Kann mir jemand erklären warum Boxen so teuer sind?

  • Ersteller QOTSA_Lover
  • Erstellt am
Ich will mal versuchen dieses Thema aus Sicht eines Konstrukteurs zu beleuchten.

Also wenn man einen Lautsprecher plant, legt man zuerst fest, wo man klanglich hin möchte anhand der Komponenten die man verwenden möchte. Hierbei ist zu beachten, dass sich ein Gehäuse immer nach dem zu verbauenden Speaker richtet. Dessen Physik ist der erste Anhaltspunkt für die Planung eines Gehäuses, genauer die Thiele-Small-Parameter. Dann geht man her und fängt an den Speaker / die Speaker mittels Computeranalyseprogrammen im jeweiligen Gehäuse zu simulieren. Dabei entsteht ein Resonanzspektrum, welches grundsätzlich von der Charakteristik des Speakers vorgegeben ist, jedoch durch das Gehäuse moduliert werden kann. Hierbei entsteht schon eine ungeheure Vielzahl von Variablen die das Ergebnis maßgeblich beeinflussen. Bei einem Lautsprechergehäuse, dass jediglich einen Speaker enthält bleibt es jedoch überschaubar. Kompliziert wird das ganze dann, wenn man mehrere Lautsprecher gemeinsam in ein Gehäuse verbauen möchte. Dann kommen Thematiken wie gegenseitige Beeinflussung der Schwingcharakteristik Auslöschung oder Verstärkung von Frequenzen aufgrund Fertigungstoleranzen etc hinzu.

Also bleibt eigentlich nur ein Weg um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Man baut Prototypen und vermisst diese anschließend mit nem Messmikro, vergleicht das gemessene Spektrum mit dem der Analyse und guckt wie nah man dran ist. Anschließend sucht man die Gründe für die Abweichungen, stimmen die Druckverhältnisse und Volumina, stimmen die Strömungsgeschwindigkeiten, ggfs. Dichtigkeit, gibt es Brechungskanten etc etc... Man optimiert den Prototypen und misst wieder oder baut einen neuen Prototypen. So geht die Leier weiter, bis man irgendwann vllt. mal da ankommt wo man hinwollte.

Es steckt also zweifelsohne ein gewisser entwicklungsbedingter Gegenwert im Preis, sowie auch ein Gegenwert des Materials. Brandname, Steuern und die produktionsstufenbedingten Mehrwerte machen dann den Gesamtpreis.

Macht doch selber mal die Probe aufs Exempel. Ich bin hingegangen und habe eine 4x12 Marshall 1 zu 1 nachgebaut, Maße, Verstärkungen, Einzelteile alle komplett identisch, Maße und Aufbau wurden von einem Original übernommen. Das verwendete Material ist beim Marshall Original Plywood - Schichtsperrholz, ich habe MPX aus Birke verwendet. Am Messmikro sehen sich die Spektren täuschend ähnlich, dennoch hört man mit dem Ohr einen Unterschied. Ich kann nichtmal sagen ob eine besser oder schlechter klingt aber eben nicht absolut gleich. Der Grund für den klanglichen Unterschied wird meiner Erfahrung nach am verwendeten Holz liegen, Fertigungsqualität kann ich hier definitiv ausschließen. Ich hätte nun hergehen können und solange verschiedene Schichtsperrholzarten aus verschiedenen Materialien und mit verschiedener Verleimung, Herkunft PIPAPO ausprobieren können bis ich exakt nen Treffer lande. Warscheinlich wäre ich aber vorher Pleite gegangen oder aber ich müsste künftig in 4x12 Cabs wohnen, weil meine Wohnung ausschließlich damit angefüllt wäre...

Also letzten Endes zahlste deine 9oo oder 12oo Kröten und bekommst dafür exakt den Sound den du dir vorgestellt hast. DAS ist dein reeller Gegenwert.
Ansonsten hilft auch Fachliteratur über Produktkalkulation aus der BWL bei Fragen nach der Preisgestaltung immens weiter. In so einem UVP steckt viel viel mehr als nur das Material und die Entlohnung der Arbeitsstunden + nen Gewinnaufschlag....
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 12 Benutzer
Ein paar Mal ist es ja angesprochen worden, aber was hier mehr oder weniger komplett vergessen wurde, ist die Tatsache, dass gerade bei allen Marken-Boxen jeweils noch der Vertrieb und der Musikhandel einen nicht gerade kleinen Anteil am Preis verdienen will/muss:

Im Einzelhandel muss ein Musik-Produkt, z.B. eine Box, ca. 25-40% Gewinn machen, um sich zu rechnen (s.u.). Der Vertrieb wird vom Einkaufspreis des Händlers noch einmal einen ähnlichen Anteil einbehalten.

