Du stolperst, weil Du zu weit vorauseilst.
Um harmonische Zusammenhänge zu verstehen, benötigst Du etwas mehr Beschäftigung mit der Basis, sonst entstehen andauernd neue Fragen.
Vor eine ausgewachsene Hamonielehre würde ich eine allg. Musiklehre setzen, die behandelt die wichtigsten Grundlagen.
Das häppchenweise Erklären ist normalerweise eine typische Leistung eines guten Unterrichts, besonders wenn der Schüler danach fragt.
Das Problem an deiner Keyboardschule ist, dass Du dein Ziel damit niemals erreichen kannst.
Der Grund liegt in der Ablenkung durch die gespielten Rhythmen und vor allem in der Begleitautomatik.
Letztere verhindert sehr zuverlässig genau jenes Verständnis der Akkorde, deren Abfolge und Verbindungen miteinander sowie zur Melodie. Das ist es doch, was Du dir eigentlich erarbeiten willst.
Ein einfaches Bespiel: Du spielst in der rechten Hand den ersten Takt von Hänsel und Gretel (Floer, Die Taste 1, S.18) und in der linken Hand die Einfingerautomatik C, was hörst Du dann?
Quelle:
https://www.stretta-music.com/floer-die-taste-1-nr-184226.html
Sicher den gewählten Rhythmus, der bei deiner Betrachtung aber nur stört, dann den C Akkord, aber mit welchen Tönen, in welcher Stellung und wie beziehen sich die Töne des Akkords auf die Meldodie?
An dieser Stelle ist mit einer Keyboardschule und einem so gespielten Instrument bereits Ende der Fahnenstange und das war das einfachste Beispiel überhaupt.
Friedhelm Floers Keyboardschule hilft dir für
dein Vorhaben also nicht weiter.
Als erste Maßname schlage ich vor, am Keyboard grundsätzlich die Rhythmusbegleitung abzustellen, silence is golden.
Als zweite Maßnahme schlage ich vor, das Heft beiseite zu legen, denn Du benötigst eine gute Klavierschule.
Das manuelle Üben von Akkorden und deren Umkehrungen sowie von Tonleitern und natürlich das Spielenlernen von Stücken mit Meldodie und Begleitung bildet praktische Erfahrungen, die man weder durch Lesen ersetzen noch sonstwie "abkürzen" kann.
Du betreibst also großen Aufwand an der falschen Stelle, das wird auf Dauer sehr frustrierend.
Eine kompakte und gut aufgebaute Klavierschule ist z.B. von
Jens Rupp, meine erste Klavierschule (zweite..., dritte...).
Die richtet sich an Kinder und Erwachsene, ist aber wirklich nicht "kindlich" geschrieben.
https://www.thomann.de/de/artist_ahead_musikverlag_meine_erste_klavierschule.htm
https://www.thomann.de/de/artist_ahead_musikverlag_meine_zweite_klavierschule.htm
https://www.artist-ahead.de/p/meine-dritte-klavierschule
Du kannst vom Autor und von den Stücken aus der zweiten und dritten Klavierschule einen Eindruck auf Youtube bekommen.
Dein angesprochenes Problem mit dem Notenlesen ist für mich der Hinweis, dass Du schon öfter den zweiten Schritt vor dem ersten gemacht hast, was Unsicherheiten aufbaut und dich an Fortschritten hindert.
Lernt man auch "langweilige" Basics gründlich und in ausreichend kleinen Portionen, bis man alles an der jeweiligen Stelle verstanden hat und beherrscht, dann schafft sich man ein solides Fundament und es geht unterm Strich bald sehr viel besser voran.
Kompaktes Grundlagen für die Theorie vermittelt ein Büchlein von Lisl Hammaleser, Übungsprogramm Musiklehre compact.
https://www.alle-noten.de/Musiktheorie/UEbungsprogramm-Musiklehre-compact.html
Wie gesagt, es geht aber viel leichter mit der Theorie, wenn man das Grundlagenwissen und die Grundlagenpraxis ohne Nachdenken abrufen kann.
