Jeder Fluss fließt irgendwann ins Meer (Deutsch, Singer-Songwriter)

Morbo
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So, nach einiger Zeit auch mal wieder was von mir. War irgendwie zuletzt leider etwas unkreativ...
Bin über jegliche Art von Meinung erfreut. Vielen Dank schonmal!

Die Musik dazu steht an sich auch schon - ich werde hoffentlich im August noch eine EP aufnehmen, vielleicht kommt der Song auch noch mit drauf. Mal sehen - jedenfalles: Wenn es was zu hören gibt, stell ich es hier rein.

Jeder Fluss fließt irgendwann ins Meer

du tanzt gerne am Takt vorbei
genau in meinen hinein
wo andere gegen Uhren anrennen
stellst du der zeit ein bein
und ich mag besonders die Tassen,
die nicht in deinem Schrank stehen
doch dein Name, der ist eingraviert
ich kanns vom Küchentisch aus sehen

und leise summst du ein Lied
und ich hab es schon lang nicht mehr gehört von dir
es sagt: bitte bleib hier

schenk mir deine kleinen Fehler
und deinen abwesenden blick
uns trennt die Prinzessin Gewohnheit
und manchmal nur ein kleiner schritt
durch das geöffnete Fenster
wehn Blätter von den bäumen her
und ich hab letztens gelesen:
jeder Fluss führt irgendwann ins Meer

und leise summst du ein Lied
und ich hab es schon lang nicht mehr gehört von dir
es sagt: bitte bleib hier
bleib hier
 
Eigenschaft
 
Der Text berührt mich unglaublich. Das ist so ein kleines Schmuckstück, wertvoll und fein und fängt auch genau dieses Gefühl, das man für einen geliebten Menschen hat, ein. Deine Bilder und Wortspiele sind mal wieder einfach super, besonders die Tassen im Schrank hast du wundervoll eingebaut. Der Text hat etwas so persönliches und liebevoll detailreiches, einfach schön.

Kanns kaum erwarten deine Umsetzung zu hören!
 
Texte, Texte, mein Kopf schwirrt gerade vor Texten - und in so einer intensiven Arbeitsphase etwas Anderes zu lesen kann fatal enden, wenn es nicht wirklich verdammt gut ist.

Gott sei Dank ist das hier der Fall.

Ehrlich: ich bin ein Vertreter des "Gefühls" bei einem Text, er muss in sich stimmig sein, etwas Bestimmtes haben einfach. Und Mann, dein Text hat dieses Etwas, er spricht die rechte Gehirnseite (ist doch die Logik, oder, Jongleur?) gleichermaßen wie die linke an, ein verdammt feines Stück. Und das ist für mich nicht mal ein KLEINES Schmuckstück - die Bilder darin sind so fein geschliffen, dass ich das Ding durchaus als Standard für gelungenes Texten sehen würde.

Kurz nochmal: Sehr beeindruckend. :)
 
Klein war im Sinne von kurz gedacht ;)

Da ich gestern Abend damit verbracht habe die Songs in Morbos Signatur nochmal zu hören, wurde mir eine Sache bewusst: Dieser Mann ist in der Lage Worte zu benutzen. Die klaren puren Worte. Er redet nicht schwülstig um den heißen Brei herum, nein. Er schreibt die Quintessenz seiner Gedanken auf und das so ... simpel ohne an Tiefe zu verlieren. Ich habe echt große Achtung vor Deinen Texten, Morbo!
 
Deine Strophen überraschen mich wirklich (fast) durchgehend mit stimmiger Poesie:great:

und ich mag besonders die Tassen,
die nicht in deinem Schrank stehen
Sehr schön! Bedarf das einer weiteren Erklärung?

doch dein Name, der ist eingraviert
ich kanns vom Küchentisch aus sehen
Hierzu fällt MIR ohne Erklärung leider wenig, um nicht zu sagen gar nix ein.
Wo ist der Name eingraviert? Im Schrank? Auf den Tassen? - Beides klingt irgendwie bemühter als der schwebende Rest.

Hier wäre Platz für ein weiteres Deiner schönen Bilder.

