Music Theory and White Supremacy

  • Ersteller bluestime
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Nur denke ich, dass eben dieser Prozess ausgeklammert wird, weil es leider immer noch genug Leute in diesen Institutionen gibt, die dieser anderen Musik dann ihren qualitativen Wert absprechen, anstelle von ihr zu lernen.
Da gebe ich dir recht, ich hatte ja schon von meinen diesbezüglichen Erfahrungen aus meiner Studienzeit geschrieben die genau in diese Richtung gingen.
Leider wurde dieses Scheuklappen-Denken bis heute nicht ausgerottet, ich lehne eine solche Engstirnigkeit jedenfalls ab und schaue selber gerne über den Tellerrand.
Nichtsdestotrotz bleiben der Generalbass, die Stufen- und die Funktionstheorie wichtige Werkzeuge, auch wenn sie für vieles aus der Zeit nach 1900 nicht mehr brauchbar sind. Da muss man halt dafür sorgen, dass man seinen "Werkzeugkasten" erweitert, da stimme ich dir auch voll und ganz zu.
Außerdem halte ich es für ein fatales Missverständnis jeglicher Theorie, besonders in der Musik, wenn man davon ausgeht, dass man mit diesen Theorien jegliche Musik hinlänglich oder gar umfassend erklären und fassen könnte. (Gute) Musik ist etwas dynamisches, höchst lebendiges, daran werden alle Theorien im letzten scheitern. Wer meint, dass das Erlernen der Theorie genügt um schließlich kreativ zu komponieren, irrt. Dessen Ergebnisse werden im besten Fall gutes bis sehr gutes Handwerk sein (was ich ich aber gar nicht gering schätzen oder abtun möchte), aber nicht unbedingt kreativ und fesselnd.

Schon bei Bach kommt man manchmal ins Schwitzen, wenn man nur seine Choräle mit der Funktionstheorie versucht umfassend zu analysieren. Das wird aber gerne so gemacht und man kommt durchaus zu sinnvollen Ergebnissen, aber man sollte sich immer bewusst sein, dass Bach und seine Zeitgenossen mit Funktionstheorie nichts am Hut hatten, die kam erst über 150 Jahre später in die Welt. Auch das ist ein Grund, solche Dinge wie den Generalbass nicht auszuklammern, denn ansonsten kann zu leicht der Eindruck entstehen, dass die Altvorderen schon in Stufen und/oder Funktionen gedacht hatten.
Überhaupt spotten die großen Komponisten (überhaupt alle kreativen Musiker) jeder Theorie, wobei sie in der Regel die theoretischen Systeme ihrer Zeit sehr gut kannten und gut darin ausgebildet waren. Mozart war z.B. durchaus vertraut mit dem Kontrapunkt eines J.S. Bach.
Auch für uns Nachfolgende ist es sinnvoll, über die Lehren und die Konventionen der jeweiligen Zeit Bescheid zu wissen, so kann man überhaupt erst erkennen, worin das seinerzeit so neue und revolutionäre z.B. bei Beethoven lag und warum er seine Zeitgenossen immer wieder so verstörte.

So ganz kleine Nischen sind die "alte" Musik, also des Barock, der Klassik und Romantik im übrigen nicht. Da ist der Kreis der Rezipienten serieller Musik sicher deutlich kleiner. Und da die Pop-Musik wie ich weiter oben schon schrieb sich grundsätzlich der Dur-Moll-Tonalität bedient und sich an ihr ausrichtet, und das Pop-Genre sicher das populärste Genre weltweit ist, passen die klassischen Theorie-Werkzeuge dort nach wie vor sehr gut und müssen im Grunde nur ein wenig erweitert werden (z.B. um "Tensions").
Engstirnigkeit und Abschottung sind auch hier höchst kontraproduktiv und im Endeffekt lähmend.

