MusikBert
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Folgende Fragen habe ich an Euch:
1. Kann mir jemand eine Vermutung äußern, warum mir immer nach ca. 5 Minuten Üben das rechte Handgelenk anfängt weh zu tun und was ich dagegen machen könnte?
2. Gibt es noch einen schnelleren Weg das Notenlesen besser und schneller zu lernen, außer einfach Stück für Stück aus der Klavierschule zu üben?
3. Wie motiviert Ihr euch, oder wie habt Ihr euch am Anfang motiviert, vorallem systematisch zu üben, sich damit abzufinden, daß es nur langsam und stockend vorran geht usw..?
Eigentlich war ich sehr motiviert, aber ich habe rein zufällig neulich dieses Video geschaut, was mich total deprimiert hat, weil ich es absolut unvorstellbar finde, so spielen zu können:
[...]
Handgelenkschmerzen kommen meist durch Überlastung des Gelenks - falsche Körper-/Handhaltung. Klavierspielen ist ein unnatürlicher Prozeß, die menschliche Hand ist dafür nicht gemacht.
Eine Kinderhand kann fürs Klavierspielen trainiert werden (Sehnendehnung, Beweglichkeit, Stärkung von Muskelpartien, die sonst kaum/selten benutzt werden ...), eine erwachsene Hand hat bei diesem Training nur wenig Spielraum, weil das Gewebe nur noch sehr beschränkt dehnbar ist, die Gelenke sind z.T. abgenutzt, die Zellproliferation geht stark zurück.
Nach "normalem" Üben habe ich selten Handgelenkschmerzen, meist sind es schnellere Läufe mit Zweiklängen (1. und 5. Finger gespreizt zu einer Oktave), mit ein bißchen Dynamik ist der Kleinfinger überfordert, seinen Ton deutlich hörbar anzuschlagen, der Ehrgeiz verführt mich zu irgendeiner falschen Haltung ... dann heißt es runter mit dem Tempo (und dem Ehrgeiz). Diese Stelle übe ich dann halt nur in kurzen Intervallen (dreimal am Tag 5 Minuten nur diese 3-4 Takte), und das ganze Stück zu erlernen, dauert halt länger.
Bestimmte Übungen rufen aber systematisch Handgelenkschmerzen, die auch lange (mehrere Wochen) andauern; bei mir war es Hanon (Der Klavier-Virtuose, EP 4354). Meine Klavierlehrerin (sehr gewissenhaft und streng) schwört auf dieses Buch, und sie selbst, sowohl als Klavierspielerin als auch -lehrerin genießt bei mir grenzenlose Bewunderung und Vertrauen, und deshalb habe ich alle zwei Wochen eine Übung aus Hanon erarbeitet (erste Woche Notenlesen, fließend spielen; zweite Woche Geschwindigkeit steigern) und sie hat es dann im Unterricht (einmal die Woche) kontrolliert/korrigiert/gelobt. Nach und nach kamen bei mir diverse Gelenk-/Sehnenschmerzen, zeitweise konnte ich gar nicht spielen. Erst nach der 36. Übung(!) habe ich dann erkannt, daß der Handgelenkschmerz von Hanon kommt, und ich bat meine Klavierlehrerin, mit diesen Übungen aufzuhören. Nach und nach waren dann die Schmerzen weg.
Gegen die Schmerzen kann man wohl wenig machen, ich entspanne die Hände mit Qigongkugeln, das hilft mir wirklich gut.
Über Notenlesen könnte ich ein langes Klagelied singen, aber es würde es auch nicht besser machen. Manche können das, manche lernen das halt sehr langsam, und ich gehöre zu der zweiten Gruppe. Es ist, wie es ist.
Ja, ich möchte auch direkt vom Blatt spielen können, wie es für meine Klavierlehrerin selbstverständlich ist, aber ich bin halt anders, und ich werde die Noten nie so schnell lesen können wie sie, denn sie macht es seit ihrem vierten Lebensjahr, jeden Tag, vielleicht schon 50 Jahre lang. Diese Zeit (und den kindlich/jugendlich lernfähigen Geist/Körper) haben ich nicht mehr, aber ich habe den Willen, nach Noten zu spielen, und mache daraus das mir Bestmögliche.
Noten in mühsamer Arbeit stundenlang einlesen, Takt für Takt langsam spielen und auswendig lernen. Stück für Stück. Es geht langsam, aber es geht voran. In fünf Jahren konsequenten Notenlesens habe ich meine Geschwindigkeit von etwa 3 Sekunden pro Note auf etwa 1/2 Sekunde pro Note reduziert.
Ja, da werden die Klavierlehrer den Kopfschütteln, und wohl mit Recht, aber für mich sind es Fortschritte.
Und jeder Fortschritt, den ich durch das Üben gemacht habe, wird mir zu einer kleinen Lebensfreude und Motivation weiterzulernen.
Und der junge Mann in Deinem Video? Nun, es ist bewundernswert, so teuflisch schnell spielen zu können, und ich bewundere dieses Können (wobei ich die theatralischen Handbewegungen nicht so toll finde, aber das ist Geschmackssache), aber es ist kein Maßstab für mein Können, meine Fähigkeiten und für meine Ziele.
Ich setze mir realistische Ziele, die ich auch erreichen kann. Ein leichteres Stück auf meinem Niveau.
Gestern habe ich mir das Stück Morgenstimmung in einem einfachen Arrangement (Piano classik von Kölbl & Thurner; Hage Musikverlag; s. 220) vorgenommen und die ersten 6 Takte abgelesen und auswendig gelernt. Es ist nicht viel, denn das Stück ist sehr einfach arrangiert und hat 45 Takte, für die ich bestimmt noch mehrere Wochen brauchen werde, bis ich sie fließend und fehlerfrei spielen kann. Aber es sind 6 Takte Klaviermusik, die ich vorgestern noch nicht spielen konnte; 6 Takte Fortschritt, der mich für die nächsten Takte motiviert.
Und solche und noch größere Fortschritte wirst Du auch bei Deinem Spiel finden. Beim Klavierspielen geht es nicht um Konkurrenz - so gut wie der (oder noch besser) zu spielen, beim Klavierspielen geht es um Freude an Musik und um Freude an der eigenen Kreativität.
Gruß, Bert
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