Kirchentonart des folgenden Songs ermitteln

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Sahara_
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Hallo,

Ich hätte 2 Fragen zum Kyrie eleison hier:
ich bin mir unsicher, in welcher (Kirchen-)Tonart der 2. song steht. Es geht um den 2 Song(!), der bei etwa 6:40 min. beginnt und bis 12.30 dauert.
Ich empfinde ihn in es-moll. Angeblich steht der aber in ges-ionisch. warum?

Etwa um 9.30 min. kommt eine 2stimmige Stelle, an der mehrere parallele Quinten hörbar sind. Wie kann man diese Quinten-Kette verstehen? warum gerade nur hier in dem stück, was will der komponist symbolisch damit aussagen? (ich glaube etwas später hört man noch parallele oktaven.)

fällt jemandem etwas dazu ein?

danke schon mal :)
 
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Hallo Sahara_,

willkommen im Board!

Vorab: so ungefähr wie volkstümlicher Schlager zu Volksmusik verhält sich die obige Entspannungs-/Meditationsmusik zu "echter" Gregorianik. ;)

Gregorianische Gesänge waren vor allem einstimmig, der zweistimmige Gesang gegen Ende ist völlig unrealistisch (das sind vor allem nicht nur Quinten, sondern auch Sexten - zu der Zeit völlig undenkbar!). Heute ist so etwas allgemein üblich, aber ich würde mir da keine tiefergehenden Gedanken in Verbindung mit der Gregorianik machen. Der Komponist/Arrangeur hat wohl gedacht: "Ach, das klingt doch schön, nehmen wir's nicht so genau!". :p

Auch die stimmungsvolle Untermalung ist irreführend, in diesen harmonischen Kategorien zu denken kam erst viel später!
Also: Einstimmig, ohne Begleit-Akkorde.

Ich schreibe das nur, damit Du Dich nicht von dem schmückenden Beiwerk ablenken läßt - am besten dieses Beiwerk völlig ignorieren! :D

Die von Dir erwähnten Modi Ionisch und Aeolisch zählen zu den "neuen" Kirchentonarten und entsprechen unserem Dur und (natürlichen) Moll.


Als Es-Moll, wie du es empfindest, würde ich das Kyrie auch einordnen. Als Kirchentonart heißt das Aeolisch. Die Finalis, der Schlußton, auf den es immer zuläuft, ist das es. Heute würde man "Grundton" sagen...

Ges-Ionisch (Ionisch ist unsere heutige Dur-Tonleiter), das ist die parallele Dur-Tonart zu Es-Aeolisch, hat also den selben Tonvorrat. Aber die Finalis ist eben eindeutig es, nicht ges. Sogar die Glocke am Ende schlägt ein es. ;)
Wo hast Du das mit Ges-Ionisch gehört/gelesen, was war die Begründung?

Halt - da war noch was!
Eigentlich muß die Finalis der tiefste Ton sein, der wird aber in unserem Beispiel ständig unterschritten. :eek:
Deshalb hat man die "plagalen Modi" eingeführt, die das selbe tonale Zentrum (Finalis bleibt das es) hatten, aber vom Ambitus (Tonumfang) her aber eine Quarte tiefer begannen: das wäre in unserem Fall das b und tatsächlich ist das auch der tiefste Ton. Paßt.
Deshalb, wenn man's ganz genau nehmen will: Es-Hypoaeolisch (Finalis es, aber tiefster Ton b).

Vielleicht gibt es noch andere Meinungen von Leuten, die sich wirklich tiefergehend mit Gregorianik beschäftigt haben, aber ges-Ionisch würde ich zumindest ausschließen. Du hörst ihn ja auch, den deutlichen Moll-Charakter.

Viele Grüße
Torsten
 
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hi torsten,

danke fürs durchhören und danke für deine antwort! :)


Gregorianische Gesänge waren vor allem einstimmig, der zweistimmige Gesang gegen Ende ist völlig unrealistisch (das sind vor allem nicht nur Quinten, sondern auch Sexten - zu der Zeit völlig undenkbar!). Heute ist so etwas allgemein üblich, aber ich würde mir da keine tiefergehenden Gedanken in Verbindung mit der Gregorianik machen. Der Komponist/Arrangeur hat wohl gedacht: "Ach, das klingt doch schön, nehmen wir's nicht so genau!". :p

ja, wenn man nun aber einen sehr frühen mittelalterlichen stil imitieren wollen würde und 2stimmig schreiben wollen würde , was würde man für intervalle nehmen? das mittelalter hat doch parallele quinten, oktaven und auch parallele 6ten ständig hin- und hergeschoben, oder?