Oder für eine Erweiterung. Ich versuche das mal anzudeuten:

und ich mag besonders die Tassen,
die nicht in deinem Schrank stehen
Mag die Lücken die dort klaffen
Halb aus Spaß* und halb aus Versehe
n ( *Trotz)
Vielleicht hast Du die beiden Zeilen aber auch nur gebraucht, um elegant zu dem kleinen Liedchen zu kommen, dass sie im Refrain singt...

Damit habe ich mein zweites Problemchen.

Ich finde, Liedermacher kreisen als Quintessenz zu oft um "Lieder". Und wenn sie dann noch schreiben, WAS ein Lied sagt, dann... erkenne ich den Poeten plötzlich nicht wieder;)

Den romantischen Geistern wird dein Refrain ganz sicher ein träumerisches Lächeln ins Gesicht zaubern...

Lies mal Heine, Shakespeare oder Dylan und du wirst vermutlich anschließend Lust auf eine größere Aussage bekommen.

Inspiration kann man natürlich nicht erzwingen. Das folgende Beispiel dient NUR dem Zweck der Demonstration, deutet nur einen ersten Schritt an, bei Bedarf vom Küchentisch weg zukommen.

Ich hoffe, Du wirst mir das nicht als Respektlosigkeit ankreiden.

Mein Herz bekommt große Ohrn
Wenn Du lachst oder weinst erwidert ein Chor

Bleib hier bitte bleib hier.
Du kennst deinen Film, seinen Tonfall und seine Möglichkeiten besser! Du kannst das besser!

Mein Beispiel verändert außerdem auch die Aussage.... aber okkupieren wir als Leser nicht sowieso jeden Text;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank an euch drei für eure Rückmeldungen!

@Diavor: Puh - ich bin entwaffnet! Dankeschön. Eine Aufnahme kommt hoffentlich so in etwa einem Monat, mal sehen. Im Moment lässt mich ein bevorstehender Umzug noch nicht so genau planen. Vielleicht mach ich aber vorher auch mal eine kleine Demo nur mit Gitarre.

@Mondluchs: Diese Geschichten mit den zwei Gehirnhälften fand ich auch sehr anschaulich und äußerst spannend. Manchmal ist es nur äußerst schwer, die passende Balance zu finden. Sonst wirds unterkühlt oder kitschig...gerade vor letzterem hab ich immer etwas Angst. Ich bin froh, dass das deiner Meinung nach hier gelungen ist. Viel Erfolg in deiner Arbeitsphase, vielleicht fällt ja noch ein schöner Text von dir ab!

@Jongleur: Auf deine Kritik war ich sehr gespannt nach deinen tollen Beiträgen zu anderen Texten. Ist immer sehr bereichernd zu lesen. Der eingravierte Name steht dafür, dass die besonderen Eigenarten und Spinnereien (die nicht im Schrank stehenden Tassen) untrennbarer Teil der Person sind, dass sie deutlich erkennbar sind - eben vom Küchentisch aus. Dieser dient auch dazu, in die Szenerie einzuführen und den Leser bei der Hand zu nehmen.

Und ja, er dient auch als Hinleitung zum Refrain - genauer gesagt ist mir der Refrain erst eingefallen, als ich diese Zeile fertig hatte.
Ich finde deine Anmerkungen zum Refrain sehr spannend: Es ist sicherlich so, dass viele Songwriter das Song-Bild benutzen, ich mag es aber trotzdem sehr gerne und find es an dieser Stelle passend. Da schrieb wohl der romantische Geist in mir. Ich verstehe noch nicht ganz genau, was an der Aussage so klein ist...könntest du das nochmal erklären? Ich finde, dass die Beiläufigkeit der Aussage (ist es das was du meinst?) gut in die Küchenszene, also in den Alltag, passt. Aber das mit Heine und Shakespeare muss ich eh mal nachholen, Dylan schätze ich hingegen sehr.
Ach, und als Respektlosigkeit kreide ich dir deinen Vorschlag zum Refrain sicher nicht an...eher als wertvolle, die Gedanken beflügelnde Anregung.
Daher Vielen Dank nochmal!
 
Hi Morbo,

kann zum bereits Gesagten nicht viel weiteres beitragen. :redface:

Und natürlich finde ich den Text auch top. :great:

Eine kleine Anmerkung dennoch: Im Titel heisst es "Jeder Fluss fließt irgendwann ins Meer", in der Strophe steht dann führt.

