Kopf- und Bauchmenschen unter Musikern

Esteba
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Ich hatte neulich eine Überlegung, die mich immer noch beschäftigt und wollte mal eure Meinung dazu hören, auf die Gefahr hin, dass das niemand so nachvollziehen kann oder mir heftigst widersprochen wird. :D

Ich habe über die Jahre das Gefühl gewonnen, dass es sich bei Musikern - zumindest im Bereich der populären Musik - oft um einen ganz bestimmten Menschenschlag handelt. Leute, die musikalisch einen eigenen Stil entwickelt haben und auf der Bühne eine gute Präsenz zeigen, sind oft das, was man im Volksmund als Bauchmenschen bezeichnen würde -
gefühlsbetonte, kreative Menschen mit hoher emotionalen Intelligenz und einer gewissen Ausstrahlung. Kopfmenschen, die eher rational denken, können natürlich auch musikalisch sein, meine These ist aber, dass diese dabei eine andere, eher handwerkliche Herangehensweise haben und weniger auf der Bühne ihre Stärken ausspielen als bei Denkarbeit wie Komposition und Arrangement. Womit sie sich theoretisch im Durchschnitt auch in anderen Musikrichtungen (Klassik, elektronische Musik) wohlfühlen müssten.

Natürlich ist das etwas sehr verallgemeinert. Die Begriffe Kopfmensch und Bauchmensch sind nicht wissenschaftlich definiert und es sollte klar sein, dass niemand zu 100% das eine oder das andere ist. Aber ich denke, man kann nachvollziehen, wie es gemeint ist.

Was meint ihr, gibt es da ein Muster? Gibt es eine Veranlagung dafür, Leute zu unterhalten oder kann man das lernen? Machen Kopfmenschen anders oder andere Musik als Bauchmenschen? Fallen euch Musiker ein, die ihr als Kopfmenschen klassifizieren würdet?
 
Eigenschaft
 
Ob das vollständig ist und auf wen das zutrifft, auf wen nicht... das ist immer schwer zu sagen.
Aber ich kann Dir zumindest bestätigen, dass ich auf Deine Beschreibung des Kopfmenschen passe.
Das stelle ich selbst immer wieder fest. Egal, ob im beruflichen oder bei der Musik.

Bezogen auf die Musik:
Ich bin relativ gut darin, Melodien, Riffs und Co. von anderen zu interpretieren.
Diese zu arrangieren, zu umschmücken, zu verpacken und Songs daraus zu machen.
Da habe ich trotz fehlender Theorie immer ein ganz gutes Gespür für.
Auch in fremden Genres.

Hingegen fallen mir selbst jedoch so gut wie nie tolle Riffs, Melodien und Ideen ein.
Das kann ich einfach nicht.

Bezogen auf den Beruf / Alltag:
Auch hier: Ich bin wenig kreativ darin, wenn es um was neues/innovatives geht. Also auf einem weißen Blatt Papier die Welt zu revolutionieren. Das kann ich nicht.
Dafür bin ich aber ziemlich gut darin, bestehende Dinge zu analysieren, nachzumachen, zu kombinieren und neue System auf Basis/Kombination/Anpassung bisheriger Systeme zu bilden.

...

Von daher halte ich Deine Beobachtung zumindest nich für komplett falsch.
Ich bin definitiv jemand, der zuerst einen kreativen Start von extern braucht, den dann aber gut weiter führen und entwickeln kann.
Definitiv ein Kopfmensch. :)
 
Interessantes Thema, ich frage mich selber die ganze Zeit, wie ich meinen Kopf öfter mal abschalten und meine Bauch machen lassen kann.

Ja, ich würde bestätigen, dass es diese Kategorien von Menschen/Musikern gibt (bestimmt aber auch noch andere und deren Mischformen). Ja, den Rückschluss auf Bühnenpräsenz und Musikstil finde ich etwas verallgemeinert. Ja, ich kenne aus meiner Band sowohl Kopf- als auch Bauchmenschen...

Grundsätzlich kann ich mir schon vorstellen, dass ein Bauchmensch den stärkeren Drang auf die Bühne hat, und durch mehr Kreativität (oder umgekehrt weniger Beschränkungen durch Verkopfung) hier auch erfolgreicher sein kann.