Die von Dir erwähnten Modi Ionisch und Aeolisch zählen zu den "neuen" Kirchentonarten und entsprechen unserem Dur und (natürlichen) Moll.
Als Es-Moll, wie du es empfindest, würde ich das Kyrie auch einordnen. Als Kirchentonart heißt das Aeolisch. Die Finalis, der Schlußton, auf den es immer zuläuft, ist das es. Heute würde man "Grundton" sagen...
Ges-Ionisch (Ionisch ist unsere heutige Dur-Tonleiter), das ist die parallele Dur-Tonart zu Es-Aeolisch, hat also den selben Tonvorrat. Aber die Finalis ist eben eindeutig es, nicht ges. Sogar die Glocke am Ende schlägt ein es. ;)
Wo hast Du das mit Ges-Ionisch gehört/gelesen, was war die Begründung?

ein freund hat mir das gesagt ;-) die begründung fehlt, ich könnte ihn nochmals fragen, oder ich habs einfach wieder mal nicht verstanden, wie er drauf kommt.


Eigentlich muß die Finalis der tiefste Ton sein, der wird aber in unserem Beispiel ständig unterschritten. :eek:
Deshalb hat man die "plagalen Modi" eingeführt, die das selbe tonale Zentrum (Finalis bleibt das es) hatten, aber vom Ambitus (Tonumfang) her aber eine Quarte tiefer begannen: das wäre in unserem Fall das b und tatsächlich ist das auch der tiefste Ton. Paßt.
Deshalb, wenn man's ganz genau nehmen will: Es-Hypoaeolisch (Finalis es, aber tiefster Ton b).

das dachte ich mir auch, aber die hypo-tonarten bedeuten doch, dass das zentrum des liedes sich permanent um die unterquart, also das b drehen sollte. ich empfinde das zentrum aber eindeutig in es mit "ausweichungen" zwischendurch nach b, auch die streicher spielen manchmal die dominante kurz, gehen dann aber sofort wieder zurück. der song ist ja nicht permanent in b gehalten, was doch eben gegen hypoaeolisch sprechen würde, oder?

sind die parallelen quinten in der 2stimmigkeit dann einfach ein schlecht imitierter alter stil? wie würdest du diese kurze 2stimmige passage machen? man könnte vielleicht einfach viele leere quinten setzen und ein paar einklänge, das klingt doch auch sehr alt, finde ich, wobei die parallelen quinten irgendwie auch ihren eigenen reiz haben.....

lg,
sarah

Anm. d. Mod: Zitate mit quote-Anweisung versehen und damit kenntlicher gemacht.
Gruß Be-3
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
sind die parallelen quinten in der 2stimmigkeit dann einfach ein schlecht imitierter alter stil?

Torsten hat es oben schon erwähnt: Der dominierende Höreindruck sind (teilw. paralelle) SEXTEN ... und die stören den Anspruch auf Authentizität gewaltig ...

Thomas
 
ja, wenn man nun aber einen sehr frühen mittelalterlichen stil imitieren wollen würde und 2stimmig schreiben wollen würde , was würde man für intervalle nehmen? das mittelalter hat doch parallele quinten, oktaven und auch parallele 6ten ständig hin- und hergeschoben, oder?
[...]
wie würdest du diese kurze 2stimmige passage machen?

Thomas (turko) hat's schon geschrieben: ich würde in gregorianische Gesänge überhaupt keine zweistimmigen Passagen einbauen. ;)
"Das Mittelalter" an sich kennt schon Quinten, Quarten und auch instrumentale Begleitung, aber das war die Musik des Volkes und wurde streng von der sakralen Musik getrennt.
Sogar die Pfeifenorgel, die heute als das Kircheninstrument schlechthin empfunden wird, hat sehr lange Zeit gebraucht und mit größten Widerständen kämpfen müssen, bis sie schließlich als kirchliches Instrument akzeptiert wurde. Zu groß war ihr Ruf als zügel- und gottloses Jahrmarktsinstrument, sie erschien völlig würdelos und ungeeignet für den liturgischen Einsatz in geweihten Gebäuden.

Natürlich hat sich auch im Laufe der Zeit in der Kirchenmusik Mehrstimmigkeit bis hin zur hochkomplexen Polyphonie eines Johann Sebastian Bach entwickelt, aber das Wesen des gregorianischen Chorals ist nun einmal einstimmig und a capella - ohne Instrumentalbegleitung.
Punctum.


ein freund hat mir das gesagt ;-) die begründung fehlt, ich könnte ihn nochmals fragen, oder ich habs einfach wieder mal nicht verstanden, wie er drauf kommt.

