Also, erst einmal vorab: Mir lag eigentlich rein gar nichts daran, mich in diesem Thread größer einzumischen. Das hat sich dann eben über diese Bluesskalen-Thematik so ergeben. Ich finde, dass es da relativ viel graue Bereiche gibt. Viele der oftmals zu findenden Bluesskalen (wie auch immer sich die Interpretationen auch lesen mögen), sind an sich historisch nicht so oft zu finden.
In der Tat sehr häufig findet man über der Tonika eine "unsauber interpretierte" Terz. Und auch die "unsauber interpretierte" Quinte ist nicht ganz selten.
Aber man findet eben, speziell in Gesangslinien, oft auch so etwas wie eine große Sexte. Gerade aufwärts (also zur Oktave hin) ist das eigentlich auch ein viel leichter zu singendes Intervall. Aber diese große Sexte wird, wenn es um Bluesskalen geht, eher selten erwähnt. Kann ja aber jeder mal ausprobieren. Klingt gut, finde ich.
Nun, was du da d'rinnen erkennst, oder nicht, das ist relativ unerheblich ... Das ändert nichts daran, dass das DIE (traditionelle) Bluesskala ist. Was für spezielle und geheimnisvolle Blues-Eigenschaften hättest du denn vermutet...? Ist doch alles da, was einen Blues ausmacht (E und Bb als Blue-Note) ...
Ein E ist da nicht, sondern ein Eb. Ist aber egal, ich weiß durchaus, was gemeint ist.
Aber, auch auf die Gefahr hin, dass mir erneut jemand Provokation vorwirft (die sehe ich übrigens nicht): Wer hat denn wo und wann "DIE traditionelle Bluesskala" als solche definiert? Das ist doch immer erst dann geschehen, wenn die musikalischen Tatsachen bereits geschaffen waren - und stimmt eben oftmals auch als reiner Erklärungsversuch nicht so ganz.
Ich nenne hier mal ein anderes Beispiel, nur zur Verdeutlichung:
Im Jazz-Bereich "berufen" sich fast alle Spieler auf die Akkord/Skalen-Theorie. Das vermutlich erste nennenswertere Werk in dieser Richtung gab es von einem Herren George Russel, das "Lydian Chromatic Concept". Auf dem dort vorgestellten Prinzip basierten danach fast alle anderen Bücher, bzw. war der Einfluss unschwer zu erkennen.
Und so werden Skalen, Modes und eben Akkordzusammenhänge (bzw. Zusammenhänge von Akkorden und Skalen) seither auf die vielleicht bekannte Art und Weise gelehrt.
Das ist auch nicht ganz unsinnig, die Akkord/Skalen-Theorie ist ein weitestgehend schlüssiges Konzept.
Nur, und deshalb bringe ich das überhaupt ins Spiel, weil es sich meiner Meinung nach mit der Bluesskala etwas ähnlich verhält: Historisch betrachtet ist das dann doch nicht alles so wasserdicht, wie es die Theorie erst einmal glauben machen mag.
Da gibt es dann etliche Saxofonstudenten, die gerne so wie der Herr Charlie Parker spielen würden, und das theoretische Lehrmaterial besteht eben aus jenen Werken zur Akkord/Skalen-Theorie. Der gute Charlie hat aber fast alle seiner nennenswerten Werke eingespielt, bevor diese Theorien die breite Runde machten.
Das wäre nun noch kein Drama per se, wenn die Theorie denn wenigstens als Erklärungs- bzw. Analysewerkzeug funktionieren würde. Tut sie aber schlicht und ergreifend in sehr vielen Fällen nicht, denn der Herr Parker spielt ziemlich so, wie ihm der Schnabel (oder das Horn) gewachsen ist. Die Akkord/Skalen-Theorie muss dann tatsächlich ganz weite Umwege gehen, um diese (an sich ja vollkommen intuitiven) Dinge zu erfassen.
Und relativ ähnlich scheint es sich für mich mit der Bluesskala zu verhalten. Ich finde das übrigens ziemlich schwer vermittelbar und weiß auch tatsächlich nicht genau, wie ich es selber sehe. Am ehesten vermutlich so:
Verminderte (oder "unsaubere") Quinte: Ja, durchaus. Und ansonsten findet da eine, meist einfach vollkommen geschmacksabhängige Mischung aus Dur und Moll statt.
Wenn wir nur von der Tonika ausgehen, dann kann ich da im Prinzip alles drüber spielen, was nicht die große Septime beinhaltet. Geht man die Sache, wie weiter oben beschrieben, eher modal an, dann kann man bspw. gerne auch mixolydisch spielen. Das hat dann vielleicht eher was bluegrass- oder country-artiges. Ist aber auch eine Spielart des Blues.
Ich kann's auch eher jazzig-outside-mäßig angehen. Dann kann man bspw. vermindert spielen. Da hat man dann die verminderte Quinte und die Sexte drin.
Geht irgendwie alles. Wie ich schon sagte: Geschmackssache.
Aber bei all dem sehe ich, zumindest für mich, keine "absolute" Bluesskala. Ok, im wirklich historischen Delta Blues, bei Typen wie Robert Johnson, meinetwegen auch bei John Lee Hooker - ja, da sind etwaige Improvisationen und auch viele Gesangslinien recht nah an ziemlich moll-pentatonischem (plus gelegentlicher verminderter Quinte) Spiel. Aber selbst da gibt's auch viele andere Sachen, wie eben die erwähnte Sexte.
Und dann hat sich ja gerade das elektrifizierte Bluesspiel auch deutlich weiterentwickelt. Und das beileibe nicht nur im Jazzbereich.
Von daher finde ich es zumindest äußerst schwierig, von DER einen Bluesskala zu reden, wenn der ganze Krempel dann letztendlich doch von jedem Spieler (egal ob topmodern oder schon über ein halbes Jahrhundert in den ewigen Jagdgründen) anders interpretiert wird.
Ich gebe gerne zu, dass es, wenn man sich mit Blues beschäftigt, Sinn macht, die Moll Pentatonik mit verminderter Quinte und gezogener/getrillerter Terz anzuschauen.
Aber für mich macht es mindestens genau so viel Sinn, sich andere Dinge anzugucken.
Dummer Sack, könntest du bitte einfach direkt sagen was du sagen möchtest anstatt laufend kurze, rhetorisch wirkende und damit überflüssige Fragen zu stellen? Das wirkt auf auf mich sehr oberlehrerhaft und vor allem unnötig provozierend.
Ich sage eigentlich ziemlich direkt, was ich sagen möchte. Auch stelle ich nicht andauernd kurze, rhetorisch wirkende Fragen sondern erkläre im Gegenteil ziemlich gründlich, was ich meine.
Ja, aber nur für unser Dur/Moll-Diatonisch geprägtes Ohr ... und genau das ist ja die Faszination des Blues ... Blues ist eine melodiöse Angelegenheit (primär), deren melodiöse Eigenschaften sich dann und wann mit der Harmonik reiben. Im übrigen ist es auch eine Sache der Überzeugung und des Selbstbewuststeins, mit der man das ganze macht ...
Aber der Blues ist melodisch so stark, daß er diese Unzulänglichkeiten aushält, ja, sogar aus der Not eine Tugend macht ...
Somit befinde ich mich wohl in einer Gegenposition zu der DummerSack´schen ...
Keineswegs. Wenn du die oberen Absätze dieses Postings liest, dann wirst du hoffentlich sehen, dass ich keineswegs dogmatisch oder sonstwie an die Sache rangehe.
Auch wenn ich mittlerweile eher anderen Stilistiken zugetan bin, so habe ich in der Vergangenheit recht viel Bluesähnliches gespielt, die Einflüsse sind vermutlich nach wie vo deutlich hörbar.
Und auch ich habe natürlich, weil es ja auch kaum Anderes zu finden gab, die "typische" Bluesskala mehr als genug bemüht.
Nur habe ich für mich herausgefunden, dass es sich durchaus lohnt, da zumindest ab und an andere Wege zu beschreiten. Und irgendetwas als "DIE Bluesskala" zu beschreiben würde zumindest für mich genau so wenig richtig oder falsch wie jeder andere Ansatz sein.
Das Posting habe ich gelesen, und so soll es eigentlich auch sein. Aber dann reitet er eben auch wieder -ohne weitere Erläuterung- mehrfach darauf herum, das die allgemein unter diesem Namen bekannte Blues-Tonleiter, also eine Pentatonik mit einer zusätzlichen Note pro Oktave, der Blue-Note, nichts mit Blues zu tun habe. In dieser Art wirkt das sehr oberlehrerhaft, und das ist noch eine nette Formulierung.
Du kannst das auch gerne so nennen, wie du es wirklich findest. Aber abgesehen davon sehe ich nicht, wo ich auf etwas wirklich rumreite.
Und außerdem hat mich folgende Erkenntnis viele Jahre gekostet: Der Blues ist ein melodisches Phönomen, und jeder Versuch, diese Melodik mit (europäischer) Harmonik zu unterlegen (was das "Bluesschema" ja ist ...) muß zwangsläufig "scheitern", bzw. kommt halt das dabei heraus, was wir kennen. Ein Maximum der Adaption bilden die 7#9-Akkorde.
Aber man muß zur Kenntnis nehmen, dass beim Blues Melodie und Harmonie nebeneinander herlaufen, und zwei verschiedene Ebenenen bilden, die buchstäblich "nichts mit einander zu tun haben", und das auch gar nicht wollen ...
Soweit meine persönliche Sicht der Dinge ...
Ich kann das vollkommen unterschreiben. Aber genau deshalb finde ich auch "die" Bluesskala, in welcher Form auch immer sie gelehrt werden mag, ebenso unzureichend wie einen "westlich gelehrten" Ansatz, da sie ja auch nicht so richtig wirklich genauer erfasst, was in der Musik tatsächlich passiert.
Vielleicht sollte man ja mal einen eigenen Thread zur Bluesdiskussion anlegen...
- Der Sack