Ich will noch mal auf das eingehen, was Astronautenkost gerade geschrieben hat. Wie er sagt "Dem ist nicht so"
.
Nochmal ausführlicher, was er damit (vermutlich) meint
Wenn du ein Mikrofon weiter vom Mund wegnimmst, passieren zwei (EDIT: DREI!) Dinge an der Mikrofonkapsel:
- Pegelverlust: Das gewünschte Signal (deine Sprache) wird leiser
- Nahbesprechungseffekt: Die Sprache wird dünner
- Die Raumgeräusche (der Hall/Raumklang/Tatstaturgeklapper/Lüftergeräusche) bleiben in etwa gleich laut.
Gleichst du den Pegelverlust durch Aufdrehen des Gains auf, machst du aber SOWOHL Sprache ALS AUCH den Müll lauter.
Bei Mikrofonen die wenig Output liefern (= geringe Empfindlichkeit) kriegst du dabei ein Problem mit dem Grundrauschen. Aber zum Thema Empfindlichkeit weiter unten mehr.
Je nachdem, für welche Besprechungs-Enfernung das Mikrofon vor-EQ-eq ist, und bei welchem Abstand du nun tatsächlich bist, musst du also noch was am EQ tun - Low-End absenken oder anheben, oder es genau so lassen wie es ist.
Jetzt ist es so, daß die verschiedenen Mikrofoncharakteristiken von Kugel, Niere, Superniere, Hyperniere bis hin zur Keule erlauben, immer weiter weg von deinem Mund zu gehen, und trotzdem noch ein vernünftiges Verhältnis zwischen Nutzsignal Sprache und dem Müll abzuliefern. Das Zahlenverhältnis zwischen den verschiedenen Richtcharakteristiken ist dieses:
Daraus kannst du also ablesen, daß du von der Niere im Vergleich zur Superniere den Bruch von "1,7 durch 1,9" rechnen musst, d.h. mit ner Superniere kannst du erwartungsweise so 11% weiter vom Mund weggehen, um wieder das gleiche Sprache-zu-Müll-Verhältnis zu erhalten. Die Wahl einer engeren Charakteristik vollbringt also keine Wunder und bringt ja auch Nachteile (bereits genannt) mit sich.
Typische Großmembran-Kondensatormikros mit "Niere" sind übrigens oft tendenziell etwas weiter ausgelegt als typische Gesangsmikros. Also sagen wir mal aus dem Bauch, vllt ist der typische GMK in dieser Zeichnung eher ein "1.6"-Mikro, und ein Bühnen-Handmikro, wo ebenfalls Niere draufsteht, eher eine "1.8"-Niere. Aus dieser Richtung kommt die manchmal etwas falsch verstandene Meinung, Kondensatormikros würden ganz grundsätzlich mehr Raumanteil aufnehmen als dynamische Mikros. Das hat mit dem Wandlerprinzip (dynamisch vs. kondenser) aber weniger zu tun als mit Design und Auslegung der Kapsel für den angedachten Verwendungszweck.
Manchmal wird diese Tendenz von "mehr Raumklang" dann auch noch fälschlicherweise bezeichnet als "sind empfindlicher".
Dabei ist Empfindlichkeit etwas ganz anderes, und zwar dies:
Empfindlichkeit (= engl. Sensitivity) zeigt an, wieviel elektrischer Output bei einem bestimmten Input am Mikro-Anschluss rauskommt. In den Datenblättern von ordentlichen Herstellern steht drin, wieviel Output dies bei einem Referenz-Schallpegel von 94dB SPL = 1 Pa ist. Das wird dann in mV angegeben, oder dB re 1V. Leider macht die eine Hälfte der Hersteller mV und die anderen "dB re 1V", aber das kann man umrechnen:
https://sengpielaudio.com/calculator-transferfactor.htm
Wenn man diese Werte vergleicht, dann erkannt man schnell, die ganzen dynamischen Mikros bringen alle so ca. um die -55 dB re 1V plusminus 3dB oder so, mit dem SM7 als Schlusslicht (sehr mageren -59 dB re 1V). Weswegen man mit einem SM7 daher verdammt dazu ist, laut und nah mit seinem Organ reinzuprojizieren, oder nochmal so einen extra-zusatzPreampDingens (he who must not be named) dazuzukaufen.
Alle Großmembraner bringen so um die minus -35 dB re 1V, also grob 20dB mehr als typische dynamische Bühnen-Handmikros, die man am MicPre-Gainregler entsprechend weniger aufdrehen muss.
Typische Kleinmembraner-Kondenser liegen dazwischen, aber eher knapp unter den Großmembranern, so bei um die -40dBV.
EDIT: Fazit vergessen.
Ja, um die Ausgangsfrage zu bantworten: Ja, du kriegst durch den Kauf eines Großmembran-Kondensators auf die Stelle so umme 20dB mehr in deinen Preamp rein und kannst in Folge weiter weg von Mund. Aber der erhöhte Abstand wird in einem winzigen Raum scheußlich klingen, nach Klo-Hall und Tastaturgeklapper, was auch mit engerer Charakteristik nicht zu kompensieren ist. Das einzige was wirksam hilft, ist die Raumakustik nennenswert zu verbessern.
Sonst wird es so sein - und mir wäre das peinlich - wenn der eine Kumpel im Discord mit seinem 10€- Temu-Headset am Ende besser klingt.
Mein Weg im Homeoffice ist eine normale eine Audix OM2 Hypernieren Handmühle an einem K&M Podcaster-Schreibtischarm so schräg von unten, die erlaubt in meinem (großen) Raum 20cm Abstand mit akzeptablem Klang. Damit ist das Mikro im Bild immer zusehen, aber wenigstens nicht vor dem Gesicht. Setzt ein bisschen Disziplin beim Ruhighalten meiner Birne voraus.
Beim Gamen/Discord das gleiche Setup an einem anderen Schreibtisch (Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps), aber dort ein SM58. Beim Gamen wiederum bewege ich meinen Kopf viel muss aber trotzdem viel reden (Multiplayer Flugsimulator mit TrackIR Headtracker, wers kennt), dann setze ich halt ein Headset auf. Alle genannten Mikros laufen auf dem Weg zum PC auf einem Digitalmischer auf, wo ich für jedes Mic den jeweils passende Bearbeitung Lo-Cut, Präsenzanhebung, Kompression mache und die nicht benutzten Mikros stummschalten kann.