D.h. bei einer Diezel-Box für 1100€ und jeweils 30% für Vertrieb und Handel:
1100€ - 30% = 770€ -> Einkaufspreis des Einzelhändlers
770€ - 30% = 539€ -> Einkaufspreis des Vertriebs

Von diesem Preis müssen dann noch 2x Versandkosten abgezogen werden (ihr wisst ja, was eine Privatperson für den Versand einer Box so zahlt).
Ich kann nur spekulieren, aber es werden dem Hersteller sicher nicht mehr als 500 Euro bleiben. Wenn davon ca. 250€ die Materialkosten decken würden, und der Hersteller auch noch Energiekosten, Werkstatt und Gehälter zahlen muss...

...dann fragt man sich doch weniger, warum eine Diezel-Box 1100€ kostet, als warum Thomann/Harley-Benton seine Boxen für 300€ anbieten kann.

Natürlich erklärt sich ein Teil des Preisunterschieds zu billigeren Boxen dann aus Sachen wie dem Herstellungsland und damit zusammenhängenden niedrigen Löhnen und Abgaben (z.B. im Fall von Harley-Benton) oder aus Lösungen wie dem Direktvertrieb (z.B. bei Harley-Benton, aber auch bei Tubetown), durch den einfach eine Instanz, die etwas verdienen will (nämlich der Einzelhändler) wegfällt, da ihr ja direkt beim Vertrieb bestellt.

Dass Vertrieb und Einzelhändler jeweils ihre 30% verdienen müssen, erklärt sich dadurch:
Der Vertrieb muss Geld für Lagerkosten, Mitarbeiter in der Sortimentspflege, Produktbetreuung, Händlerbetreuung und nicht zuletzt für Werbung ausgeben.
Der Händler muss Geld für die Miete und Mitarbeiter ausgeben.
Alles absolut berechtigt. Wenn ihr mal den Chef in eurem (kleineren, lokalen) Musikladen fragt, ob er eigentlich gut verdient, werdet ihr feststellen, dass der durchschnittliche Musikhändler nicht reich von seinem Beruf wird, sondern ein eher unterdurchschnittliches Einkommen hat.

Der Anteil, den ein Händler an einem Produkt verdient, ist übrigens für diejenigen, die die Chance haben, an eine Händlerpreisliste heranzukommen, leicht ersichtlich.
 
...dann fragt man sich doch weniger, warum eine Diezel-Box 1100€ kostet, als warum Thomann/Harley-Benton seine Boxen für 300€ anbieten kann.

Wahrscheinlich der wichtigste Satz in diesem Thread, deshalb auch FETT markiert.

Keiner von uns möchte gerne Menschenunwürdig leben, schon gar nicht
wie ein chinesischer Wanderarbeiter.

Deshalb sollte man sich eher drüber freuen das derjenige der ein
Produkt erzeugt seine Mitarbeiter vernünftig behandelt und wirklich "leben" lässt....
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 8 Benutzer
Aha? Dann lass Dir mal Kostenvoranschläge für den Versand einer Bogner Box aus USA geben. Oder wieviel es kostet, einen eigenen Container zu mieten und zu füllen, durch den Zoll zu kriegen und ins eigene Lager. Viel Spass!

Und wenn du den Preis hast, dann sag dem Anbieter dass es sich um regelmässige Transporte handelt und du einen fixen Partner suchst. Da sind schnell mal 60% Rabatt drin. Hat Bogner einen Generalimporteur in Europa? Der importiert wahrscheinlich einen Container günstiger ex-USA als Unsereins für einen halbwegs vollen innerländischen LKW Transport ablegt.
 
Wer sich heute mal die Mühe macht und sich selbständig macht wird über Sinn und Unsinn dieser Diskussion hier müde lächeln. Wir alle sind uns, wo wir nicht in der Haut des Unternehmers stecken, wohl kaum über den Umfang eines Gewerbes/Firma bewußt. Da gibt es laufende Kosten und Steuern, Mieten und Anschaffungen, Materialeinkauf und Lagerung und 10 mio andere Sachen.
Was letztlich dann von den 1000€ einer Premium 4x12er als "Gewinn" übrig bleibt wird so fett nicht sein.

Der Vergleich mit dem chin. Wanderarbeiter gefällt mir. Macht er doch ziemlich klar wohin sich auch hierzulande die Reise entwickeln wird.
 
Der Vergleich mit dem chin. Wanderarbeiter gefällt mir. Macht er doch ziemlich klar wohin sich auch hierzulande die Reise entwickeln wird.

Tja, das haben wir der EU und natürlich auch der lokalen Gesetzgebung zu verdanken, danke nochmal an Herrn Gerhard "Gazprom" Schröder sowie die gute Frau Merkel. Im Extremfall kann sogar "Made in Germany" bedeuten dass man sich einfach über eine rumänische Zeitarbeitsfirma einen Bus Rumänen "importiert" die dann für 5€ / Stunde "Made in Germany" fabrizieren. Und das zwar ein reales Beispiel, lief letztens im Rewe-Check, konkret gings da um eine Großschlachterei, ist aber natürlich auf jede gering qualifizierte Tätigkeit anwendbar.

