Wann immer ich günstigere Modelle anspiele, finde ich den Qualitäts- und Klangunterschied zu teureren Modellen gewaltiger als eben bei Konzertgitarren.
Ich versuche mal zu antworten, wie ich denke, dass du zu deiner Einschätzung kommst und weswegen ich glaube, dass du in manchen Bereichen (noch) zu kurz denkst.
Gleich vorab: nur meine persönliche Meinung und keine wissenschaftliche Erkenntnis oder so, sondern ein Erklärungsversuch.
Nehmen wir mal folgendes Szenario an:
Du gehst in einen Musikladen, nimmst ein paar Westerngitarren und ein paar klassische Gitarren in die Hand und spielst darauf ein paar Lagerfeuerakkorde.
Ja, du wirst höchst wahrscheinlich zu der Erkenntnis kommen, dass bei vielen Westerngitarren ein riesiger Unterschied in klanglicher Hinsicht vorliegt, während die klassischen Gitarren mehr oder minder alle sehr ähnlich klingen.
Wieso ist das so?
1. Es gibt VIEL mehr Varianten an Westerngitarren.
Von Dreadnoughts und Jumbos bis hin zu Parlor etc, gibt es sicherlich 10+ sehr verschiedene Ansätze, was Bauformen und Beleistungen etc angeht. Bei klassischen Gitarren haben 99% dieselbe Form und Fächerbeleistung. D.h. das Potential an verschiedenen Grundklängen bei Westerngitarren ist viel größer. Du stehst auf knackige Bässe und seidige Höhen. Da findest du vllt eine günstige Dread gut, oder eine etwas teurere OM, die für eine OM vergleichsweise viele Bässe hat. Es gibt einfach sehr viele Varianten, die zu einem Klang führen können, den man selbst als "wertvoll" erachtet. Dementsprechend hat man viele "Bäume" (von günstig nach teuer) auf denen man eine Gitarre finden kann, die einen glücklich macht. Dementsprechend wirst du auch bei vielen teureren Modellen, im Vergleich mit günstigeren, viel mehr Unterschiede, was den Grundklang angeht, feststellen.
2. Lagerfeuerakkorde bringen eine Gitarre nicht an ihre Grenze.
Lagerfeuerakkorde war jetzt nur ein Beispiel, weil man das auf beiden Gitarrenarten spielen kann. Das impliziert aber einfach zwei Dinge: Erstens berücksichtigt es nicht die unterschiedliche Spieltechnik und zweitens deckt es nur einen (sehr kleinen) Teil der Ansprüche ab, die man an eine Gitarre stellen kann.
Beides hängt zusammen. Die Stücke die man spielt und die Spieltechniken, die man einsetzt, bestimmen die Ansprüche, die eine Gitarre erfüllen muss. Mal ein simples Beispiel: Nehmen wir an, als fortgeschrittener klassischer Gitarrist habe ich ein Stück, wo ich bis zum 16 Bund hoch spielen muss. Jetzt möchte ich, dass ich dort ähnliches Sustain habe, wie in den ersten 12 Bünden, und ich möchte den Bund gut erreichen können. Das stellt jetzt etwas tiefere Ansprüche an meine Gitarre. Ein Großteil der klassischen Gitarren klingt jenseits des 12. Bundes kaum noch (weil kein Massenhersteller darauf Wert legt, dass eine Gitarre sich dort gut spielen lässt oder gut klingt, weil es vllt 0,0000001% der Käufer sind, die dort jemals einen Ton spielen). Aber es gibt entsprechende Gitarren, möglicherweise mit einem elevierten Griffbrett, die diesem Anspruch Rechnung tragen. Das schlägt sich natürlich im Preis wieder.
Ich rede hier also über die Grenzen einer Gitarre. Extrem hohe Töne die trotzdem gut klingen wäre eine Grenze. Andere Grenzen wären die Dynamik, Impuls, und vor allem auch die klangliche Bandbreite: Ja, viele Gitarren haben einen bestimmten Grundsound, und 90%+ aller Gitarristen werden fast nur diesen Sound nutzen, aber viele teurere Gitarren bieten eine ganz andere klangliche Bandbreite als günstigere:
Nehmt eine Gitarre und variiert einmal die Anschlagsposition eurer Hand von nahe am Griffbrett bis kurz vor den Steg. Ihr erlebt eine klangliche Bandbreite von weich nach hart. Wenn ihr dann mal viele günstige Konzertgitarren mit teureren vergleicht, wird euch vielleicht auffallen, dass, obwohl manchmal der Grundklang (in der Mitte) sehr ähnlich ist, die Bandbreite an Sounds sehr, sehr unterschiedlich groß ist. Die meisten teuren Gitarren gehen sehr viel weiter in die Extrema. Nur nutzen viele Leute diese klangliche Bandbreite überhaupt nicht aus. Das erfordert eine deutlich fortgeschrittene Spieltechnik und Kontrolle über den Anschlag.