Wenn Du auf Jens Rupp umsteigen solltest, dann kann ich dir hier alle Fragen zur Theorie anhand seiner jeweiligen Lektion beantworten, weil ich die Hefte selbst habe.
So bekommst Du m.E. das, was Du in Beitrag 1 suchst und kannst jederzeit nachhaken.
Jetzt noch als Appetithappen eine Erklärung zum Notenbeispiel Hänsel und Gretel bei Floer.
Zunächst ein Blick auf die Form. Wenn dir dieser Teil der Analyse zu weit ins Detail geht, mache einfach danach weiter, wo es zu Aufgabe 1 um die Töne geht.
Das komplette Stück hat 16 Takte und steht im 4/4 Takt.
Diese 16 Takt lassen sich in diesem Fall weiter gliedern, namlich in zwei zusammmenhängende Teile von 8 Takten, in Teile von 4 Takten und in die kleinsten Einheiten von je 2 Takten.
Die ersten beiden Takte bilden eine Aussage, auf die in den nächsten beiden Takten musikalisch geantwortet wird.
Besonders Lieder kann man sich oft wie eine Unterhaltung zwischen zwei Leuten vorstellen.
Die Antwort auf die Aussage der ersten beiden Takte folgt in den nächsten beiden Takten 3 und 4.
Der Charakter einer Antowrt wird auch durch den Harmoniewechsel von C zu G in Takt 3 betont, die Rückkehr zu C in Takt 4 lässt die Spannung wieder abfallen und wirkt wie ein kleiner Abschluss.
Die Takte 5 und 6 wiederholen die ersten beiden Takte, als wollte sich einer der beiden Unterhalter vergewissern und die Antwort wird in Takt 7 und 8 ebenfalls wiederholt.
Diesmal will der Antworter aber noch etwas anfügen, das wird mit der Note auf der vierten Zählzeit des achten Taktes eingeleitet (Auftakt) und führt nun weiter.
Wie bei den Antworten in Takt 3 und 7 ist die Harmonie G und es wird eine eigene Aussage über zwei Takte gemacht, zu der sich die/der erste Unterhalter noch einmal vergewissert. Dazu benutzt er in Takt 11 "seine eigene" Harmonie C, aber die Tonfolge des Anworters aus den Takten 3 und 7 und bleibt in Takt 12 auf dem G wie auf einem Fragezeichen stehen.
Damit haben sich die beiden Beteiligten musikalisch ausgetauscht und können die Unterhaltung in den letzten vier Takten beenden, wie sie begonnen wurde.
Nach der kurzen Betrachtung der Form ein wenig zum Inhalt.
Im 4/4 Takt stehen die wichtigsten Töne auf der 1 (erste Zählzeit) und auf der 3 (dritte Zählzeit).
Die "Begleitung" oder besser Harmonie des Taktes steht C Dur, das ist ein Akkord mit den Tönen C E G.
Werden diese Töne genau so zusammen oder hintereinander gespielt (Arpeggio), dann befindet sich der Akkord in der Grundstellung: Grundton, Terz, Quinte.
Der Grundton gibt das tonale Zentrum an, Terz bezeichnet den dritten und Quinte den fünften Ton aus einer Tonleiter.
Diese drei Töne sind sozusagen die Reinform eines Akkordes und ja, es gibt auch andere Akkordformen (erweitert, alteriert,verkürzt).
Die für das Stück benötigte Tonleiter besteht nur aus den "weissen Tasten" und den Tönen C D E G A H C, genannt C Dur.
Akkorde sind in einfacher Form Dreiklänge. Für diese Stück kann man sie aus den Tönen der C Dur Tonleiter bilden.
Für Hänsel und Gretel braucht man nur zwei Akkorde: C E G und G H D.