Na, na, was heißt denn "ich habs einfach wieder mal nicht verstanden"? Stell mal Dein Licht nicht unter den Scheffel. Ich hab's ja auch nicht verstanden, wie er auf Ges-Ionisch kommt und bisher hat sich noch keine Stimme gemeldet, die dafür plädiert. :)


das dachte ich mir auch, aber die hypo-tonarten bedeuten doch, dass das zentrum des liedes sich permanent um die unterquart, also das b drehen sollte. ich empfinde das zentrum aber eindeutig in es mit "ausweichungen" zwischendurch nach b,

Die Sache mit den plagalen (Hypo-...) Tonarten ist auch recht schwer mit unserem heutigen Verständnis zu vereinbaren. Früher ging es aber tatsächlich auch um den konkreten Tonumfang. Der Unterschied zwischen authentischen und plagalen Varianten ist der, daß die Finalis (der Grunton/Zentralton) bei authentischen Kirchentonarten gleichzeitig der tiefste Ton ist, während er bei den plagalen eher in der Mitte liegt.
Deshalb bleibt Finalis aber gleichwohl Finalis und somit tonales Zentrum und Ziel allen Strebens, auch, wenn sie in der Mitte des verwendeten Tonmaterials liegt!
Also auch in Es-Hypoaeolisch ist und bleibt das es die Finalis der Grund- und Hauptton.

Es gibt aber noch einen weiteren wichtigen Ton, den ich bisher nicht erwähnt habe: die Repercussa - der "Rezitationston", der ebenfalls eine tragende Rolle spielt, um den oft alles kreist, der in längeren Rezitationen als Dreh- und Angelpunkt dient, mit dem oft nach Zäsuren wieder eingesetzt wird.
Bei Es-Hypoaeolisch wäre das das b.
Dieses b spielt also durchaus auch eine wichtige Rolle in unserem Es-Hypoaeolisch, aber "nur" als Repercussa, nicht als Finalis. Finalis ist (meiner Meinung nach) das es - und deshalb paßt Hypoaeolisch.

Viele Grüße
Torsten
 
<<Na, na, was heißt denn "ich habs einfach wieder mal nicht verstanden"? Stell mal Dein Licht nicht unter den Scheffel. Ich hab's ja auch nicht verstanden, wie er auf Ges-Ionisch kommt und bisher hat sich noch keine Stimme gemeldet, die dafür plädiert. :)

ich vermute, das war ein missverständnis zwischen uns. denn diese 2stimmige passage ist ja durchaus in ges-ionisch, wenn man sie isoliert betrachtet - und ursprünglich ging es mir nur um diese passage, nur über die hatten wir uns unterhalten.


<<Die Sache mit den plagalen (Hypo-...) Tonarten ist auch recht schwer mit unserem heutigen Verständnis zu vereinbaren. Früher ging es aber tatsächlich auch um den konkreten Tonumfang. Der Unterschied zwischen authentischen und plagalen Varianten ist der, daß die Finalis (der Grunton/Zentralton) bei authentischen Kirchentonarten gleichzeitig der tiefste Ton ist, während er bei den plagalen eher in der Mitte liegt.
Deshalb bleibt Finalis aber gleichwohl Finalis und somit tonales Zentrum und Ziel allen Strebens, auch, wenn sie in der Mitte des verwendeten Tonmaterials liegt!
Also auch in Es-Hypoaeolisch ist und bleibt das es die Finalis der Grund- und Hauptton.
Es gibt aber noch einen weiteren wichtigen Ton, den ich bisher nicht erwähnt habe: die Repercussa - der "Rezitationston", der ebenfalls eine tragende Rolle spielt, um den oft alles kreist, der in längeren Rezitationen als Dreh- und Angelpunkt dient, mit dem oft nach Zäsuren wieder eingesetzt wird.
Bei Es-Hypoaeolisch wäre das das b.
Dieses b spielt also durchaus auch eine wichtige Rolle in unserem Es-Hypoaeolisch, aber "nur" als Repercussa, nicht als Finalis. Finalis ist (meiner Meinung nach) das es - und deshalb paßt Hypoaeolisch.

danke für die ausführungen.
insofern wäre diese "volksmusik-gregorianik" eigentlich ja gar nicht sooo schlecht gebastelt, nicht? ich muss gestehen, dass ich mir sehr selten richtige gregorianische choräle anhör, diese musik spricht mich irgendwie aber enorm an, lass ich dauernd laufen. und diese parallelen quinten haben auch ihren kick ;-)

bleibt nur mehr eine frage offen: ist es üblich oder eher unüblich ein kyrie eleison, also eine huldigung christi, in einer so dunklen, "gott-fernen" tonart, mit so vielen bs , zu schreiben? also ich meine wurden ursprünglich gregorianische choräle vielleicht nicht eher in kreuz-tonarten geschrieben?
 

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