Um es nochmal zu betonen: Nicht die Theorien, Methoden und Werkzeuge sind das Problem, sondern die Haltung und das Bewusstsein in der diese oft vermittelt werden.
Wenn ein Lateinlehrer behaupten würde, es sei deshalb wichtig, Latein zu lernen, weil man in halb Europa so sprechen und schreiben würde (wie zu Zeiten des römischen Reiches), dann würde man ihn zurecht für schwachsinnig erklären.
Wenn jemand Musiktheorie in einer vergleichbaren Haltung vermitteln möchte, sollte man auch dies nachdrücklich als Schwachsinn kenntlich machen.
 
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Diese Zitate nehme ich zum Anlass für eine grundsätzliche Kritik.
Beginnen will ich mit der Evolutionstheorie, ...

Mir gings ja nicht darum, Rassismus an sich zu "definieren", sondern darum, dass man mit einer Aussage wie Sie der Threadtitel suggeriert prinzipiell schon auf sehr dünnem Eis unterwegs ist weil man z.B. einem Menschen im 3. Reich sehr gut unterstellen kann, dass er es besser hätte wissen müssen, aber geht man vor 1900 und noch weiter reden wir nunmal nicht mehr von ... "modern denkenden Menschen".

Mitte/Ende des 17. Jhdts war der Höhepunkt der neuzeitlichen Hexenverbrennungen im deutschsprachigen Raum - keine 100J vor der Ära von Mozart und Beethoven. Auch Menschen wie Voltaire oder Kant, die unser modernes, "menschlicheres" Bild essentiell mitbestimmt haben waren Kinder des 18. Jhdts.

Bevor das jetzt eine Geschichtsfaktenaufzählung wird, es geht darum: Ohne einer halbwegs schlüssigen Darstellung, wie ein Mensch, der z.B. zu Zeiten des Barock die europäische Musik(theorie) vorangetrieben hat überhaupt gesellschaftlich tickte und dachte ist ein modernes Schlagwort wie "White Supremacy" darauf anzuwenden einfach nur eine hohle Phrase. Eben weil sehr viel seither passiert ist, und da gehört auch die Evolutionstheorie und auch ihre rassistischen Entstellungen, die zeitweilig sehr viele Anhänger hatten nunmal dazu.

Grüße
 
...Ich denke hier zeigt sich der Teufelskreis. An Hochschulen in Deutschland dominieren Klassik und Jazz; bis auf wenige Ausnahmen und bis auf private Hochschulen, die in meinen Augen aber nur mit Träumen und Geld der Studierenden spielen, aber das ist ein anderes Thema. In diesem Mikrokosmos stehen dann bestimmte Theorien im Mittelpunkt. Soweit gehe ich auch mit dir mit, dass es sinnvoll ist, sich mit der Musiktheorie des 18. Jahrhunderts zu beschäftigen, wenn man bspw. Mozart spielt. Du sagtest es gibt aber nicht "die eine Musiktheorie" was völlig zutreffend ist. Nur wenn man sich anschaut, was an Schulen, Musikschulen und Musikhochschulen gelehrt wird, dann werden unter dem Begriff Musiktheorie drei Sachen subsumiert: Generalbass, Funktionslehre und (in manchen Institutionen nicht mal das!) Stufenlehre. Und weil Musik spätestens nach Impressionismus/Expressionismus nicht mehr mit diesen Konzepten erklärbar ist, scheint die Geschichtsschreibung der Musik Anfang des 20. Jahrhunderts stehen geblieben zu sein. (Aus der Sicht der Klassiker - verallgemeinert ich weiß) Alles was nicht mit dem Vorwissen kongruent ist, führt zu einem kognitiven Konflikt. An dieser Stelle setzt normalerweise ein Lernprozess ein. Nur denke ich, dass eben dieser Prozess ausgeklammert wird, weil es leider immer noch genug Leute in diesen Institutionen gibt, die dieser anderen Musik dann ihren qualitativen Wert absprechen, anstelle von ihr zu lernen. Und ich glaube DAS ist das Problem. Aber deine Ansicht geht ja auch in diese Richtung, wenn du sagst, es gibt nicht "die eine Musiktheorie". Nur müsste das dann auch so praktiziert werden. :)...
das alles bestreitet doch niemand (ok, fast niemand) und das Ganze läuft auch nicht, wie es sein könnte.