Ein Bauchmensch muss aber nicht unbedingt ein guter Pop-Musiker sein. Vielleicht sagt sein Bauch ja, dass er auf einer Bühne nichts verloren hat, vielleicht mag sein Bauch Klassik, oder sein Bauch sagt ihm, dass er auch ohne Handwerkszeug gut ist, das Publikum sieht das aber anders...

Genauso kann ein Kopfmensch den Wunsch haben, Soul/Funk zu machen anstatt Klassik, vielleicht kann er sich durch Fleiß, gründliche Analyse und gute handwerkliche Fähigkeiten auf der Bühne so gut behaupten, dass er dem Publikum gefällt...

Ich selber bin auch ein Kopf-Mensch, der besser darin ist, Bestehendes zu analysiern und vielleicht zu verbessern, als kreativ Neues zu schaffen. Trotzdem habe ich das Verlangen bzw. den Wunsch kreativ Musik zu machen und auch auf der Bühne abgehen zu können. Mein Weg ist wahrscheinlich nur anstrengender, als der des Bauchmenschen.
 
Unter Musikern gibt mMn es beide ...

Bach war definitv auch ein "Kopfmensch". Sonst hätte er "das wohl temperierierte Klavier" nir schreiben können (habe zwar humanistische Bildung, bin aber kein Klassik Freak!) ...

Und es gibt ja auch bekennende Asperger Autisten unter Musikern. Die können per Definition nur ca. 50/50 Kopf- und Bauchmensch sein.

Arrangeure sind meistens auch 51%+ Kopfmenschen ...
Filmmusiker handeln zwar aus dem Bauch, nutzen aber die Technik "aus dem Kopf" ...

Man unterstellt mir immer, "kreativ" zu sein (ich mache berufllich Marketing). Dabei kann ich zu 90% nur aus dem Kopf heraus "kreativ" sein! Ich bewundere Leute, die wirklich aus dem Bauch arbeiten. "Können" hat aber meist auch etwas mit "kennen" zu tun - und das bedeutet, das gespeicherte Wissen im Kopf nicht abzuschalten ...
 
Ich sehe mich da eher als Mischtyp ...
Vom Lernen, etwas Erarbeiten her eher "Kopf", und beim Spielen und Interpretieren dann eher "Bauch".
 
Zuletzt bearbeitet:
..."Können" hat aber meist auch etwas mit "kennen" zu tun ...

Das ist bei mir ganz extrem der Fall.
Ich bin schlicht nich in der Lage Musik-Stücke mit Elementen zu schreiben, die wirklich "von mir" sind.
Ich kann mir bekannte Dinge neu kombinieren oder anpassen.
Aber wirklich erfinden kann ich nicht. :)
 
Danke schon mal für die Antworten!

Ganz interessant, dass Verkopftheit und Kreativität von vielen als Gegensätze gesehen werden (obwohl ich zugeben muss, dass ich das im Ausgangspost auch ein bisschen suggeriert habe).

Ich sehe mich selbst auch als Kopfmensch, aber auch als durchaus kreativ beim Komponieren und Texten. Vielleicht bin ich damit auch eine Mischform. Was mir gegenüber "Bauchmusikern" fehlt sind
jedenfalls die Leichtigkeit und Überzeugungskraft auf der Bühne. Das kann natürlich auch mit fehlender Erfahrung zu tun haben. Ich versuche aber gefühlt ein bisschen zu sehr, rationale Kriterien für die Qualität meiner Musik heranzuziehen, während ich bei anderen Künstlern Imperfektion und Eigenheiten durchaus als Alleinstellungsmerkmale schätzen kann.

Unter Musikern gibt mMn es beide ...

Bach war definitv auch ein "Kopfmensch". Sonst hätte er "das wohl temperierierte Klavier" nir schreiben können (habe zwar humanistische Bildung, bin aber kein Klassik Freak!) ...

Und es gibt ja auch bekennende Asperger Autisten unter Musikern. Die können per Definition nur ca. 50/50 Kopf- und Bauchmensch sein.

