Klar gibt es Altersstarrsinn und pure Gewöhnung, und die Nord Electro - Geschichte ist da vielleicht auch mit einzuordnen. Aber sie bringt die Diskussion an einen Punkt, der in vielen Optimierungsgedanken vergessen geht, nämlich Optik und Haptik.
Die grossen Burgen der 70er waren ja nicht aus freiem Willen geboren. Wer orgeln wollte, brauchte eine Orgel, wer dazu klavierspielen wollte, brauchte ein Klavier, dazu noch Synths, Rhodes, Clavinet, und zack, eingemauert. Der heutige Keyboarder braucht nicht zu burgen. Wenn er will, stellt er hinten den Laptop hin, packt ein langes USB-Kabel aus, klemmt sich eine Tastatur untern Arm und ab gehts nach vorne an die Bühnenkante. Die Burg zu bauen ist nur noch im Falle von "ich will das hier und das hier aber das auch und ich will dran drehen und drücken und uuuuh original" wirklich nötig, selbst der Doppeldecker ist seit Midi nur noch mit unterschiedlichen Tastaturen argumentiert - oder aber mit dem ursprünglichen Argument der Burg: ich will das hier haben, weil ich weiss dass das hier ist. Nicht nur klanglich, sondern haptisch.
Als jemand, der gerade ein neues Setup mit zwei identischen Keyboards drüben gepostet hat, wenngleich Argument No.1 natürlich die Transportabilität ist, kenne ich diesen Aspekt und hab ihn über die Jahre mehr und mehr beachtet. Inspiriert nicht zuletzt von gitarrenlastigen Indiebands, die ihre zunehmend elektronischen Hooklines live mit Tastaturen abfeuern. Da stehen dann an allen Ecken und Enden kleine Midikeyboards, zumeist dasselbe Modell, und wo auch immer man dann gerade steht beim rumspringen, eins ist griffbereit zum abfeuern. Diese Alternative zu "das hier ist meine Tastatur / mein Setup und das deine/s" ermöglicht nicht nur mehr Freiheiten, sondern lässt sich auch quasi auf einen einzigen Musiker adaptieren.
Denn ja, man kann splitten wie man will, LED-Guide hin oder her, nichts ist so haptisch wie ein anderer Sound an einem anderen Ort. Jeder mit Doppeldecker kennt das, wenn er von der unteren Tastatur für etwas nach oben wechselt, dass nicht klangliche oder tastaturtechnische Gründe hat, sondern einfach praktischerweise da liegt - bspw. der Hammond-Chord, während man unten weiter Solo geht. Egal ob das auch gerade mit einem Umschalter oder einem Split gegangen wäre. Man profitiert haptisch davon, dass da noch eine weitere Tastatur liegt. Wer sich's leisten kann - und will - geht diesen Weg.
Umgekehrt wird daraus aber ein Schuh. Im Doppeldecker fällts noch am wenigsten auf, weil die obere Tastatur de facto Add-On ist. Ich persönlich kenne niemanden der das anders macht. Sobald man aber nebeneinander aufbaut oder auf 180 geht, wirds interessant. Jetzt ist plötzlich jede Tastatur potentieller Master. Und vielleicht will man da halt auch jede Tastatur als potentiellen Master. Inklusive Spielgefühl. (Selbst im Doppeldecker. Sollte solche Leute geben.) Plötzlich ist das Piano an der falschen Seite, und überkreuzen furchtbar krampfig. Oder der einen Seite im 180er Aufbau fehlt ne Oktave (mir ständig passiert). Die Tastatursensiblen (hallo naduweistschon) würden wahrscheinlich auch zwischen Synth-Tastaturen unterscheiden, soweit gehe ich jetzt nicht (sowas krass offensichtliches wie KROME-Gruselbrett vs. TP9/S mal ausgenommen). Mir persönlich gehts eher um Controller. Wo's meine Latch-Hold-MPE-25er-Tastatur rechts oben aufm anderen Key? Wo sind meine Drumpads? Warum hat das Ding hier Fader statt Knöpfe?
Natürlich ersetzt einem sowas niemals die Planung und das Mapping. Gleichzeitig ist das retro-klassische "woanders hin um was anderes zumachen" genauso valide wie eben auch "woanders hin und was anderes machen aber unter denselben Bedinungen". Ich bin ne ganze Weile lang mit geliehenen Billigromplern um die Häuser, später dann mit eigenen Billigromplern. Als dann 2016 das Macbook alles klanglich übernommen hat und das "dieser und dieser Sound muss mit" - Argument auf einen Schlag tot war, ist logistisch erst mal alles zusammengeschrumpft. Klar, irgendwer muss es transportieren, und ich hab keine Karre. Als Synth-Taste-only - Spieler fällt das auch Haptikargument weg - ich brauche keinen Hammer oder Waterfall. Ich bin auf meinen Bühnenquadratmetern quasi die oben erwähnte, Hooklines abfeuernde Indieband in Personalunion. Mein Ansatz an die Keyboards ist also praktisch derselbe wie der bei Stromaes Musikern an ihren sechs Novation Impulses auf ständig wechselnden Plätzen, wie bei Greg Phillinganes' drei Tritons bei Toto, oder den drölftausend CMEs bei SAGA neulich.
Jordan Rudess meinte neulich mal irgendwo auf die Frage, warum er zur 2020-Tour die Hammond wieder von der Bühne geworfen habe, es wäre halt nicht der Kronos. Nicht nur, dass das Ding mehr von Petrucci benutzt wurde, der gefühlt jedesmal beim vorbeilaufen aus Scheiss draufgedrückt habe, nein, auch er selbst hätte nach jeder Orgelpassage genervt den Forward-Switch gesucht um festzustellen dass er sich umdrehen müsse. Und dann könne er's ja auch gleich aufm Kronos spielen per MIDI, ist schliesslich kein Seaboard.
Mir selbst gehts da auf eine andere Art ähnlich - ich freue mich auf die Aussicht, mich nach links, rechts oder auch mal um 180 drehen zu können um da das gleiche Tastaturgefühl, dieselben Pads und Fader und dasselbe Floorboard vorzufinden, welche(s) ich gerade verlassen habe, und mich bei der Vorbereitung nicht an technische Vorgaben oder individuelle Zugänge zum Instrument halten zu müssen, sondern nur an meine eigenen Ideen.