Ich definiere mich eher als Musiker denn als Texter. Ich schreibe Texte auf Musikdemos, weil ich (leider) selten Texte in der Schublade habe...
Hätte ich jetzt nicht vermutet - aber gut zu wissen ...
Wie schaut es bei Dir aus? Bist du auch Musiker?
Hmmm - darauf gibt es gleich mehrere Antworten ...
Angefangen und lange, lange Zeit habe ich als drummer Musik gemacht. Gelegentliche Song-Texte, irgendwann mal auf einer Akustik-Klampfe rumgeschraddelt und erste eigene songs (Musik und Text).
Zwischenzeitlich in einer freiwilligen Schreibwerkstatt-Community (sich gegenseitig Texte vorlesen, Feedback geben, Lesungen veranstalten) in Berlin aktiv gewesen, Gedicht, Parodien, Satiren, Kurzgeschichten (hatte nix mit Musik zu tun, außer dass ich mal versucht habe, Gedichte gitarristisch zu untermalen).
Dann langsam umgeschwenkt auf E-Gitarre, mehr eigene songs und mehr songtexte (die möglichst zusammen passen sollten und das manchmal auch taten).
Mal ne Phase mit homerecording eigener songs (mit einem musikalischen Kollegen zusammen) gehabt, später in einer Band als Rhytmus-Gitarrist gelandet, viel Inoput bei songs+texten.
Nach dem Ausstieg aus der Band sowohl viele texte geschrieben als auch ab und zu Musik; aber da paßt es bis auf Ausnahmen überhaupt nicht zusammen, so dass ich sowohl eine Anzahl musikalisch mehr oder weniger ausgereifte Ideen habe als auch eine Reihe von Texten auf der Halde (größtenteils englische).
Nachdenklichkeit meint: Wenn zu wenig DIREKTE Impulse vom Text ausgehen... Wenn ich mich beim direkten Hören schnell frage, was ES soll, weil es spürbar vorsichtig daher kommt statt frech...
Damit attackiere ich eben NICHT mehrdeutige oder kryptische Texte. Wenn die Sprache provozierende Coolness ohne sofortigen Erlösung bietet, bleibt mein Gefühl gerade dran: neugierig, misstrauisch, eifersüchtig, lauernd, erregt
In diesem Sinne teile ich Morbos ambivalente Faszination für Texte wie die neueren von Tocotronic (und sehe
heute in deinen Beispiele eindeutige Aussagen
).
Nein, ich polemisiere gegen ängstliche Texte.
Das führt mich wieder zu meinem Anliegen. Ich behaupte mal für die Pop-Musik: ein Texter sollte sich eher vor einem "zu wenig" fürchten als vor einem "zu viel".
Zu wenig bedeutet für mich unsicher, zach, unentschlossen... wenn schon unentschlossen, dann aber mit Pauken und Trompeten!
Wobei dieser direkte Impuls eben aus der Musik heraus gelesen werden muss. Prinzipiell versuche ich auf dramatischen Phrasen Wortpathos zu vermeiden und leiste mir eher mehr Komplexität an leisen Stellen.
Aber wenn die Idee erst mal ins Rollen gekommen ist, werde ich leicht blind für meine Ansprüche und werde dann manchmal unsanft von Musikern auf den Boden der unfertigen Tatsachen geholt.
Die meisten Aussagen kann ich glattweg unterschreiben - aber mit der Kombination dieser Aussagen habe ich so meine Schwierigkeiten ...
Kann sein, wir meinen das gleiche, kann sein, dass wir das nicht tun ...
Ohne Beispiele finde ich keine Entsprechungen - das macht es schwierig für mich. Wenn Ihr mal ein bis drei Beispiele hättet - durchaus auch von Tocotronic, die ich nur vom Namen nach kenne. Bei deutschen songs kenne ich mich sowieso recht wenig aus und meist kommentiere ich auch nur englische Texte.
Um mal zu sagen, wo ich das größte Mißverständnis vermute: bei der Verwendung von "provozierende coolness ohne sofortige Erlösung", "wenn schon unentschlossen, dann aber mit Pauken und Trompeten", "versuche ich auf dramatischen Phrasen Wortpathos zu vermeiden" ...
Und ich schmeiße mal ein paar songs von Element of Crime in den Ring, bei denen ich gar nichts davon finde - aber vielleicht ist das auch nicht Pop genug ...
Und vielleicht interessiert mich Pop eigentlich auch viel zu wenig - das meine ich jetzt nicht wertend - um darüber mehr als grobe Vermutungen anstellen zu wollen.
Mir scheint es nur so zu sein, dass bei Pop genau da, wo die Musik auf Emotion und Bewegung zielt, die Texte zwischen Worten mit Bedeutung und Leere spielen - und dieser Zwischenraum ist deshalb so wichtig, damit ihn jeder füllen kann und damit dann in einem live-Konzert hunderttausend Menschen gleichzeitig den Refrain mit Inbrunst singen können und ihn gleichzeitig jeder für sich mit einem spezifischen Inhalt füllen können ...
I love you sind natürlich Worte und sie haben natürlich ihre Bedeutung - aber im Grunde sind es Chiffren, in die jede/r etwas konkretes packen kann und auch soll, damit es funktioniert.
Dazu dann ein paar zielsichere Beobachtungen, ein paar treffsichere Wortwendungen und eine Geschichte, deren Momentaufnahme ein vorher und nachher ermöglicht - und dann noch den Zeitgeist getroffen - das ist für mich ein Pop-song und ein Pop-songtext.
Aber vielleicht irre ich mich da - was nicht weiter schlimm ist, da das Ganze für mich eher Suchbewegungscharakter hat ...
x-Riff