Arrangeure sind meistens auch 51%+ Kopfmenschen ...
Filmmusiker handeln zwar aus dem Bauch, nutzen aber die Technik "aus dem Kopf" ...
Ja, an klassische Komponisten wie Bach und Filmmusiker wie Hans Zimmer denke ich auch sofort bei Kopfmenschen. Hans Zimmer hat ja auch in einem Promo-Video für seine Tournee zugegeben, dass es für ihn sehr ungewohnt und eine Überwindung ist, auf der Bühne zu stehen.

Aber was ist mit Rock- und Pop-Künstlern, gibt es da auch welche? Oder kann man gar nicht so erfolgreich werden, wenn man nicht dieses Selbstverständnis mitbringt?
 
Das ist ja nochmal ein ganz anderes "Thema im Thema":
Wer ist "Bühnenmensch", ich sag mal übertrieben "Rampensau" ;) , und wer spielt lieber im kleinen Kreis, hält sich lieber im Hintergrund ...
Ich selber mag "Aufritte" nicht so besonders - das Musik machen selbst ist mir wichtig, egal of jemand zuhört oder nicht. Als ich in jungen Jahren mal in einer Band spielte (Rhythmusgitarre) habe ich viel lieber im Hintergrund für guten Rhythmus gesorgt und die anderen die "Stars" sein lassen ;), und auch heute noch spiele ich viel lieber irgendwo im Hintergrund vor mich hin (was durchaus gut ankommt) als in Form eines "Auftritts".
Jeder ist halt anders, und das ist gut so.
 
Hey,
der Ansatz ist gar nicht so verkehrt. Es gibt sicher Menschen die sich eher von ihren Gefühlen leiten lassen und eben eher rational veranlagte Menschen. Gerade letzteres ist in unserer doch sehr rational funktionierenden Welt gefragt.
Was die die einen haben, fehlt dem anderen und umgekehrt.

Gerade unter Musikern, habe ich festgestellt, dass es bunt gemischt ist. Auch ist der Anteil von "Kopfmenschen" doch sehr hoch. Denn - wir können unsere Instrumente prima systematisch erlernen, eignen uns Tonleitern, Skalen, Toniken, diverse Stilmittel uvm. mehr an. Das lässt sich gut auswendig lernen, verankern und ist abrufbar. Rational eben.
Auch haben wir ein riesiges Angebot an Notensätzen, Tabulaturen usw.
Und in der Not - wie schon erwähnt - kann man auch einfach klauen, ersetzen, abändern....
Musiktheorie. Allein dieser Begriff klingt schon nach Rationalität.
Ist Songwriting, so kreativ es auch sein mag, nicht auch ein aufeinander setzen von Bausteinen?

"Bauchmenschen", oder wie ich es auch gerne bezeichnen möchte "Herzmenschen" (denn auch das ist nicht verkehrt) denken weniger rational. Dafür sind sie offener für kreative Dinge. Reagieren nicht nach Analyse sondern nach Intuition. Diese Art von Mensch kenne ich persönlich sogar weniger in der Musikszene, dafür aber verbreiteter in der Gestalterischen Ecke (Malen, Zeichnen etc.) und auch in der Lyrik.

Beides hat seine Vor- und Nachteile, privat, beruflich, als auch in der Musik. Von den vielen Grauzonen mal abgesehen. Denn ganz so einfach kann man nun auch nicht differenzieren.

