Heike schrieb:
..., sondern erstmal hören und genießen, und dann was schönes dazu zu singen versuchen.
Absolut richtig! Das sollte für dich (und nicht nur für dich) die primäre Herangehensweise darstellen. (siehe auch J.Aebersold "Building a Jazz Vocabulary: A Resource for Learning Jazz Improvisation
", J.Coker "Improvising Jazz")
Denn oft sind Melodien, die du aus erlerntem Tonmaterial auf dem Instrument (welches eigentlich?) kreierst weniger Abbild deines improvisatorischen Schaffens, als Abspulen eintrainierter Motorik und Harmonielehre.
Erst wenn Du eine Skala singen kannst, kannst Du sie auch wirklich imprivisatorisch verwenden. Auswendig gelernte Licks sind nämlich keine Improvisation sondern Interpretation.
Übe doch mal nach folgender Methode:
Nimm Dir ein Playback eines Jazz-Blues in nicht zu schnellem Tempo (Empfehlung: Jamey Aebersold Playalong) und beschaffe Dir ein passendes Chart, welches Du aber erstmal beiseite legen kannst.
Nun spiele das Playback ab und denke Dir im Kopf ein Solo dazu. Versuche Dir einfache Melodien zu denken und fange irgendwann an dazu zu singen.
Da im Blues viel Pentatonik funktioniert wird es Dir bestimmt leicht fallen einige Blueslicks zu finden. Verzichte hier absichtlich auf Vorlagen und Klischées und singe einfach drauf los.
Wenn Du ein Mikro hast, dann zeichne ruhig mal ein Mix aus Playback und Gesang auf. Keine Angst: Es muss ja keiner zu hören bekommen, die Aufnahme ist nur für dich privat
Analysiere nun das Gesungene indem Du Dir die Licks raussuchst, die sich für Dich am besten anhören. Versuche diese auf dein Instrument zu übertragen.
Du wirst mit Sicherheit feststellen, dass Dein Gesang vor allem rhythmisch interessanter und melodisch kompakter ist als Deine bisherigen Improvisationen.
Generell gilt: Alles was man singen kann klingt auch für den Zuhörer harmonischer. Durch Gesangslinien verhindert man pure Skalenreitereien und festgespielte, sich immer wiederholende Fingersätze die sich motorisch einprogrammiert haben. (auch erfahrene Solisten sollten sich von Zeit zu Zeit beim Solieren aufnehmen und das gespielte hinterher auf typische [meisst langweilende] Wiederholungen und "typische Licks" analysieren)
Analysiere dann mit Instrument das Notenmaterial das Du singend verwendet hast. Auf der Basis dieses Tonmaterials solltest Du arbeiten und es um einige Dominantscalen die, das unterstelle ich jetzt mal so ungeprüft, wahrscheinlich in Deiner gesungenen Improvisation gefehlt haben, erweitern.
Auf jeden Fall solltest Du neue Skalen auch immer singend einüben, so dass Du melodisch Moll VII auch vorsingen könntest/kannst.
Frage ans Board: Wer kann das aus dem Stegreif? Gut.
Nochmal: Nur Scales, die Du im Gehör verankert hast, wirst Du auch musikalisch einsetzen können. Alles andere ist Motorik+Geometrie.
Wenn Du das erfolgreich hinter Dich gebracht hast, dann hast Du eine Grundlage auf der man viel besser die nächsten Schritte aufbauen kann. Du bekommst praktischen einen
Sinn für Improvisation und kannst diesen mit neuerlernten Skalen, Verbindungen, Apeggien etc füttern.