Ich finde fließt besser, da ist eine zeitliche Komponente enthalten. ;)

VG Helmut


Edit: eins fällt mir doch noch ein, der Text erinnert mich ein bisschen an Element of Crime. :)

http://www.youtube.com/watch?v=bxCKeq-xdRQ
http://www.lyricsbay.com/das_alles_kommt_mit_lyrics-element_of_crime.html
 
Zuletzt bearbeitet:
Diese Geschichten mit den zwei Gehirnhälften fand ich auch sehr anschaulich und äußerst spannend. Manchmal ist es nur äußerst schwer, die passende Balance zu finden. Sonst wirds unterkühlt oder kitschig...gerade vor letzterem hab ich immer etwas Angst.

Was ist für dich "unterkühlt" und was "kitschig"? Und was stört dich daran?

Ich verstehe noch nicht ganz genau, was an der Aussage so klein ist...könntest du das nochmal erklären? Ich finde, dass die Beiläufigkeit der Aussage (ist es das was du meinst?) gut in die Küchenszene, also in den Alltag, passt.

Ich hab mir etwas Zeit gelassen für meine Gedanken und Gefühle. Nun weiß ich, was MICH stört: Das Glatte. In deinem Text geht alles glatt. - (In meiner Phantasie sehe ich übrigens hier am liebsten eine SIE und einen ER. )

SIE ist liebenswert und etwas verpeilt. ER betrachtet zärtlich vom Küchentisch IHR leicht verpeiltes Leben. Trotz unterschiedlicher Gewohnheiten trennt IHN manchmal nur ein Schritt von IHR Von draußen wehen Blätter herein und irgendwo hat ER gelesen, dass jeder Fluss mal ins Meer führt....und SIE singt ein Lied, welches sagt: Bleib hier.

Für wahr, ein vollkommener Frieden!

Doch je länger ich dieses Bild betrachte, umso schwerer und leerer wird mirs ums Herz.

-----------------------------------------

Große Widersprüche spielen eine Rolle im Text. Aber keiner breitet sich nachhaltig aus im Raum. Ihre kleine Wellen vereinen sich mit seinen kleinen Wellen und rollen geeint Richtung Meer.

In MEINEM Leben überrolle ich mehr oder weniger sanft meine Partner oder ich werde von ihren Motiven gesteuert. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Mal in die eine Richtung, mal in die andere.

Mal amüsieren mich die alltäglichen Widersprüche,
mal toleriere ich sie mehr oder weniger gut,
mal versuche ich dieses Chaos zu analysieren
und oft macht es mich einfach nur wütend oder traurig.
Dann habe ich nur noch das Gefühl, man legt sich gegenseitig Steine in den Weg. Warum nur!

Natürlich kenne ich auch das Gefühl trauter Harmonie. Aber das Schreiben darüber endet bei mir leicht in einer GENERELLEN Stimmung, die Du vielleicht Kitsch nennen würdest.

Ich glaube nicht, dass Widersprüche zum entrückten Genießen da sind - Scheiße, warum gibt hier eigentlich kein Smiley für ein trauriges Lächeln? - .

Vielleicht möchte ich weniger über ihre generelle Widersprüchlichkeit, sondern mehr über ihr Wesen erfahren....

Und dann wieder denke ich mir, es gibt sie gar nicht. Du schreibst von Deinem Alter Ego.

Meine Phantasie ist leider sehr wankelmütig :cool:
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber Wortakrobat,

Zum Kitsch bzw. Unterkühlten: Kitsch ist für mich recht negativ besetzt und bezeichnet für mich im Kontext von Sontexten sehr direkte, oft unbeholfene Ausdrücke von romatischen Gefühlen, Gefühlsduselei eben... ;) Ein Beispiel wär für mich eine der letzten Ich + Ich-Singles mit der Refrainzeile "Du bist das Pflaster für meine Seele, wenn ich mich nachts im Dunkeln quäle" -> das ist mir schon ein bißchen too much und der Reimzwang lässt das Ganze schon meiner Ansicht nach leicht ins Lächerliche abdriften. Aber vielleicht bin ich auch hier etwas empfindlich, da ich den Song so gar nicht abkann. Andererseits fällt mir auch auf, dass manche Künstler so etwas verkaufen können, dass man es ihnen abnimmt und es dann ok ist. Ich bemühe mich eben darum, diesen Kitsch durch interessantere Bilder irgendwie zu umschiffen.
Das Unterkühlte wäre halt das Gegenteil dazu, bspw. zu finden bei neueren Tocotronic-Sachen, wo oftmals durch einen hohen Grad der Abstraktion eine gewisse Distanz zwischen Leser und Text geschaffen wird, die den Song aber gleichzeitig interessant und auch rätselhaft macht. Leider ist mir noch nie wirklich gelungen, in dieser Form für mich zufriedenstellend zu texten.