Da, es bei den wenigen Postings hier noch nicht vorkam, möchte ich MICH mal vorstellen und euch einen Eindruck geben wie es ist .. taadaa "Bauchmensch" zu sein. Durch und durch. Also jetzt wie bei euch anderen, auf musikalischer Ebene...
Mir fällt es sehr, sehr einfach kreativ zu sein. Melodien, Riffs, Rythmiken. Der gesamte Kontext kommt einfach aus mir heraus.
Ich bediene mich da keinerlei Theorie.
Angefangen habe ich mit Gitarre. Autodidaktisch. Viele Jahre lang, habe ich Musiktheorie sogar gänzlich vernachlässigt und im nachhinein erst nachgeholt (AHA -Effekt).
Ich habe einfach gespielt....gespielt.....gespielt......
Am liebsten gehe ich heute auf Live Jams. Oder spiele auf der Straße.
Ich mag es mich einfach ungezwungen vor Leuten zu stellen, mein Instrument zu zücken und los zu spielen.
Was ich spiele, weiß ich vorher nie. Nun, dass kommt ganz auf meine Stimmung an. Auf die Umgebung. Auf das, was gerade um mich herum passiert. Intuitiv. Ich lasse bildlich gesprochen mein Instrument für mich sprechen. Ich kommentiere das was um mich herum geschiet in diesem Moment, auf diese Weise. Wenn mir gerade danach ist 8,9... oder 14 Takte auf A-Moll herum zu zupfen ohne nennenswerte Richtung, dann ist das eben so. Dann schaue ich in dem Moment vermutlich verschwommen in die Ferne. Doch dann - BÄNG - geht es in die eine oder doch in die andere Richtung.
Das klingt vielleicht wunderbar, vielleicht sogar auf die eine oder andere Weise sogar virtuos (das bin ich nun wirklich nicht) aber das hat auch seine negativen Seiten.
Ich spiele nie ein Lied mehr als einmal. Wenn ich es hinter mir hab. Dann ist es weg! Ich kann versuchen es nochmal zu spielen. Und man möge meinen ich tue es auch. Aber es ist jedes mal anders.
Wie jeder andere habe ich auch das eine und andere "eigene Lied". Auch diese spiele ich immer etwas anderes. Je nachdem, wie die Situation ist und ich mich fühle.
Ich habe Probleme damit mich damit systematisch auseinander zu setzen. Etwas zu "komponieren" indem ich es mir aufschreibe (oder einspiele, ins System tippe, was auch immer..).
Ich tue auch unglaublich ungerne Covern. So richtig Covern. Ein Lied nachspielen. Ich könnte aber... ist nicht meins.
In dem Sinne habe ich auch kein festes "Repertoire".
Ich kann mich natürlich auch schlecht ohne Repertoire irgendwo bewerben. Die Veranstalter können nicht sagen auf was auf sie zukommt und ich genauso wenig.
In einer Band zu spielen, die auf ein solches, eigens komponierte Repertoire zuarbeitet, es systematisch angeht, bedeutet für mich Arbeit.
Ist es vermutlich für jeden. Aber es ist nicht meine liebste Art. Mit den richtigen Leuten kann man allerdings auch sehr, sehr gut voneinander profitieren. Da muss Ziel und Kommunikation stimmen. Ich kann mich zur Not auch durchackern, wenn ich das will.
Ich liebe Folk. Mein Steckenpferd ist neben den nach Gefühl spielenden Impro Sessions, Irish Folk. Oh, da spiele ich meist vom Blatt! Wisst ihr was toll an Folk ist? Folk lässt Raum für Interpretationen. Man kann frei sein. Man kann sein Stück auf seine Art und Weise spielen. Ein Stück Freiheit innerhalb dieses Genre, was anerkannt und praktiziert wird und ich so dringend benötige.
Seht ihr das Didgeridoo auf meinem Avatarbild? Das Didge ist ein unglaublich interessantes Instrument für Menschen, die ticken wie ich. Denn das Didge lässt sich kaum anders spielen als eben -genau- INTUITIV!
Rational an Musik rangehen kommt für mich gar nicht in Frage. Könnte ich vielleicht... oder eher auch nicht. Jedenfalls fehlt es mir nicht.
Doch wie erwähnt leben wir in einer rational funktionierenden Gesellschaft und oft genug wünsche ich mir, ich wäre in anderen Lebensdingen, nicht der der Freigeist, der ich nunmal bin. Aber das gehört hier an der Stelle nicht mehr hin.

Und ob jemand eine "Rampensau" ist, das hängt denke ich von GANZ ANDEREN Faktoren ab, als von dem wir hier schreiben.
 
Sagte ich ja, ist eigentlich nochmal ein ganz anderes Thema ... waren nur paar spontane Gedanken zum vorher Geschriebenen:
... sehr ungewohnt und eine Überwindung ist, auf der Bühne zu stehen.
 
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  • Gelöscht von peter55

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