Erst einmal danke, dass du dir die Mühe machst, über meine ungelenken Dichtversuche nachzudenken!
Wie wäre es damit:
Die alte Schule
kalt und starr im Sonnenschein
kein Schüler weit und breit
Spontan fällt mir dazu ein:
Krasser Sonnensturm
Ausgestorben die Schule
Mitten im August
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Kalter Dorfmorgen
Ausgestorben die Schule
wo sind die Schwänzer?
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Nicht alles vorkauen! Kunstgenuss lebt von der Freude am Entschlüsseln!
Quallenrot über Meeresglimmern, der tödliche Faden(für Meeresgetier) durchsichtig zart - bedrohlich ist das nur mit dem Wissen um die Gefahr. Sonst überwiegt die Faszination.
Es geht allerdings beim Haiku gar nicht um die gängige „Faszination“!. Aus meiner Sicht verspottet es sogar übertrieben„Faszination“. Es wirbt um eine nüchterne Betrachtung der Außenwelt. „Ich springe in die Sterne“ betont im Grunde die Fähigkeit der Sprache zur Manipulation. Das Haiku hinterfragt möglichst witzig unterhaltsam den Unsinn unserer alltäglichen Sprache.
Wenn mein Haiku oben sagt: „deine Worte im Zug rasen schneller an mir mir vorbei als die Wälder im Fenster“ betone ich die Ironie des besagten Momentes. Das Rasen der Wälder und das Rasen ihrer Worte betonen beide das Getriebene des Menschen. Während wiederum das „Plopp“ des in den Teich springenden Frosches amüsant auf unserer Taubheit im Rahmen unserer Wahrnehmungen verweist!
Ich liebe am Haiku den ironisch scharfen Gebrauch unserer Sprache! In einem anderen modernen Haiku erhob sich an einem Wintertag im Garten plötzlich ein kleiner weißer Berg und lief davon. Gemeint war ein zugeschneiter Hund.
Das Haiku will unterhalten mit der alltäglichen Unschärfe unserer Sprache, mit wir MOMENTE beschreiben. Alle benutzen wir dieses pausenlose Mischmasch von Wahrheit und Irrtum. Diese Unschärfe, die wir einerseits versehentlich und trollig von uns geben… oder eben andererseits auch gewollt, die unsere Schwachstellen zu verschleiern..,. Immer wenn ich eine meiner Haiku-Phasen habe, schüttle ich pausenlos den Kopf, wenn ich Nachrichten hören.
Die Beschränkung auf die rein sinnliche Wahrnehmung wäre allerdings eine Herausforderung - ist dies mit dem Haiku gemeint?
Ja, das Haiku spielt mit den Grenzen und der Darstellung menschlichen Wahrnehmungen! Wenn es nachts im Schlafzimmer knistert, kann das eine Maus sein, oder zusammengeknülles Papier, das sich endlich entspannt. Und hier wird klar, warum sich das Haiku auf winzige Momente konzentriert und beschränkt! Je größer die Zeiträumen, umso größer die Zahl der Unklarheiten!
Als offene Frage: Man sieht nicht, dass die Qualle tödlich ist. Das ist etwas, das man weiß.
Es gibt allerdings Farben, die intuitiv mit Gefahr verbunden werden - gelb ist eine Warnfarbe, rot ebenfalls. Zählt das noch zur Wahrnehmung oder ist dies schon Wissen oder ist per se alles, was sich nicht beobachten läßt, zum Inneren gehörig?
Ja, das ist die zentrale Frage beim Haiku!!! Ich liebe ungewöhnliche Momentaufnahme! Entsprechende Fotografen müssen sehr konzentriert durch ihren Alltag gehen. Aber entsprechende Autoren eben auch! Ganz besonderes wohl die Dichter!