Ich bin mir ja nicht so sicher, ob in diesem mittlerweile schon recht langen Thread jemand im Detail bis hierher liest. Wie auch immer
für alle Interessierten will ich hier noch ein zentrales Thema etwas ausführlicher behandeln, dass offensichtlich Schwierigkeiten bereitet und daher vermehrt zu Rückfragen führt.
Ich denke, hilfreich ist diese Ergänzung vor allem dann für Euch, wenn die eine oder andere dieser Fragen bei Euch auftaucht:
- Wechsle ich beim Improvisieren bei jedem Akkordwechsel die Tonleiter?
- Warum fängt man die einzelnen Pattern nicht jeweils mit dem Grundton zu spielen an?
- Zu welchen Akkorden darf man die einzelnen Modi der Kirchentonleiter spielen?
- Wenn ich zu einem Akkord eine Skala spiele und diese Skala mit der Sekund zu spielen beginne, klingt die Skala dann Dorisch?
- Wenn ich die Dur-Tonleiter spielen kann, sind die einzelnen Modi ja dasselbe. Wofür brauche ich die Modi dann?
Die Modi der Kirchentonleiter im Überblick
Wir erinnern uns an diese Aufstellung (in diesem Thread einige Posts vor diesem):
Ionisch (Mode I)
Dorisch (Mode II)
Phrygisch (Mode III)
Lydisch (Mode IV)
Mixolydisch (Mode V)
Aeolisch (Mode VI) parallele Moll
Lokrisch (Mode VII)
Woher kommt die Klangcharakteristik der Modi?
Damit die Modi der Kirchentonleiter ihre Klangcharakteristik entfalten - also richtig klingen -, muss man die jeweilige Tonleiter des Modus immer zu etwas in Relation setzen. Und zwar zu jenem Akkord, über dem die Tonleiter gespielt wird, beziehungsweise zum Grundton der Tonleiter. Eine Tonleiter erhält die Klangcharakteristik Ionische, Dorisch, Aeolisch etc. erst in Bezug zum darunter liegenden Akkord, über den ich diese Tonleiter spiele. Dieser Akkord definiert den Grundton der Tonleiter. In welchen Intervallen (Tonabständen, Schrittfolgen) ich nun alle weiteren Töne in Relation zum Grundton spiele, ist der Ursprung der unterschiedlichen Klangcharakteristik der einzelnen Modi.
Jede der Kirchentonleitern entfaltet ihre Modus-charakteristische Klangfarbe durch die Charakteristik der Tonabstände in Relation zum Grundton, bzw. in Relation zum darunter klingenden Akkord.
Wie kann ich die Klangfarbe der Modi bewusst einsetzen?
Vielleicht hilft folgende Analogie aus der Farbenwelt zur Erklärung der Klangfarbe. Geht es dabei doch jeweils um Farben, einmal um optische Farben, das andere mal um Klangfarben.
Bitte beachten: die Farben der folgenden Analogie entspricht nicht den färbigen Punkten am Big Picture
Das folgende Farbschema in der Gitarren-Raum-Analogie hat nichts mit den Farben der Punkte am Big Picture zu tun! Ich habe für den Grundton der Dur-Tonleiter im Big Picture violett verwendet, was keine Primärfarbe, sondern eine Sekundärfarbe ist. Darum ist es nicht möglich, im kommenden Beispiel die im Big Picture bereits verwendeten Farben anschaulich zur Erklärung der Analogie zu verwenden! Wie auch immer
hier das Beispiel mit der Analogie zur Farbenwelt:
Der Gitarrist, der im bunten Raum eine gelbe Skala spielt
Nehmen wir an, wir hätten eine Gitarre, die beim Spielen einer Tonleiter eine Glasscheibe in der Klangfarbe der gespielten Tonleiter erzeugt. Beim Spielen einer C-Dur Tonleiter entsteht eine gelbe Glasscheibe. Nun gehen wir in einen vieleckigen Raum mit mehreren Wänden. Im pentatonischen Raum befinden sich fünf Wände, im Raum der Kirchentonleiter sieben Wände. Die Wände sind Akkorde und haben je nach Akkord unterschiedliche Farben.