Nur hat das alles NULL mit Rassismus zu tun! Eher mit ein paar Verbohrten in ihren Elfenbeintürmen, da würde mir eher der Begriff "Snobismus" einfallen.

Aber die Rassismusjäger sind wie die Esotheriker, man kann alles mit allem beweisen - und da dagegen wehren sich hier einige. Sehr zu Recht!
 
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Nur hat das alles NULL mit Rassismus zu tun! Eher mit ein paar Verbohrten in ihren Elfenbeintürmen, da würde mir eher der Begriff "Snobismus" einfallen.

Es geht nicht darum, einzelnen Personen Rassismus nachzuweisen oder auch nur zu unterstellen. Wobei es durchaus Fälle gibt, wie in dem Adam Neely-Video gezeigt, in denen das völlig gerechtfertigt ist.

Der Rassismus drückt sich in der starken Bevorzugung einer bestimmten Kultur, ihren Schöpfungen und deren Theorie aus. Führe dir dazu einfach die Situation in den USA vor Augen. Ein guter Teil der Bevölkerung hat Vorfahren, die nicht dem europäischen Kulturraum entstammen. Diese Menschen haben Musiktraditionen mitgebracht und beeinflusst, die von der eurozentrischen Musiktheorie nur sehr unzureichend erfasst werden.

Man könnte also annehmen, dass die Musiktheorie, oder vielmehr die Leute, die sie betreiben, nach Wegen suchen, um die Theorie so zu erweitern, dass sie auch für nicht-europäische Traditionen geeignet ist. Wenn dies nicht geschieht, sehe ich das als eine Unterlassungssünde an. Umso mehr, wenn die institutionalisierte Musiktheorie mit öffentlichen Mitteln gefördert wird.

Die Ungleichbehandlung unterschiedlicher Musiktraditionen ist eine Diskriminierung. Musikalische Stile und Werke bekommen mehr oder weniger Aufmerksamkeit, nicht abhängig von ihrer Qualität, sondern abhängig davon, welcher Tradition sie entstammen und ob die Werkzeuge einer alten, eurozentrischen Theorie auf sie anwendbar sind. Ob die Ursachen dafür im kleinsten Einzelfall vielleicht Snobismus oder sonstwie vermeintlich harmlos sind, spielt überhaupt keine Rolle. Was zählt, ist das strukturelle Ergebnis.

Ist diese Diskriminierung nun auch rassistisch? Nehmen wir zunächst ein Gegenbeispiel. Wenn Stücke im 3/4-Takt von der Musiktheorie seit jeher komplett ignoriert worden wären, dann wäre das zwar Diskriminierung, aber sicher nicht rassistisch. Wenn aber diese Unterscheidung entlang von ethnischen Traditionen verläuft, dann finde ich es gerechtfertigt, von Rassismus zu sprechen.
 
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Wenn aber diese Unterscheidung entlang von ethnischen Traditionen verläuft, dann finde ich es gerechtfertigt, von Rassismus zu sprechen.

DAS ist genau der springende Punkt.
Ich für meinen Teil finde es in diesem Fall nicht gerechtfertigt.

Aber da gibt´s halt offensichtlich verschiedene Auffassungen. Soll sein.

LG
Thomas
 
... Wenn aber diese Unterscheidung entlang von ethnischen Traditionen verläuft, dann finde ich es gerechtfertigt, von Rassismus zu sprechen...
ich gehöre halt nicht zu diesen Menschen, für die 1+1 vielleicht 3 ist.
Und von vorrauseilendem Gehorsam, Duckmäusertum, etc. halte ich auch nix.

Auf dieser Welt gibt es mehr als genug essentielle Probleme, da braucht niemand die hochgradig konstruierten dazu!
 
Man könnte also annehmen, dass die Musiktheorie, oder vielmehr die Leute, die sie betreiben, nach Wegen suchen, um die Theorie so zu erweitern, dass sie auch für nicht-europäische Traditionen geeignet ist. Wenn dies nicht geschieht, sehe ich das als eine Unterlassungssünde an.
Anklagen ist immer leicht. Meiner Meinung nach steht Adam Neely hier in der Pflicht: Anstatt polarisierende Videos zu drehen, soll er sich doch auf den Hosenboden setzen und solch eine Musiktheorie schreiben und lehren oder sonstwie etablieren. Er kann doch mit leuchtendem Beispiel vorangehen! Machen statt reden! Andere kritisieren und ihnen vorwerfen, was sie alles falsch machen, ist mir zu dürftig. Warum sollen andere seine Ideen umsetzen? Das kann er doch selber machen! Es wird aber vermutlich so sein, daß sich so ein Buch oder so eine Methode nicht so gut verkaufen lässt, jedenfalls nicht so gut wie polarisierende Youtube-Videos. Und deshalb werden wir seine Methode zum Thema wohl nicht erleben.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Wie definiert ihr dann Rassismus @turko @WilliamBasie ? Immerhin hat @murmichel gut skizziert, dass es in diesem Thema um tatsächliche ethnische/kulturelle Trennlinien geht. Man stelle sich vor die deutsche Musiklandschaft würde im wissenschaftlichen Diskurs komplett ignoriert werden...

@McCoy Kritik an der wirtschaftlichen Orientierung ist angemessen, allerdings frage ich mich, ob deine Denkweise nicht jeden politischen Diskurs verhindert. Im Video werden ja auch Lösungsansätze vorgestellt. Da es aber ein institutionelles Problem ist (nämlich auf der höchsten Ebene des Bildungssystems) ist es vermessen, von einem Einzelnen zu fordern er soll es doch selbst lösen, indem er ein Buch o.ä. schreibt.
 
Man stelle sich vor die deutsche Musiklandschaft würde im wissenschaftlichen Diskurs komplett ignoriert werden...

Bei mir hat das im Halbschlaf diese Vorstellung hervorgerufen:

"Wir behandeln hier nur 4/4-Takt. Das ist angemessen, weil es völlig ausreicht, um einen riesigen Korpus an sehr guter Musik zu analysieren. Natürlich gibt es auch andere Takte, aber das ist Kommerz oder Ethno. Wenn du wirklich etwas darüber erfahren willst, musst du mit den Wiener-Walzer-Pop-Musikern reden oder mit den Balkan-Musikethnologen."​

Lächerlich, oder?
 
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allerdings frage ich mich, ob deine Denkweise nicht jeden politischen Diskurs verhindert.
Wenn der politische Diskurs keine Taten folgen läßt, bleibt es halt eine Stammtischdiskussion.
Da es aber ein institutionelles Problem ist (nämlich auf der höchsten Ebene des Bildungssystems) ist es vermessen, von einem Einzelnen zu fordern er soll es doch selbst lösen, indem er ein Buch o.ä. schreibt.
Aus meiner Sicht ist es kein institutionelles Problem. Zumindest bei uns sind Lehre und Forschung im Rahmen der bundesdeutschen Verfassung frei. D.h. jeder Lehrende und Forschende kann im Rahmen des deutschen Grundgesetzes das unterrichten oder das erforschen, was er für richtig hält. Man muß das dann eben einfach nur machen. Wenn man dafür ein Publikum findet, kann man das auch an Institutionen tun.