Sicher fällt dir auf, dass die Akkorde einer Tonleiter nach einem Schema gebildet werden: Grundton und die jeweils übernächsten Töne für Terz, also den dritten Ton nach dem Grundton und Quinte, also den fünften Ton nach dem Grundton.
Du kannst jetzt einige Aufgaben bearbeiten:
1. Was erkennst Du, wenn Du die harmonisch besonders "wichtigen" Töne von Hänsel und Gretel, die hier immer auf den Zählzeiten 1 und 3 jeden Taktes stehen, und die Töne der begleitenden Akkorde (der Einfachheit halber immer zusammengespielt) in Beziehung setzt?
Das Notenbeispiel zeigt die ersten vier Takte von Hänsel und Gretel.
Die beiden zusammenhängenden Zeilen mit der Melodie und den Akkorden nennt man Akkolade, je eine Zeile nennt man System. Bei Akkoladen steht meist eine geschweifte Klammer vor den beiden Zeilen, wenn es um Klaviernoten der klassischen Musik geht.
Die Buchstaben über dem ersten System nennt man Akkordsymbol, dabei bezeichnet das C den Dreiklang C Dur, das G den Dreiklang G Dur.
Bei Akkordsymbolen kann man sich die Notation der Akkorde sparen. So macht Floer in seinem Heft, im Beispiel von mir stehen die ausnotierten Akkorde trotz der Akkordsymbole zwecks Analyse und Lernen im zweiten System.
Ich habe das Beispiel so für die Aufgabe aufgeschrieben, nicht zum Spielen.
Deshalb steht die Begleitung der unteren Zeile im gleichen Schlüssel (genannt G-, Violin-, oder Sopranschlüssel) wie die Melodie und die Noten überlagern sich.
Zum Spielen würden die Noten der Begleitung eine Oktav tiefer gespielt. Das kann man auch im G-Schlüssel, aber dann braucht man Hilfslinien für die Orientierung unter dem System.
Also ändert man einfach den Schlüssel für tiefere Töne. Diesen Schlüssel nennt man F- oder Das könnte dann so aussehen:
2. Kommst Du ohne Nachschlagen auf eine Idee, worauf sich die genannten Schlüsselbezeichnungen jeweils beziehen?
Rutschen die Töne der Begleitung eine Oktav tiefer (Oktavtransposition) und ändert man den Schlüssel so, dass man ohne Hilflinien auskommt, dann kann man die vier Takte genauso wie notiert spielen, aber bei deinem Stand schlechter auf Anhieb lesen und analysieren.
Mit einer richtigen Klavierschule wird sich das Stück für Stück verbessern.
Alle Töne dieses Stücks gehören zur Tonart C Dur, das ist übrigens nicht immer so.
C Dur wird gebildet aus der Tonfolge der "weissen Tasten" C D E F G A H C.
Streng genommen müsste man die Tonbezeichnungen auf deutsch klein schreiben, also c d e f g a h c
Bei Popmusik ist das aber unüblich, meist werden englischsprachige Bezeichnungen genommen, die immer in Großbuchstaben stehen.
Der keine Haken dabei ist der Ton H, der heißt auf englisch B.
Nun gibt es aber im deutschen Bezeichungssystem ein B, das einen halben Ton unter dem H liegt, also auf der schwarzen Taste links vom H.
Deshalb muss man immer aufpassen, was gerade gemeint ist, viele Benutzer kommen mit diesen beiden Bezeichnungen durcheinander. Ich verdeutliche das meistens bei der ersten Benennung, z.B. so:
engl B = dt H
engl Bb = dt B
Nachdem die Tonleiter C D E F G A H C vorliegt hast Du mit Blick auf die Noten vermutlich schon das Schema für Akkordbildung in der Grundstellung enteckt.
3. Bilde die möglichen Akkorde (nur Dreiklänge) aus den Tönen von C Dur.
Gruß Claus