oder Bauteile einarbeiten zu müssen. Gleiches gilt für die Programmierung der Bauteile (sofern notwendig).
In diesem Strang klang ja auch schon an, daß für einen Hammond-Klon ja eigentlich nur 96 konstante Töne zu erzeugen und zu kombinieren sein. Das ist richtig und orientiert sich am Original. Wenn eine Technik eingesetzt wird, die Entsprechendes ohne Einschränkungen nachbildet, so kann man, auch unter Berücksichtgung der zuvor gemachten Ausführungen, ein derartiges Gerät auch als vollpolyphon in Bezug auf einen Hammond-Klon bezeichnen
Viele Grüße
Gerrit