Zu deinen Deutungen vorab: Den Text hab ich auch mit einer SIE und einem IHN im Hinterkopf geschrieben.
Man kann den Song sicherlich auf mehrere Weisen verstehen, da sich der Text nicht ganz eindeutig zu erkennen gibt.
Daher einige Fragen: Was ist, wenn die "Prinzessin Gewohnheit" festgefahrene Strukturen darstellt, wenn sie Stagnation und Routine bedeutet? Da kann ein "kleiner Schritt" schon sehr schwer fallen. Was ist, wenn sie ihn zwischen all den vorprogrammierten Abläufen kaum spüren lässt oder lassen kann, dass sie ihn liebt, dass ihr seine Gegenwart wichtig ist? Dann wäre die in der ersten Strophe dargestellte Zuneigung einseitig. Nur durch ihr kleines Lied (vielleicht "ihr" Lied) gibt sie ihm ein Zeichen in diese Richtung, auch wenn es nur unterschwellig sein mag. Und ihm bleibt nur, auf eine stärkere Erwiderung seine Zuneigung zu hoffen oder die Routinen aufzubrechen.

Ich finde, dadurch unterliegt das aufgeworfene Bild einer gewissen Spannung und hat etwas Zerbrechliches. Harmonie sieht finde ich anders aus. Der Leser wird hier bewusst etwas im Dunkeln gelassen und jeder kann den Text ja auf seine eigene Weise okkupieren - aber das geschieht ja eh... ;)
 
Das habe ich ganz genau so gedeutet! :eek: ;)
 
Hi Morbo,

für mich ein Kleinod, leicht und lässig dahinschwingend und doch andeutend, was sich unter der Oberfläche und jenseits des Bewußten abspielt und Raum sucht ... ich wünsche Dir eine kongeniale Musik dazu und dann möchte ich, dass der song durch ein offenes Fenster an einem warmen Sommerabend mein Ohr erreicht ... wenn Du das noch schaffst, dann bist Du ein Gesamtkunstwerk.

Kompliment !

x-Riff

*Ich mag im Moment gar nicht mehr sagen - vielleicht später etwas ergänzendes*
 
Danke dir! *rotwerd*

Ich geb mir so viel Mühe wie ich kann bei der Umsetzung - ich hoffe dann mal auf besseres Wetter für den warmen Sommerabend... ;)
 
Hi Morbo,

ich mach's auch kurz: Hab nichts zu meckern und bin von dem Text sehr angetan. Kannst du so machen.
 
"schenk mir deine kleinen Fehler
und deinen abwesenden blick"

Zwei kleine Zeilen, die mir Tränen in die Augen gezaubert haben...
nur 2 klitzkleine Zeilen, die so unglaublich stark sind... möglicherweise, weil ich ein ganz bestimmtes Bild in meinem Kopf hatte.
Das sind die Stärken eines guten Singer/Songwriting Textes...das haben bei mir bisher eigentlich nur Damien Rice und Elliott Smith geschafft...
Glückwunsch zu einem so tollen Text und so viel Talent...
 
Lieber Morbo

Dein Text ist so schön, dass ich einfach meine Gedanken dazu loswerden möchte :great:

Er berührt mich auf verschiedene Weise und löst soviele Bilder in meinem Kopf aus, wobei er sich wie Butter liest!
Der Text klingt wie ein vertrautes Flüstern in ein geliebtes Ohr und trotzdem klingt eine unscheinbare Traurigkeit mit, eine "unbestimmte" Unsicherheit, weil ich die Bedeutung von:

"Jeder Fluss fliesst irgendwann ins Meer" zusammen mit dem
"bitte bleib hier"
, das nicht direkt ausgesprochen wird, sondern durch eine Melodie (bewusst?) von ihr gepfiffen wird mich verunsichert.
Da werden meine Gefühle unsicher…..