Und aus meiner Erfahrung wird das ja auch gemacht: In meiner Heimatstadt gibt es z. B. einen intensiven kulturellen Austausch mit Musikern aus der Mongolei, koordiniert von einem Professor der Musikhochschule. Er hat das in jahrzehntelanger Arbeit aufgebaut und intensive Musikalische Kontakte hergestellt. AFAIK erhält er dafür auch öffentliche Förderungen. Das Goethe-Institut arbeitet ja z.B. auch in vielen außereuropäischen Ländern am interkulturellen Austausch. Ich weiß jetzt nicht, wie das in den USA aussieht, aber zumindest hier in Deutschland (und vermutlich auch in anderen europäischen Ländern) hat sich da seit einigen Jahrzehnten doch schon einiges etabliert. Und es steht ja jedem frei, sich dahingehend ebenfalls selbst zu engagieren.

Außerdem ist es ja im Zeitalter der digitalen Globalisierung unendlich einfach geworden, sich selbständig über außereuropäische Musikkulturen zu informieren und zu lernen. Das war ja z.B. in den 80ern noch gar nicht so einfach. Ich habe jedenfalls über Konnakol, Ragas und Thats viel im Netz gelernt, das wieder in meinen musikalischen Horizont einfließt. Eigeninitiative ist gefragt, die Inhalte sind heute jedermann zugänglich.

Manche Reden, andere schreiten zur Tat ...

Viele Grüße,
McCoy
 
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Wie definiert ihr dann Rassismus @turko @WilliamBasie ? Immerhin hat @murmichel gut skizziert, dass es in diesem Thema um tatsächliche ethnische/kulturelle Trennlinien geht.

Das ist leicht:

R. ist im gegenständlich betrachteten Umfeld die Ablehnung von anderen kulturellen Einflüssen W E G E N deren ethnischer Herkunft.
Das zufällige Zusammentreffen von ethnischen Grenzen und kulturellen (Auffassungs-)Unterschieden ALLEIN genügt (für mich) noch nicht, um R. zu unterstellen.

Beipiel: Ich persönlich finde HipHop mit ganz wenigen Ausnahmen als Kunstform lächerlich, aber nicht wegen der Ethnie derer, die ihn betreiben.
Sonst hätte ich ja nie ein Jazzfan werden dürfen ...

LG
Thomas
 
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und Rassismus isses auch dann nicht, wenn man nicht bereit ist den anderen unsere Errungenschaften hinterherzutragen.

Es steht doch jedem frei was zu erarbeiten, zu ändern, neu zu kreieren - und es ist auch kein Rassismus, wenn mich das nicht interessiert.

Ich bin im Jazz zu Hause, trotzdem ist mir Jazzrock/Rockjazz mit all seinen Ablegern entbehrlich, ich (sehr persönlich) mag E-Gitarren nicht sonderlich.
Auch der ganzen Ethnojazz geht mir in großem Maße am Arsch vorbei - ich finde das schlicht nicht interessant, schon gar nicht, wenn versucht wird da was kommerzielles zu basteln.
Und ich verwehre mich streng dagegen daraus Rassismus abzuleiten.
 
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Ich persönlich finde HipHop mit ganz wenigen Ausnahmen als Kunstform lächerlich, aber nicht wegen der Ethnie derer, die ihn betreiben.
Sonst hätte ich ja nie ein Jazzfan werden dürfen
Da muss ich nicht mal eigene Worte verwenden

Ich denke nicht, daß Dein, mein, oder irgendjemandes persönlicher Musikgeschmack etwas mit der konkreten Thematik zu tun hat

wenn man nicht bereit ist den anderen unsere Errungenschaften hinterherzutragen.
Kannst du das genauer erklären? Gerade im Jazz war es ja lustigerweise anders herum. Schön dass Jazz akademisiert wurde, aber wem nützt das denn vor allem?
 
...Kannst du das genauer erklären?...
es ging ja ursprünglich um Musiktheorie.

Das ist keine Geheimwissenschaft, alles ist jedem zugänglich - so er denn mag.
Ich kann nicht sehen, daß da jemand ausgeschlossen wird auf Grund seiner Ethnie, ich kann nicht sehen, daß andere Theorien bei uns verboten sind.