Als ich meine erste Westerngitarre gekauft habe, habe ich etwa 15 Jahre klassische Gitarre gespielt und hatte schon eine halbwegs annehmbare Technik. Der Unterschied zwischen Western und Klassik ist hier mMn sehr groß. Westerngitarren sind gegenüber Konzertgitarren in der klanglichen Bandbreite oft sehr eingeschränkt. Ebenso dynamisch. Durch die Steifheit der Stahlsaiten sind hier nicht so große Bandbreiten möglich wie bei Nylonsaiten. Das hat mich anfangs sehr irritiert und ich habe lange gebraucht, bis ich eine Gitarre gefunden hatte, die mich in diesen Ansprüchen zufrieden stellt. (ich hab damals deutlich über 500 Westerngitarren angespielt um rauszufinden, was man für wieviel Geld erwarten kann etc)
Von daher empfinde ich "Klang" als eine vergleichsweise untergeordnete Komponente, um den Wert einer Gitarre zu beziffern. Ja, man findet schon für ein paar hundert Euros Gitarren die gut klingen. Aber ein fortgeschrittener Gitarrist wird noch ganz andere Ansprüche an eine Gitarre stellen, als nur den Klang. Und dementsprechend sind manche absurden Preise für Gitarren durchaus gerechtfertigt, wenn man spezielle Ansprüche hat, die nur so befriedigt werden können.
Und gerade im klassischen Bereich gibt es (mMn) vergleichsweise wenig Leute, die wirklich die entsprechenden Fähigkeiten haben zu erkennen, wieso manch eine Gitarre vllt 3000€ kostet, aber im Grunde so klingt, wie eine 500€ Gitarre. Klassische Spieltechnik erfordert viel Übung, viel Wissen über die Musik, die man spielt etc, bis hin zu Erfahrungen über Nägelfeilen etc. Ich kenne nur wenige Leute, die wirklich so tief in die Materie einsteigen. Selbst in meinem Gitarrenensemble, wo wir 13 Gitarristen sind, sind vllt 2 oder 3 so tief drin, dass sie sich über Anschläge, Handstellungen etc Gedanken machen.
Deswegen meine Meinung: Es kommt sehr auf die eigenen Fähigkeiten und die eigenen Ansprüche an, wie man Gitarren bewertet. Es mag durchaus sein, dass für die Musik, die du spielst,
@Hermes27 , deine Wahrnehmung vollkommen korrekt ist. Aber es mag sein, dass jemand, der andere Musik macht, oder noch nicht so weit fortgeschritten, oder weiter fortgeschritten ist, eine ganz andere Beurteilung der Gitarren hat.
Ich bin mittlerweile sehr von diesem schwarz-weiß-Denken (Gitarre X ist besser als Gitarre Y) weg und denke eher in Kategorien wie "Gitarre X ist gut für dies und das, hat aber hier und da Schwächen".
Manche Gitarren haben einen sehr schwachen Klang, aber das macht sie zu guten Bühnengitarren mit einem vernünftigen Tonabnehmer. Manche Dinge sind Stärken und Schwächen zugleich. Jemand der mit gefeilten Fingernägeln spielt empfindet eine Gitarre vielleicht als zu höhenbetont, wohingegen jemand ohne Fingernägel das als genau richtig empfindet. Jemand der mit 0,6mm Plektren spielt, empfindet eine Gitarre vllt als ausgeglichen, wohingegen der 1mm-Plektren-Spieler diese Gitarre als dumpf empfindet. Für den einen Profi mag eine Gitarre 5000€ wert sein, wohingegen der Anfänger, der zum ersten Mal so eine teure Gitarre in der Hand hat, kaum einen Unterschied zu seiner 300€ Gitarre feststellt.
Das Thema "Preis" und "seinen Preis wert sein" und "Preis/Leistungs-Verhältnis" ist sehr komplex und lässt sich nicht so einfach auf "x klingt besser als y" herunterbrechen.
(und ich hab jetzt sogar noch Dinge wie Verzierungen, Hölzer, Produktionsland etc pp komplett außen vor gelassen, die da auch noch alle reinspielen..)