Das wiederspiegelt sich in beiden Strophen:
"
du tanzt gerne am Takt vorbei
genau in meinen hinein
wo andere gegen Uhren anrennen
stellst du der zeit ein bein
und ich mag besonders die Tassen,
die nicht in deinem Schrank stehen"

Bis hier ist alles in Ordnung: Er sagt ihr, was er an ihr mag, die kleinen Fehler, was sie so speziell macht, einzigartig. Das klingt so vertraut, als würden sie sich schon eine Ewigkeit kennen.

Dann aber plötzlich ein "doch" (darf doch nicht wahr sein, so schön wie alles anfängt…)

doch dein Name, der ist eingraviert
ich kanns vom Küchentisch aus sehen

Wunderschön, der Blickwechsel weg vom Sprechen zu ihr, zurück zu ihm, der sie beobachtet, er scheint dabei eine gewisse Distanz einzunehmen zu ihr. Du siehst das "doch" verwirrt mich, da es die Harmonie stört, was er sieht, es ist unsicher, ob ihm das gefällt oder nicht…..

Dann der Refrain, wunderschön :)

und leise summst du ein Lied
und ich hab es schon lang nicht mehr gehört von dir
es sagt: bitte bleib hier

Er bleibt beobachtend, hört das Lied, das sie summt, deren Text sie nicht ausspricht. Unsicher, vorsichtig vorantastend (der kleine Schritt…), so geht man mit jemandem um, den man nicht verlieren möchte, indem man in ein Fettnäpfchen tritt…. Aber sie hat es früher öffters gepfiffen?
Was nicht direkt ausgesprochen wird, behält einen gewissen Interpretationsspielraum!

Die 2. Strophe:

schenk mir deine kleinen Fehler
und deinen abwesenden blick

ein kleiner Schritt näher zu ihr….

uns trennt die Prinzessin Gewohnheit
und manchmal nur ein kleiner schritt

ein kleiner Schritt zurück….

durch das geöffnete Fenster
wehn Blätter von den bäumen her
und ich hab letztens gelesen:
jeder Fluss führt irgendwann ins Meer

Dann, wieder die "Flucht" (?) weg vom Thema, der Blick aus dem Fenster…

Und dann, (verdammt :confused:) das grosse Fragezeichen:

Jeder Fluss führt irgendwann ins Meer:
Meint: Es kommt , wie es kommen muss, da jeder Fluss irgendwann ins Meer fliesst? Also jeder findet irgendwann sein Meer? Es braucht einfach etwas Zeit?

Das hat er gelesen, glaubt er es aber selber auch?

Morbo, ich find deinen Text genial, vom Titel bis zur letzten Strophe, der Fluss fliesst durch den Text ins Meer, ans Ziel aller Wünsche.

Nur bleibt die Unsicherheit bestehen, da man als Leser das Ende nicht erfährt…. Und einige Unsicherheiten sind, angedeutet, die aber durch die Bestimmtheit der Aussage "jeder Fluss fliesst irgendwann ins Meer" eine Gelassenheit rüberbringt, die auf Geduld beruht, dass es gut kommt.

Oder hab ich das völlig falsch verstanden???

Jedenfalls, vielen Dank für diesen Text :)

Greez
SoleLuna
 
Lieber Morbo,

danke für deine sehr interessante Antwort.

Ich bin hin und her gerissen. Will ich weiter über den deinen schönen Text schreiben oder über Allgemeineres: die Musik-Poetik?

Es siegt wohl die Poetik.

Ich bin seit Jahrzehnten davon überzeugt, dass wirkliche Poesie und Musik wie die Zwillinge sind, wobei jeder eifersüchtig das Interesse auf sich ziehen will.

Hast du mal die Kessler-Zwillinge im Interview gesehen - keine lässt der anderen mehr als zwei Sätze. Und so sehe ich das auch mit Poesie und Musik.