Ich sehe nur, daß an vielem kein Interesse besteht - wer will mich zwingen, die Gesänge der Eskimos interessant zu finden? Mich interessiert auch nicht, ob die Eskimos Mozart Scheiße finden!
 
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Ich glaube diese Diskussion dreht sich im Kreis, wenn man nicht realisiert, dass es hier nicht um eigene Interessen oder Empfindungen geht.
 
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Wenn du wirklich etwas darüber erfahren willst, musst du mit den Wiener-Walzer-Pop-Musikern reden oder mit den Balkan-Musikethnologen."
Lächerlich, oder?
Vielleicht nicht so ganz ...
Hast du mal jemanden einen Wiener Walzer spielen hören, der zwar den 3/4-tel-Takt kennt, aber keine Ahnung vom Wiener Walzer hat?
Ich hatte mal dieses ´Vergnügen´. Eine japanische Mitstudentin, die in der Tat noch nie einen Wiener Walzer gehört hatte, jedenfalls nicht bewusst, spielte einmal Walzer-Noten am Klavier, die ich zufällig im Notenstapel hatte, weil ich ein Stück aus dem Heft üben wollte. Sie spielte den 3/4-tel-Takt metronomisch genau, jeder, der den speziellen "Groove" des Wiener Walzers im Ohr hat, kann sich vorstellen, wie grauenhaft das klingt. Sie hatte wirklich noch nie solche Musik gehört und in ihrer vorherigen Ausbildung in Japan hatte sie zudem gelernt, so präzise wie möglich nach Metronom zu spielen.
Ich spielte ihr dann eine Platte mit dem Kaiser-Walzer vor, gespielt von den Wiener Philharmonikern unter Ferenc Fricsay und ihr dämmerte es dann.

Ich will damit sagen, dass es immer am besten ist, wenn man zu den Wurzeln des Stils geht, wo immer und so gut es möglich ist. An der Quelle ist das Wasser am frischsten. Das leitet mich über zum nächsten Zitat:

Es geht nicht um Einzelpersonen, sondern um Strukturen.
Strukturell ist das Abendland die Wiege der Musik des Abendlandes (was für eine Erkenntnis ;)), wobei unsere nunmehr über 1000-jährige überlieferte Musikgeschichte wirklich sehr, sehr viel zu bieten hat. So viel, dass es nicht verwundert, dass es dann auch reichlich Spezialisten für eine Epoche usw. gibt. Das halte ich auch für legitim, solange es der Reichhaltigkeit geschuldet ist und nicht der Abschottung und des Abwehrens anderer Richtungen. Sich nur einem Ausschnitt aus dem Ganzen zu widmen, dann aber richtig, finde ich nicht verwerflich.
Nicht umsonst strömen viele Musikstudenten aus dem Ausland nach Europa, besonders auch nach Deutschland, um sich an die Quelle der abendländischen Musik zu begeben, die sie studieren wollen.
Und die "alte Musik" ist ja nichts verstaubtes oder totes, sondern im Gegenteil ein höchst lebendiges Erbe, das es gilt, auch weiter lebendig zu erhalten. Als Museum ist die Musik generell zu schade.

In diesem Zusammenhang finde ich es ganz logisch, wenn an den europäischen Hochschulen auch die Theorie gelehrt wird, die zu der generellen Ausrichtung auf das abendländische Erbe passt. Ich würde mich auch nicht beschweren, wenn ich z.B. die Literatur des Mittelalters studieren möchte und in den Seminaren weder Brecht noch Walser erwähnt werden. Andersherum wäre es vielleicht befremdlich.

Dabei hat sich unsere Musik-Hochschullandschaft mittlerweile (und endlich) geöffnet, Jazz und populare Musik/Musical finden statt und sind (mehr oder weniger) integriert an vielen Musikhochschulen. Das war zu meiner Studienzeit in den 80-er-Jahren noch erheblich beschränkter.
Der Jazz, dessen Wurzeln bekanntlich in den USA liegt, hat sich ja auch mittlerweile in Europa als eine stabile Säule zeitgenössischer Musik entwickelt mit etlichen europäischen Musikern in vorderster Reihe, da liegt es nur nahe, wenn man ihn hierzulande auch profund studieren kann, was auch möglich ist.
Ansonsten hinkt vor allem Deutschland in Sachen Popularmusik leider immer noch hinterher und hat deutlichen Nachholbedarf.