Als erstes betreten wir den Raum der Kirchentonleitern. Nachdem wir lernen wollen, wie die Klangfarbe unserer C-Dur-Tonleiter bei den Stufenakkorden von C-Dur klingen, entsprechen die sieben Wände in diesem Raum den sieben Stufenakkorden von C-Dur: C-Dur, D-Moll, E-Moll, F-Dur, G-Dur, A-Moll, H°
Wir spielen eine Improvisation in der C-Dur-Skala und achten darauf, wie die einzelnen Wände das Echo unserer Improvisation zurückwerfen und damit die Klanfarbe der gelben C-Dur-Tonleiter verändern und beeinflussen.
Die Wand mit dem C-Dur Akkord ist gelb. Schauen wir nun durch unsere gelbe C-Dur-Tonleiter-Glasscheibe auf die gelbe C-Dur-Akkord-Wand, so mischt sich das Gelb der Glasscheibe mit dem Gelb der Wand. Wir sehen ein intensives Gelb: das ist C-Ionisch über einem C-Dur Akkord. Wir prägen uns die Klangfarbe dieses Gelbs beim Improvisieren mit der Skala gut ein, dann wollen wir die Klangfarbe unserer gelben Glasscheibe bei einem anderen Akkord ergründen.
Als nächstes projizieren wir unsere gelbe Glasscheibe auf die A-Moll-Wand. Dazu drehen wir uns im Raum ein wenig weiter und richten unsere gelbe C-Dur-Tonleiter-Glasscheibe auf eine andere Wand, die rote A-Moll-Akkord-Wand. Das Gelb der Glasscheibe und das Rot der Wand mischen sich zu Orange. Unsere C-Dur-Tonleiter klingt plötzlich nicht mehr gelb (ionisch), sondern orange. Dieses Orange benennen wir aeolisch. Außerdem fällt uns beim Improvisieren auf, dass der Grundton nicht mehr C ist, sondern durch die rote A-Moll-Akkord-Wand plötzlich zu A wurde. Unsere gelbe C-Dur-Tonleiter-Glasscheibe auf die rote A-Moll-Akkord-Wand projiziert gibt also A-Aeolisch über einem A-Moll Akkord.
Um zu sehen, ob dieses System immer gleich funktioniert, richten wir unsere gelbe C-Dur-Tonleiter-Glasscheibe auf eine weitere Wand in diesem Raum. Diesmal ist es die blaue D-Moll-Akkord-Wand. Das Gelb der Glasscheibe und das Blau der Wand mischen sich zu Grün. Unsere C-Dur-Tonleiter klingt also weder gelb (ionisch) noch orange (aeolisch), wie bei den beiden anderen Wänden. Dieses Grün benennen wir dorisch. Außerdem fällt uns beim Üben wieder auf, dass der Grundton nicht mehr C ist, sondern durch die blaue D-Moll-Akkord-Wand plötzlich zu D wurde. Unsere gelbe C-Dur-Tonleiter-Glasscheibe auf die blaue D-Moll-Akkord-Wand projiziert gibt also D-Dorisch über einem D-Moll Akkord.
Das gleiche kann ich nun mit den restlichen vier Wänden in diesem Raum der Kirchentonleiter machen. Durch die Abweichung der Farbe der Glasscheibe in Relation zu den Farben der Wände ergeben sich für die Modi jeweils unterschiedliche Klangfarben. Das sind die sieben Modi der Kirchentonleiter.
In einem pentatonischen Raum kann ich dasselbe Prinzip anwenden. Nur habe ich nun eine Glasscheibe, deren Gelb nicht der C-Dur-Tonleiter, sondern in der C-Dur-Pentatonik der 1.Dur Lage entspricht. Der Raum hat nur fünf Wände. Als Ergebnis erhalte ich im pentatonischen Raum nicht die sieben Modi der Kirchentonleiter, sondern die fünf Modi, die wir mit 1.Dur-Lage (über C-Dur), 2.Dur-Lage (über D-Moll), 3.Dur-Lage (über E-Moll), 4.Dur-Lage (über G-Dur) und 5.Dur-Lage (über A-Moll) bezeichnet haben.
Kann man die C-Dur Tonleiter nur über einen C-Dur Akkord spielen?
