Zum Ausgangs-Artikel: Nett geschriebener Artikel, dem ich (augenzwinkernd) größtenteils zustimme, auch wenn die Eingangs-These von einer Fehlinterpretation ausgeht:
"Kreator und Amon Amarth an der Spitze der Album-Charts? Rammstein im Heino-Cover? Ähm, Manowar? - Der Metal scheint in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein."
-> Diese Schlussfolgerung ist falsch: Metal-Acts tauchen ja nur deshalb so weit oben in den Charts auf, weil die (älteren!) Metal-Fans die einzige Klientel ist, die noch in nennenswerter Größenordnung
legal Musik erwirbt ...
Der "Metaller an sich" legt als einziger noch Wert auf seine CD(oder gar Vinyl!)-Sammlung und nur deswegen findet Metal in den Charts statt. Mit den aktuellen Verkaufszahlen wäre vor 20 Jahren kaum ein Metal-Act auch nur in den Top-100 gewesen. Die Metal-Verkäufe werden nur dadurch sichtbar, weil die Verkäufe in allen anderen Genres so massiv weggebrochen sind. Das sollte ein Musik-affiner Autor eigentlich wissen.
Ansonsten steckt da schon wahres drin: Waren lange Haare und/oder Tatoos lange der Metal-Szene "vorbehalten", ist heute jeder Hinz + Kunz tätowiert. Zumindest der "Metal-Style" hat tatsächlich in die Alltags-Kultur Einzug gehalten. Wer früher aufgrund seines Äußeren direkt als Metaller identifizierbar war, kann heute auch David-Guetta-Fan sein. Man denke nur an diese ätzenden "Ed Hardy"-Shirts. Ich bin schon einige Male heftigst ins Fettnäpfchen getreten, wenn ich einen Fremden aufgrund seiner Optik für einen vermeintlichen "Kollegen" gehalten habe … ;-)
Was man meiner Meinung nach auch sagen kann: Dass die Metal-Szene
in sich in ihrem Verhalten mainstreamiger geworden ist. Für meinen Geschmack stand "früher" (80er & 90er) bei Konzerten mehr die Musik im Vordergrund, heute hat man teils das Gefühl, das insbesondere jüngere Jahrgänge weniger wegen der Musik kommen, sondern es mehr um das "Event-Erlebnis" geht: Man feiert sich selbst (Stichwort Wacken), es wird mit dem Smartphone fotografiert + in Echtzeit bei F-Book gepostet usw. Die Kids können dann anhand ihrer Posts belegen, dass sie da waren. Erinnern können sie sich am nächsten Tag vermutlich nicht mehr, da nicht bewusst erlebt ... Das ist aber sicher kein Metal-spezifisches Phänomen.
Metal war doch bis auf wenige Ausnahmen schon immer eine sehr, sehr reaktionäre Musik.
Ja und nein. Wer als Metal-Fan die zweite Hälfte der 80er und die frühen 90er miterlebt hat, konnte sich monatlich, teils auch mehrmals im Monat über neue Alben freuen, die etwas Neues darstellten oder zumindest innerhalb ihres Subgenres neue Maßstäbe setzten. Das sehe ich so in den letzten 15 Jahren nicht mehr sondern der "Metal-Baukasten" scheint lange definiert und aktuelle Bands bedienen sich mehr oder weniger nur noch der bekannten Stilmittel.
Aber ganz ehrlich: In welchem
anderen Musik-Genre ist das aktuell nicht so? In Pop, Rock oder Elektronik sind nun auch nicht gerade die großen Neuerungen zu entdecken …
Und für mich ist's grade der Antiintellektualismus, der mich an der Szene abstößt.
… haha, gerade den fand ich immer sehr authentisch und unprätentiös. Klar, wer tiefgreifende Prosa erwartet, ist beim Metal weitestgehend an der falschen Adresse. Da steht mehr die Musik selbst als Ausdrucksmittel im Vordergrund.
Daher ist meine Ansicht allerdings auch, dass sich der durchschnittliche Metalhörer ungleich bewusster mit "Musik" ausseinandersetzt als der Club-Gänger oder 1LIVE-Hörer, für den Musik in erster Linie austauschbare Hintergrund-/Funktionsmusik ist. Für den Metal-Fan stellt Musik einen Wert dar - was sich dann eben dazu führt, siehe oben, das Metal plötzlich in den Verkaufscharts auftaucht.