Wäre es denn wirklich authentischer, wenn man in Deutschland Tabla oder javanesische Musik studieren könnte (mir ist keine Professur für Tabla oder Gamelan in Deutschland bekannt)?

Um was für eine Art Musiktheorie sollte es sich denn handeln, die von sich sagte, sie würde alle Musikstile, Gattungen und Ethnien in sich zusammenfassen?
So eine Theorie wäre extremst unübersichtlich und würde nur so von Ausnahmeregen wimmeln. Denn eine Theorie, die alle Stile umfasst ist schlicht unmöglich.
Eine Theorie, die diesen Anspruch vor sich her trüge würde ich als arrogant und überheblich ansehen.

Schon die Stimmführungsregeln des klassischen Choralsatz (Kantionalsatz, Bach´scher Choralsatz) sind nur auf diesen Choralstil in vollem Umfang anwendbar. Das absolute Verbot für Quintparallelen z.B. wäre für eine moderne Vertonung eines geistlichen Textes geradezu absurd, wir haben heute ganz andere stilistische Möglichkeiten und Herangehensweisen, wir haben ja auch eine andere Zeit, andere Epoche und einen anderen Stil. Trotzdem ist die Beschäftigung mit dem klassischen Choralsatz nach wie vor eine hervorragende Schule.
Umgekehrt wären die Prinzipien der Farbtöne/Tensions in den Jazzakkorden für Bach und seine Zeit wenig hilfreich.

Ich halte es nach wie vor am meisten für sinnvoll, wenn man sich je nach Interessenlage in die jeweils spezifische Theorie des jeweiligen Stils vertieft und sich dazu im Zweifel an einen entsprechenden Spezialisten wendet.
Ich kenne Musiker, die eine längere Zeit in Indien gelebt haben, um bei einem "Großen" der Tabla-Spieler das Tabla-Spielen zu erlernen.

Ich kann nichts verwerfliches oder gar rassistisches darin erkennen, wenn sich die europäische/deutsche Musikhochschullandschaft im Kern der Tradition der europäischen und ursprünglich europäisch beeinflussten Musikgeschichte verpflichtet sieht. Dabei sollte sie aber eine weltoffene Grundhaltung haben und sich immer bewusst sein, dass sie nur einen zwar nicht kleinen, aber auf keinen Fall auch nur annähernd umfassenden Teil der Musik der Welt abdeckt. Hochnäsigkeit ist widerlich und sowieso nicht angebracht.

Ich sehe also in der angesprochenen Problematik von Ausgrenzungen ein vornehmlich individuelles Problem der handelnden und lehrenden Personen und nicht wirklich als strukturelles Problem. Wobei die privaten und individuellen Überheblichkeiten und Scheuklappen auch in die Strukturen einsickern können (und meiner früheren Erfahrung nach nicht nur eingedrungen sind, sondern diese tatsächlich bestimmt haben).
Aber weltoffene Lehrende und Professoren würden mit Leichtigkeit eine weltoffene Hochschule bilden können, was ich bevorzugen und im Zweifel anmahnen würde.
 
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Ich würde mich auch nicht beschweren, wenn ich z.B. die Literatur des Mittelalters studieren möchte und in den Seminaren weder Brecht noch Walser erwähnt werden
Der Vergleich hinkt aber, denn im linguistischen Bereich habe ich die Möglichkeit einen aus verschiedenen Kulturkreisen (Sprachen) zu wählen und da wiederum Epochen. Diese Möglichkeit gibt es bei Musik nicht, weil der Kanon immer noch der gleiche wie vor 100 Jahren ist + Jazz.
 

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