Es ist für mich absolut kein Zufall, dass die wahren Dichter der Pop-Musik wie Bob Dylan, Leonard Cohen oder Tom Waits musikalisch vergleichbar dilettieren. Dabei ist es interessant, ihre musikalische Entwicklung zu beobachten: Sobald sie traditioneller komponieren oder arrangieren, unterstellt man ihnen Kitsch. Weil sie oft in diesen Fällen tatsächlich auch transparenter schreiben.

Große Opern hingegen benutzen meistens vergleichbar vordergründige Liedtexte und Libretti.

Was auch immer für diese Diskrepanz verantwortlich sein mag: Den Dichtern scheint es vorrangig um die Wirkung ihrer Worte zu gehen und den Komponisten um ihre Töne.

Wenn ich auf die Musik anderer schreibe, lautet mein unauslöschbares Credo: der Text darf nicht von der Musik ablenken. (Wenn ich es mal mit dunklerer Poesie probiere, scheitert es in der Regel am Komponisten, für den plötzlich seine Musik angeblich nicht mehr klingt).

Vielleicht würde ein guter Komponist mit seiner Musik nicht stören wollen, wenn er Deinen Text vertonen möchte. Ich kenne allerdings wenige solcher Komponisten.

Vielleicht sind die meisten Musiker mehr Kopfmenschen als Dichter? Vielleicht wollen sie der Welt ihr leidenschaftliches Alter Ego vorführen.:gruebel:

Während viele gefühlvolle Dichter ihre Fähigkeit zur Analyse, zur originellen Weltsicht demonstrieren wollen?

Was weiß ich denn.

Mir fehlt in deinem Text eine Leidenschaft, die mich kräftige Popmusik hören lässt. Ich höre hm...Kammermusik:gruebel:.....Jazz:gruebel:... nein... ich höre ein schönes Gedicht. Ein federleichtes Gewebe...:great:

So gesehen:

Auch ich fühle einen Unterschied zwischen:

und ich mag besonders die Tassen,
die nicht in deinem Schrank stehen
und

Du bist das Pflaster für meine Seele,
wenn ich mich nachts im Dunkeln quäle
Aber wo Du ein "too much" registrierst, reklamiere ich ein "Too few".

Deshalb lese ich manchmal Shakespeare, um Poesie UND Leidenschaft zu fühlen.

Obwohl ich durchaus etwas eifersüchtig auf deine schönen Zeilen bin, könnte ich mich vorstellen, dass auch Du diese Sehnsucht nach dem Urschrei kennst. Egal ob abstrakt oder emotional:D

Eben gerade kann ich mir jedenfalls Deine SIE so vorstellen;)

Ich hoffe (im eigenen Interesse) auf ebenso viel Verständnis wie Widerspruch:)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Argument für deine Theorie, wonach Musiker mehr Kopfmenschen als Dichter sind, wäre wohl die Tatsache, dass Musik per se um einiges leichter Gefühle hervorrufen kann.
Der erfahrene Komponist setzt sich hin, schreibt Akkorde, deren musiktheoretische Akkorde er genau weiß, die er auch rein mit dem Kopf plant - und wo die Leute dann trotzdem seufzen und meinen, dieser Komponist muss das Stück mit größter Leidenschaft geschrieben haben.

Texter haben hierbei das "Problem", das Wörter allzuleicht in die Kategorie des rationalen Denkens eingefügt werden, wodurch sie lernen müssen, mit ihrem Werkzeug "Sprache" neue Wege zu gehen, einen Stil zu finden, der möglicherweise außerhalb des breiten Fundes der Alltäglichkeiten liegt.

Ein Bekannter von mir, der einerseits sehr interessiert an Poesie in Liedertexten ist, macht andererseits auch Musik. Diese hört sich meist experimentell an - bei ihm scheint sein Sinn fürs Ungewöhnliche, das die Sprache ihn ihm sprossen ließ, in seine musikalischen Fähigkeiten eingeflossen zu sein. :)
 
Was Worte allein nicht vermögen und wo die Musik alleine nicht hinreicht

da ist der Ort für Musik mit Texten und Texte mit Musik

Es scheint vieles einfach und kann doch Projektion, Wunsch oder Angst sein: Sicher kann der Komponist nach Regeln zu Werke gehen und damit sein Ratio arbeiten lassen (und die Zuhörer seufzen dennoch voll Inbrunst und Überzeugung, hier sei Leidenschaft allein am Werk gewesen) - aber dies kann der Dichter ebenso - gib mir ein Thema, gib mir ein Genre und ein bewährter Sprachillusionist wird ein Gedicht, eine Novelle, eine Kurzgeschichte schreiben, bei dem gleichermaßen die Zuhörer meinen, hier sei Herzblut geflossen ...

Und beide - Dichter wie Musiker - können sehr stark assoziativ vorgehen, aus dem Probieren, dem Spielen herkommend etwas zu Wege bringen ...

Für mich ist bei beiden das Bild des "flow" entscheidend: ein Zustand, in dem eben beide Hirnhälften zu Gange sind, ein Prozeß, der sich der Steuerung einer übergeordneten Instanz entzieht und doch nicht im Chaos endet, ein Fließen das diesen Schaffensprozeß zu einem einmaligen (genau in diesem und nur in diesem Moment stattfindend - einzigartig, aber nicht einzig, wenn auch unplanbar) Erlebnis werden läßt, in dem sowohl das Innen (des Schaffenden) wie das Außen (die Welt) interagieren ...

Und dennoch ist danach und davor viel Transpiration dabei, denn damit etwas fließt und in Verbindung tritt, muss etwas vorhanden sein, dass dies kann - und das ist die Beschäftigung, die Arbeit, das Lesen, das Aufnehmen, das Analysieren, das Probieren und Studieren ...

Es ist wohl kein Zufall, dass jeder sein eigenes Rezept hat oder auf sein eigenes Rezept kommt, die Zutaten aber gleichwohl die gleichen sind ...

x-Riff
 
Mondluchs schrieb:
Texter haben hierbei das "Problem", das Wörter allzuleicht in die Kategorie des rationalen Denkens eingefügt werden, wodurch sie lernen müssen, mit ihrem Werkzeug "Sprache" neue Wege zu gehen, einen Stil zu finden, der möglicherweise außerhalb des breiten Fundes der Alltäglichkeiten liegt.
Das glaube ich auch. An Musik werden weniger Anforderungen als an Worte gestellt. So entfallen wichtige Forderungen wie Glaubwürdigkeit, Anschaulichkeit, Moral.

Andererseits wirken alle Anforderungen wie Originalität, Spannung oder Abwechslungsreichtum genauso auch auf den Texter.

Mondluchs schrieb:
Ein Bekannter von mir, der einerseits sehr interessiert an Poesie in Liedertexten ist, macht andererseits auch Musik. Diese hört sich meist experimentell an - bei ihm scheint sein Sinn fürs Ungewöhnliche, das die Sprache ihn ihm sprossen ließ, in seine musikalischen Fähigkeiten eingeflossen zu sein.

Ja, kann ich nur bestätigen. Mein "anspruchsvollster" Komponist verließ ohne Not den Popbereich und wurde ein erfolgreicher Filmkomponist. - Es ist immer wieder ein einmaliges Erlebnis für mich, von ihm geschildert zu bekommen, wie und warum er hier musikalisch die Filmbilder dick unterstreicht und dort wiederum hintersinnig "unterwandert".

ABER: ich würde sagen, als Popkomponist war er mMn etwas zu verspielt. Und so blieb ihm (uns) der nachhaltige Erfolg beim Publikum versagt.

Vielleicht, wenn er auf einen Texter mit ähnlich verspieltem Anspruch getroffen wäre…

x-Riff schrieb:
Und beide - Dichter wie Musiker - können sehr stark assoziativ vorgehen, aus dem Probieren, dem Spielen herkommend etwas zu Wege bringen …
Diese "Gleichberechtigung" bezweifle ich eben. Musiker spielen, Texter dichten. Dem Spieltrieb des Texters sind Grenzen gesetzt.

Der größte Teil der Musikhörer erwartet eine leidenschaftlich, affektableitende Grundaussage vom Text. Ich meine damit keine Botschaft. Sondern eine Aussage, die unkompliziert vom Thalamus an die Mandelkerne weiter geleitet wird. Eine Aussage, die Hände und Füße automatisch bewegt. Ich glaube, vom Charakter will Popmusik eher körperlich aktivieren als Nachdenklichkeit schaffen.

Originelle Bilder sind für diesen Zweck natürlich sehr förderlich! Aber eher in dem Sinne, dass man als Zuhörer froh ist, so eben einen ganz besonderen "Text-Guru" zu genießen. Aber ohne die offensichtlich oder heimlich brennende Flamme der Leidenschaft keine Massenwirksamkeit, behaupte ich mal.

Ich erinnere mich daran, dass ich vor vielen Jahren mal einem tollen Komponisten gegenübersaß, der mir den ganzen Abend Gedichte von Tagore vorlas, ihre Ausbalanciertheit bewunderte … um mir anschließend (zu meinem größten Bedauern) einen netten Korb zu überreichen. - Ich fürchtete viele Jahre, dass er mich für zu grobschlächtig gehalten hat .
Irgendwann entdeckte ich aber, dass der Komponist seine größten Erfolge mit extrem emotional aufgeladenen Texten hatte.... ja, Morbo würde sie vielleicht "too much" nennen.
Ich weiß gar nicht mehr, worüber wir damals im Einzelnen sprachen. Aber er hatte die Welt im Blick und ich hörte damals vor allem Blues...:D
 
Und beide - Dichter wie Musiker - können sehr stark assoziativ vorgehen, aus dem Probieren, dem Spielen herkommend etwas zu Wege bringen ...
x-Riff

Diese "Gleichberechtigung" bezweifle ich eben. Musiker spielen, Texter dichten. Dem Spieltrieb des Texters sind Grenzen gesetzt.
Du machst auch Musik, jongleur?
So manche Deiner Aussagen erinnern mich an: the grass is always greener on the other side of the fence ...

Dem Musiker sind auch Grenzen gesetzt ... und was Texte und Grenzen angeht:
DADA, psychodelische Texte, surreale Texte, assoziative Texte, Doors, Zappa, Palmström, parodistische Texte, phantastische Texte, science fiction Texte, rein lautmalerische Texte, beat-generation-texte ala burrows, kerouac ... es gibt sogar Texte (mit Musik), die in einer reinen Kunstsprache gehalten sind ...

Der größte Teil der Musikhörer erwartet eine leidenschaftlich, affektableitende Grundaussage vom Text. Ich meine damit keine Botschaft. Sondern eine Aussage, die unkompliziert vom Thalamus an die Mandelkerne weiter geleitet wird. Eine Aussage, die Hände und Füße automatisch bewegt. Ich glaube, vom Charakter will Popmusik eher körperlich aktivieren als Nachdenklichkeit schaffen.

Hier kannst Du alle fett markierten Stellen durch musikalische Ausdrücke ersetzen:
Der größte Teil der Musikhörer erwartet eine leidenschaftlich, affektableitende WIRKUNG von der Musik. Ich meine damit kein musikalisches Thema. Sondern eine Motiv, eine Melodie, die unkompliziert vom Thalamus an die Mandelkerne UND IN DEN KÖRPER weiter geleitet wird. Eine Musik, die Hände und Füße automatisch bewegt. Ich glaube, vom Charakter will Popmusik eher körperlich aktivieren als Nachdenklichkeit schaffen ...

Wie kommst Du auf Nachdenklichkeit? Zwischen Text, Aussage und Nachdenklichkeit liegen Welten - aber mir scheint, es wird etwas die Transzendenz, die Ambivalenz und Vielschichtigkeit von Popmusik unterschätzt ... Mal recht wahllos einige sehr bekannte songs, deren Text sehr wohl Bedeutung hat (ob man das nun mit Nachdenklichkeit (im Sinne von Grübeln? oder in welchem Sinne überhaupt?) verbindet, sei mal dahingestellt: Allein, allein (recht aktuell), Deine blauen Augen (Ideal), Tausendmal berührt (wer war dat nochmal), Mensch / Männer / Bochum (Grönemeyer), Da Da Da (Trio), Männer sind Schweine / Alles nur geklaut (Prinzen)

Alles songs, die sehr populär (=POP) sind/waren und deren Texte nicht nur den Thalamus berühren - das tun sie AUCH - aber eben nicht nur ... genauso wie POP-Musik auf jeden Fall direkt ins Ohr geht, aber eben auch mehr sein und länger wirken kann ...

Nicht alles muss mit einem Bohrer in der Hand daherkommen, um tiefer zu wirken ...

Aber das ist zugegebenermaßen ein weites Thema ...

x-Riff
 

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