In dem Raum mit den bunten Wänden haben wir gelernt was passiert, wenn man die Töne ein und derselben Tonleiter in Bezug zu verschiedenen Akkorden setzt. Man stellt dann fest, dass die C-Dur Tonleiter dorisch klingt, wenn man sie über D-Moll spielt. Sie klingt phrygisch, wenn man sie über E-Moll spielt, etc. Die vollständige Aufstellung findet sich im folgenden Absatz, bzw. in der Tabelle im Anhang an diesen Thread:
Die Klangcharakteristik der Modi am Beispiel der C-Dur Tonleiter
C D E F G A H C: klingt Ionisch, gespielt über C-Dur (Tonika)
D E F G A H C D: klingt Dorisch, gespielt über D-Moll (Sub-Dominante parallele Moll)
E F G A H C D E: klingt Phrygisch, gespielt über E-Moll (Dominante parallele Moll)
F G A H C D E F: klingt Lydisch, gespielt über F-Dur (Sub-Dominante)
G A H C D E F G: klingt Mixolydisch, gespielt über G-Dur (Dominante)
A H C D E F G A: klingt Aeolisch parallele Moll, gespielt über A-Moll (Tonika parallele Moll)
H C D E F G A H: klingt Lokrisch, gespielt über H° (Verminderte)
Was ist ein Grundton und was ein Anfangston?
Um vor Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich kurz den Unterschied zwischen Grundton und Anfangston erklären. Wird zu einer Begleitung von einem Akkord oder von mehreren Akkorden gespielt, entscheidet nicht der Anfangston einer Skala oder Melodie über das Erklingen eines bestimmten Modus sondern der Bezug dieser Skala zum darunter liegenden Akkord. Dieser Akkord definiert den Grundton der Tonleiter. Spielt man hingegen nicht real zu einer Akkord-Begleitung, sondern spielt man beispielsweise Tonleiterübungen, fühlt man eher den Bezug zu einem Grundton. Bei Tonleiter-Übungen ist der Anfangston daher zumeist der empfundene Grundton.
Achtung: Das sollte aber nicht zu der Täuschung verleiten, dass beim Spielen zu einem Akkord der Anfangston meiner Tonleiterübung den Grundton definiert. Zur Erklärung verwende ich das C als Grundton. Zur Vereinfachung nehmen wir an, wir spielen nur über einen einzigen Akkord, nämlich C-Dur. Mit den Tönen C D E F G A H - C bleibt die Klangcharakteristik immer ionisch, egal in welcher Reihenfolge und mit welchem Anfangston diese Töne über C-Dur gespielt werden! Das heißt: zu einem C-Dur Akkord klingt das gesamte Big Picture (mit Ausnahme der Blue Note) IMMER ionisch ganz egal wie und ich in welcher Reihenfolge ich die sieben bunten Punkte spiele!
Die richtige Verwendung des Grundtons im Big Picture
Zum einfachen Verständnis spielen wir die ionische Skala vom Grundton C über dem Akkord C-Dur. Dazu sucht man sich das C auf der tiefen E-Saite auf der Gitarre (8. Bund) und legt gedanklich den großen violetten Punkt am untersten Strich des Big Pictures über dieses C am 8. Bund. Eine Melodie in ionischer C-Dur kann nun mit jedem beliebigen Ton der C-Dur Tonleiter beginnen. Will man nun aber eine dorische Skala zum Grundton C auf einem C-Dur Akkord spielen, so heißt das nicht, das man den roten Punkt am C belässt und einfach ab dem Anfangston D (großer blauer Punkt) zu spielen beginnt. Denn dann spielt man immer noch eine ionische Skala. Um eine dorische Skala zum Grundton C zu spielen, legt man gedanklich den großen blauen Punkt aus dem Big Picture auf das C, also auf den 8. Bund der tiefen E-Saite. Dann spielt man die Tonleiter, indem man die bunten Punkte im Big Picture der Reihe des Regenbogenaufbaus entlang greift. Es fällt nun auf: Daraus ergeben sich Töne für die C-Tonleiter, die nicht in C-Dur sind! Wo die ionische C-Tonleiter aus den Tönen C - D - E - F - G - A - H - C besteht, besteht die dorische C-Tonleiter aus den Tönen: C - D - Eb - F - G - A - Bb C. Hier ist eine vollständige Aufstellung aller Modi zum Grundton C zur Veranschaulichung:
Die Klangcharakteristik der Modi am Beispiel Grundton C
C D E F G A H C: Ionische Tonart, Grundton ist der große violette Punkt
C D Eb - F G A Bb - C: Dorische Tonart, Grundton ist der große blaue Punkt
C Db - Eb - F G Ab - Bb - C: Phrygische Tonart, Grundton ist der große grüne Punkt
C D E F# - G A H - C: Lydische Tonart, Grundton ist der kleine grüne Punkt
C D E F G A Bb - C: Mixolydische Tonart, Grundton ist der große gelbe Punkt
C D Eb F G Ab Bb - C: Aeolische Tonart parallele Moll Tonart, Grundton ist der große rote Punkt
C Db Eb F Gb Ab Bb - C: Lokrische Tonart, Grundton ist der kleine violette Punkt
Dur- und Moll-Tonleiter Entsprechungen zu den Modi am Beispiel Grundton C
Sieht man sich die Töne der einzelnen Modi genauer an, erkennt man sofort, dass man diese Modi auch als Dur- oder Moll-Tonleiter verstehen kann. Nun ist es interessant zu analysieren, welchen Dur- und Moll-Tonleitern die einzelnen Modi entsprechen. Hier ist die Auflistung:
C D E F G A H C: C-Ionisch entspricht: C-Dur, A-Moll
C D Eb - F G A Bb - C: C-Dorisch entspricht: Bb-Dur, G-Moll
C Db - Eb - F G Ab - Bb - C: C-Phrygisch entspricht: Ab-Dur, F-Moll
C D E F# - G A H - C: C-Lydisch entspricht: G-Dur, E-Moll
C D E F G A Bb - C: C-Mixolydisch entspricht: F-Dur, D-Moll
C D Eb F G Ab Bb - C: C-Aeolisch entspricht: Eb-Dur, C-Moll
C Db Eb F Gb Ab Bb - C: C-Lokrisch entspricht: Db-Dur, Bb-Moll
Der Gitarrist, der im gelben Raum bunte Skalen spielt
Um wirklich alles ganz richtig zu verstehen, unternehmen wir nun auch noch ein weiteres Gedankenexperiment.
Bitte beachten: die Farben der folgenden Analogie entspricht wiederum nicht den färbigen Punkten am Big Picture
Das folgende Farbschema in der Gitarren-Raum-Analogie hat wie in der Analogie oben nichts mit den Farben der Punkte am Big Picture zu tun!
Wir nehmen wieder unsere Gitarre, die beim Spielen einer Tonleiter eine Glasscheibe in der Klangfarbe der gespielten Tonleiter erzeugt. Nur diesmal spielen wir nicht wie zuvor immer den gleichen Modus, sondern variieren die Modi, immer ausgehend vom Grundton C. Also: C-Ionisch, C-Dorisch, C-Phrygisch, C-Lydisch, C-Mixolydisch, C-Aeolisch und C-Lokrisch.
Dann begeben uns in einen neuen Raum. Dieser Raum ist dreieckig und hat drei Akkord-Wände. Alle drei Wände sind gelb, variieren aber in ihrem Gelbton ein wenig. Viel auffälliger ist allerdings die Geometrie der Wände. Auch sie sind dreieckig und haben drei Seiten, die aus Prime, Terz und Quinte bestehen. Die erste Akkord-Wand wirkt aufgrund der kleinen Terz sehr klein, die zweite aufgrund der großen Terz sehr groß. Besonders fremdartig wirkt die dritte Wand. Sie hat neben der kleinen Terz eine verminderte Quinte, was sie im Auge des Betrachters sehr unharmonisch und unproportional wirken lässt. Und jetzt erkennen wir auch: aufgrund dieser speziellen Geometrie wird das einfallende Licht unterschiedlich gebrochen. Darum haben die drei Akkord-Wände variierende Gelbtöne.
Zuerst spielen wir in dem gelben Dreiecks-Raum eine Improvisation in der C-Ionischen-Skala. Wir spielen sie auf die gelbe C-Dur-Akkord-Wand, das ist die mit der großen Terz.
Schauen wir nun durch unsere gelbe C-Ionische-Tonart-Glasscheibe auf die gelbe C-Dur-Akkord-Wand, so mischt sich das Gelb der Glasscheibe mit dem Gelb der Wand. Wir sehen ein intensives Gelb: das ist C-Ionisch über einem C-Dur Akkord. Wir kennen diese Klangfarbe bereits von unserem ersten Besuch in dem Bunten Raum. Nun wollen wir die Klangfarbe einer anderen Glasscheibe in diesem Raum ergründen.
Als nächstes projizieren wir eine rote C-Aeolisch-Glasscheibe auf die gelbe C-Moll-Wand, das ist die mit der kleinen Terz. Das tun wir deswegen, weil die C-Dur-Akkord-Wand hat eine große Terz (E), die C-Aeolische Skala eine kleine Terz (Eb). Das würde dissonant zueinander klingen. Wir verwenden die C-Moll-Wand, weil der Modus VI ist ein Moll-Stufenakkord (Tonika parallele Moll). Vergleiche dazu mein Post in diesem Thread zu den Stufenakkorden unter der Überschrift: Tonart bestimmen.
Das Rot der C-Aeolisch-Glasscheibe und das Gelb der C-Moll-Akkord-Wand mischen sich zu Orange, die Klangfarbe kennen wir auch aus dem bunten Raum. Dort hatten wir jedoch unsere Improvisation durch die gelbe C-Dur-Tonleiter-Glasscheibe auf die rote A-Moll-Akkord-Wand projiziert, was zu einem Grundton A geführt hat. Beim Improvisieren im dreieckigen Raum bestätigt sich, dass der Grundton in diesem dreieckigen Raum C bleibt.
Nun wollen wir auch die dritte Wand noch testen. Dazu projizieren wir unsere Improvisation durch eine violette C-Lokrisch-Glasscheibe auf die gelbe C°-Akkord-Wand, das ist die mit der kleinen Terz und der verminderten Quinte. Das tun wir deswegen, weil die C-Lokrische Skala eine kleine Terz (Eb) und eine verminderte Quinte (Gb) hat. Wir verwenden die C°-Wand, weil der Modus VII ist ein Verminderter-Stufenakkord.
Das Violett der C-Lokrischen-Glasscheibe und das Gelb der C°-Akkord-Wand mischen sich zu einem Grau. Die so gemischte Farbe ist zwar nicht so ansprechend wie andere Mischungen, aber was solls. Auch die nun gemischte Klangfarbe kennen wir bereits aus dem bunten Raum. Dort hatten wir jedoch unsere Improvisation durch die gelbe C-Dur-Tonleiter-Glasscheibe auf die violette H°-Akkord-Wand projiziert, was zu einem Grundton H geführt hat. Beim Improvisieren im dreieckigen Raum bestätigt sich wiederum, dass der Grundton in diesem dreieckigen Raum C bleibt.
Zu welchen Akkorden darf man die einzelnen Modi der Kirchentonleiter spielen?
Aus der vorhergehenden Analogie geht unter anderem hervor, dass es drei unterschiedliche Akkorde gibt, die als Basis der verschiedenen Modi der Kirchentonleiter dienen. Daraus ergibt sich, dass folgende Modi über diese drei Akkord-Typen gespielt werden können:
- Dur-Akkord: Ionische, Lydische und Mixolydische Tonleiter
- Moll-Akkord: Dorische, Phrygische und Aeolische Tonleiter
- Verminderter Akkord: Lokrische Tonleiter
Das Ganze ist aber nur eine Teilerkenntnis. Es gibt in diesem Zusammenhang diverse avoid notes - also zu vermeidende Noten. Diese Töne werden deswegen so bezeichnet, weil gewisse Töne einer Skala über bestimmten Akkorden dissonant klingen. Ich verzichte aber auf eine Aufstellung der zu vermeidenden Töne, weil das subjektive Empfinden von Mensch zu Mensch etwas unterschiedlich ist. Aber eigentlich deswegen, weil die zu vermeidenden Töne nun eben mal Bestandteil dieser Modi der Kirchentonleiter sind. Im Kontext und in Kombination zu harmonischen Tönen kann man mit den Disharmonien sehr schöne Effekte erzielen! Und diese Freiheit sollte sich jeder nehmen und sich nicht vorschnell durch Verbote oder Vermeidungen nehmen lassen.
Weiters kann man die drei Akkord-Typen durch Hinzufügen markanter Töne aus dem jeweiligen Modus besser an die Klangfarbe der einzelnen Modi anpassen. Dies ist besonders im Songwriting und in der Komposition sehr hilfreich, würde hier allerdings zu weit führen. Das Post ist ohnedies schon ausufernd
Eine sehr gute und detaillierte Erklärung zu den avoid notes und den erweiterten Akkorden findet Ihr bei Interesse unter:
http://msjipde.uteedgar-lins.de/ms-primer-4-2.html
Zwei prinzipielle Möglichkeiten der Tonleiterverwendung bei der Improvisation
Im Prinzip gibt es zwei sehr unterschiedliche Herangehensweisen an eine Improvisation:
2) Ich bin der Gitarrist, der im gelben Raum bunte Skalen spielt:
Ich verändere bei jedem Akkordwechsel meine Tonleiter. Dies kann beispielsweise deswegen gemacht werden, um über jedem Akkord den gleichen Modus (beispielsweise Mixolydisch) erklingen zu lassen. Diese Art der Improvisation erfordert sehr große Routine, vor allem bei schnellen Akkordwechseln. Bei langsamen Blues im Bluesschema ist es leichter. Das Big Picture muss in diesem Fall bei jedem Akkordwechsel gedanklich auf den Grundton jedes neuen Akkordes projiziert werden.
1) Ich bin der Gitarrist, der im bunten Raum eine gelbe Skala spielt:
Die häufigere Art der Improvisation ist diese: Ich behalte meine Tonleiter und meine Skala über alle Akkordwechsel bei. Dadurch ändert sich der Modus automatisch über dem jeweiligen Akkord. Diese Möglichkeit besteht nur dann, wenn die Akkordfolge des Stücks auf den Stufenakkorden beruht. Vorteil: Einfachheit durch Beibehalten des Big Pictures über alle Akkordwechsel während der gesamten Dauer der Improvisation. Der Grundton der Tonart des Liedes wird durch die den Stufenakkorden zugrunde liegende Tonart definiert.
Praktisches Beispiel am Lied Knocking On Heavens Door
Nachdem ich beim Bestimmen der Tonart bereits Knocking On Heavens Door als allgemein bekanntes Beispiel verwendet habe, möchte ich zur Vereinfachung bei diesem Beispiel bleiben. Die Akkorde: GDC-C / GD-Am-Am
Variante 1) Ich verändere bei jedem Akkordwechsel meine Tonleiter:
Beim ersten Takt G-Dur projiziere ich den großen violetten Punkt aus dem Big Picture auf den dritten Bund der tiefen E-Saite meiner Gitarre. Meine Improvisation klingt nach G-Ionisch. Alternativ kann ich auch den kleinen grünen Punkt auf das G am dritten Bund der tiefen E-Saite auf meine Gitarre projizieren. Meine Improvisation klingt dann nach G-Lydisch. Projiziere ich das G auf den großen gelben Punkt klingt die Improvisation nach G-Mixolydisch. Das gleich wiederhole ich für die restlichen Akkorde. Hier die übersichtliche Zusammenfassung:
- G-Dur: G-Ionisch (großer violetter Punkt auf G), G-Lydisch (kleiner grüner Punkt auf G) oder G-Mixolydisch (großer gelber Punkt auf G)
- D-Dur: D-Ionisch (großer violetter Punkt auf D), D-Lydisch (kleiner grüner Punkt auf D) oder D-Mixolydisch (großer gelber Punkt auf D)
- C-Dur: C-Ionisch (großer violetter Punkt auf C), C-Lydisch (kleiner grüner Punkt auf C) oder C-Mixolydisch (großer gelber Punkt auf C)
- A-Moll: A-Dorisch (großer blauer Punkt auf A), A-Phrygisch (großer grüner Punkt auf A) oder A-Aeolisch (großer roter Punkt auf A)
Variante 2) Ich behalte meine Tonleiter und meine Skala über alle Akkordwechsel bei. Die Akkordfolge GDC-C / GD-Am-Am ist in G-Dur notiert. Darum projiziere ich den großen violetten Punkt aus dem Big Picture auf den dritten Bund der tiefen E-Saite meiner Gitarre. Von hier aus spiele ich konsequent Töne der G-Dur-Tonleiter: G A - H C D E F# G. Ich belasse während des gesamten Liedes diese Projektion und spiele alle sieben bunten Punkte wie im Big Picture eingezeichnet sind auf meinem Griffbrett. Dabei stellen wir folgendes fest:
- G-Dur: klingt G-Ionisch (G-Dur) beim Spielen der G-Dur-Tonleiter
- D-Dur: klingt D-Mixolydisch beim Spielen der G-Dur-Tonleiter
- C-Dur: klingt C-Lydisch beim Spielen der G-Dur-Tonleiter
- A-Moll: klingt A-Dorisch beim Spielen der G-Dur-Tonleiter
Wie klingt eine Komposition nach einem bestimmten Modus?
Abschließend möchte ich noch ein schönes Beispiel von MaBa erwähnen. Er hat in folgendem Thread ein schönes Beispiel mit Klangbeispiel gepostet, wie man eine Akkordfolge und Melodie so komponiert, dass sie nach einem bestimmten Modus klingt. In seinem Beispiel: Mixolydisch:
https://www.musiker-board.de/vb/har...tische-anwendungen-patterns-bzw-tonarten.html
Anhang (Uebersicht-Tonarten)