- - - Aktualisiert - - -

Das Grundproblem ist mittlerweile doch dass man selbst bei Premiummarken mit entsprechend hohen Preisen nicht ohne weiteres sicher sein kann dass sie menschenwürdig fabriziert werden. Ich möchte da nur an den Apple Skandal um die Herstellung der iPhones erinnern, bei teurer Markenbekleidung ists auch nicht anders.

Ich würde gerne für menschenwürdige Produktionsbedingungen mehr ausgeben, aber ich kann einfach nicht bei allen Produkten stunden- oder tagelang recherchieren ob da auch alles ok ist. Denn, wie gesagt, selbst ein "Made in ..." kann im Extremfall auch täuschen.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Wahrscheinlich der wichtigste Satz in diesem Thread, deshalb auch FETT markiert.

Keiner von uns möchte gerne Menschenunwürdig leben, schon gar nicht
wie ein chinesischer Wanderarbeiter.

Deshalb sollte man sich eher drüber freuen das derjenige der ein
Produkt erzeugt seine Mitarbeiter vernünftig behandelt und wirklich "leben" lässt....

Da stimme ich die zu. Aber davon abgesehen wird die billige Harley-Benton-Box in der Produktion höchstens 200€ weniger kosten als die edle Mesa-Box (ansonsten könnte Mesa den US-Verkaufspreis der Box unmöglich halten). Die Verwaltungs-, Versand- und Lagerkosten sind bei beiden Boxen wohl ziemlich identisch.

Im Laden liegt der Preisunterschied zwischen den beiden aber trotzdem bei weit mehr als 1000€.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
...dann fragt man sich doch weniger, warum eine Diezel-Box 1100€ kostet, als warum Thomann/Harley-Benton seine Boxen für 300€ anbieten kann.

Ganz einfach, Thomann laesst die Kiste in PRC von einem Werk produzieren, das den Weltmarkt als OEM bedient. Die Diezels Pits haben sich eine (wahrscheinlich gebrauchte, aber trotzdem noch sauteure) CNC nebst zugehoerigem, ausbebildeten Bedienpersonal in die Fraenkische Pampa gestellt und macht quasi Manufaktur-Arbeit. Dafuer gehen die aber auch genau auf die Kundenwuensche ein (also alle Speaker-Kombinationen, Tolex-Varianten, Frontbespannungen, hochwertigere Beschlaege, hochwertiges Plattenmaterial, Verarbeitung/Passgenauigkeit usw usw).
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
mit Gitarren-Speakern kenn' ich mich nicht so aus, aber bei Bass Chassis ist mir noch kein einziges aus dem Budget Segment begegnet, bei dem sich auch nur das Anhören gelohnt hätte...
(sowas taugt bestenfalls um Radau zu veranstalten)

cheers, Tom
 
Nehmt doch einfach die TubeTown-Boxen als "Referenz" her

- Made in Germany
- Top Qualität
- Direktverkauf - kein zusätzlicher Vertrieb/Handel

Das ist für mich die Messlatte bzw. "Richtschnur" für den Preis einer Box
 
Im Laden liegt der Preisunterschied zwischen den beiden aber trotzdem bei weit mehr als 1000€.

Na das Problem ist ja bekannt, und wir wissen wo der wahre Schuldige sitzt ;)

Anderes Beispiel: Hier im Forum wird ja immer von den überteuerten Mesa-Boogie Röhren
abgeraten, deren fixed Bias System ist ja 'ne ausgefuchste Sache um den Nutzer abhängig
zu machen, besser Röhren bei Tube-Town kaufen und einmessen lassen oder selber einmessen.
Sind doch sowieso nur Sovtek Röhren, Mesa stellt ja keine selber her.

Ich hab mir vor Jahren 4 Duette 6L6 im Mesa Store auf dem Sunset Blvd gekauft, für 20 Dollar
pro Packung. Bei Tube-Town kriegst du für das Geld nicht mal eine einzelne Röhre des selben
Herstellers. Bei einem 100W Amp zahlst du für einen Röhrenwechsel, ohne Techniker oder Meßgerät
weil überflüssig, 40 Dollar. Darüber kann man nicht meckern.

In dem Laden des Deutschen Röhrenversenders Nr.1 bezahlst du 58€ + Versand
- und musst einmessen, oder einmessen lassen.

Was ist jetzt praktischer und günstiger?

Das die Mesa Röhren im Duett bei uns 49€ kosten hat ja wieder eine andere Ursache... :)
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Also bei Tube Town kostet ne JJ 6L6 15,60 Eur, die Sovtek 6L6 WXT+ 17,01 Eur und die chinesischen 6L6 nur 14,49 Eur. Ich weiß ja nicht, welche 6L6 Mesa gerade benutzt. Die Vorstufenröhren sind glaub ich alle JJs.

Der Dollar war "vor Jahren" wahrscheinlich noch etwas mehr wert als heute, ebenso wie der Euro.

Also bitte nicht über Tube Town Röhrenpreise meckern. Die sind wirklich extrem ok und der Service und Versand 1A.
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben