Wie geht ihr mit der Situation um an Gigs zu kommen, wenn DJ´s anscheinend beliebter sind als noch richtige Bands?
Hm, die Einsicht hatte ich schon Ende der 90er ... Ist es
noch schlimmer geworden?
Ich sehe das Problem mehr in der Positionierung der Bands.
In den 70ern hat man "Tanzmusik" gemacht - da war jeden Freitag und Samstag überall (ich stamme aus einer ländlichen Gegend im hohen Norden Bayerns) die Hölle los - warum? Weil es kein Internet gab, weil es 3 Programme im Fernsehen gab und man sich jeden Samstag/Sonntag schon für das nächste Wochenende verabredet hat.
Wir waren gut gebucht, 45-60 Gigs pro Jahr waren um 1980 drin. Dann kam die "Top40" - Zeit: noch mehr Gigs, bis weit nach der Grenzöffnung. In den 90ern ging es immer noch sehr gut - ab ca. 2000 gingen die Bookings zurück.
Danke für die kleine Zeitreise! Ich erinnere mich noch sehr gerne an die Sommer in den 80ern, wo Top-40-Bands hier in Ostwestfalen Hallen und Zelte füllten und echte Highlights für die Dorfjugend waren. Als angehender Gitarrist stand ich gerne unauffällig in Bühnennähe und schaute den Profis auf die Finger. Und musikalisch war auch für jeden was dabei ... Naja, die Charts der 80er + Klassiker aus den 70s gaben das damals auch her ...
Bei uns am Gymnasium gab's einmal im Monat eine SV-Caféteria, wo die 4-5 (!) Schulbands auftraten, teils mit eigenen Stücken, teils mit dem, was man als Gymnasiast in den 80ern fast zwangsläufig hörte: The Cure, The Police, U2, Genesis ...
Warum?
Ich glaube weil das richtige Publikum so langsam weg blieb. Internet, immer mehr Privatfernsehen.
DJs haben das was eine Top40-Formation für ein Zehntel deren Gage erledigt.
Ich behaupte mal: Musik hat bei Jugendlichen heute einfach nicht mehr den Stellenwert, den sie in den 70er/80er/90ern besaß.
Handgemachte (Rock-)Musik hatte immer die Funktion, sich von den Eltern abzugrenzen. Aber wenn die eigenen Eltern genau mit solcher Musik aufgewachsen sind?
Musik als Vehikel zur Identitätsfindung bei Jugendlichen wurde abgelöst durch Smartphones, Social Networks etc. . Vorbilder suchen sich Jugendliche nicht mehr unter Musikern sondern unter Youtubern und Video-Bloggern. Der klassische Popstar ist ebenfalls tot. Zumindest in der Form, in der noch etwas mit Musik zu tun hat.
Musik ist heute durch die massenweise günstige Verfügbarkeit zur Konsumware verkommen. Was die Musikindustrie selbst mitverschuldet hat. Aber das ist eine andere Diskussion ...
Natürlich waren früher auch nicht alle Musikfreaks, die die "richtigen" Bands hörten. Der Mainstream war schon immer dominant. Logisch. Aber mangels Alternativen (und weil eben ÖR-Radio und "Industrie" noch einen gewissen Qualitätsanspruch vorgaben, anstatt sich
komplett auf den Mainstream einzustellen) sah der Musik-Mainstream damals eben anders aus, kaufte (!) Musik und ging auch zu Live-Konzerten.
Demgegenüber steht allerdings - so kenne ich es aus unsere lokalen Szene - seit 10-12 Jahren eine zunehmende Flut an jungen Bands, gerade aus dem extremen Metal-Bereich. Mir gefällt das zwar gut, aber mehr Konkurrenz bei nachlassender Nachfrage seitens des Konsumenten sind keine gute Ausgangslage für junge Bands, wenn es um Auftrittsmöglichkeiten geht ...