Ich habe ebenfalls mit 43 vor 10 Monaten angefangen Unterricht zu nehmen, nachdem ich mir vorher ein Jahr lang mit Justin Sandercoe und seinen Büchern das Akkordspiel einigermaßen beigebracht hatte. Es war eine Art Lebenstraum, den ich früher in Teenagerzeiten leider immer wieder aufgeschoben habe. Darüber ärgere ich mich heute dumm und dusselig. Wenn ich die ganzen 15-jährigen bei uns in der Musikschule sehe und höre, könnte ich heute mit dem Kopf an die Wand rennen.
Musikinstrumente (Querflötenfolter, ich zitiere von weiter oben: "Danke liebe Eltern!") hatte ich vorher schon gespielt, Takt, Noten lesen und Gefühl für Musik hatte ich schon. Aber das Gefühl, mit meinen Fingern in so winzige, nahaneinanderliegende und gleichaussehende Saiten zu friemeln, war mir neu.
Ich bin ein sehr selbstkritischer Mensch, der mit Verlieren und Misserfolgen überhaupt nicht umgehen kann. So kriege nach 15 Minuten schlechtem Üben oft gleich den Zorn und denke mir "Hat doch keinen Sinn, wird eh nie was" usw. usf. Besonders im Unterricht klappt das, was zuhause ohne zuhörenden Lehrer oft richtig gut funktioniert, manchmal überhaupt nicht. Dann ärgere ich mich, werde noch unkonzentrierter, mache noch mehr Fehler, dann wird es mir peinlich, und so geht das dann oft bis zum Ende. Da kann ich einfach nicht aus mir raus.
Trotzdem "muss ich mir eingestehen", dass ich so langsam doch das eine oder andere besser und leichter hinkriege als vor ein paar Monaten. Die Saiten einzeln richtig treffen, Akkorde blind greifen, einige ACDC Lieder mit Backingtracks mitspielen, aus dem Buch nach Noten spielen klappt langsam, Pentatoniken werden flotter, ein bisserl was zu Backingtracks zu improvisieren geht auch schon ansatzweise. Ist halt alles immer noch 120% Konzentration und Hingucken, Krampf und schwitzende Finger. Allein wenn die Zimmertür aufgeht, verliere ich noch sofort den Faden. Frei und locker aus der Hüfte geht noch nix. Ich denke solche Dinge kriegt man in jungen Jahren dann doch schneller auf die Reihe als jetzt mit 43.
Was mir auch nach fast einem Jahr noch unfassbar schwerfällt bzw. gar nicht geht ist dieses blöde Powerchordspiel. Ich kriege meine Finger einfach nicht auseinander, was ich auch mache, wie lange ich auch dehne und übe. Keine Ahnung, was 90% der Gitarristen auf Youtube und anderswo für Gelenke in den Fingern haben. Meine Finger kommen gerade aus meiner Handfläche, da muss ich Gewalt anwenden um sie V-förmig zu spreizen. In Vielem sehe ich Verbesserung, nur da nicht. Das finde ich sehr schade, da mir das momentan vieles von dem, was ich eigentlich gerne mal lernen können würde, verwehrt. Ich dachte einfaches Rammstein Geschrammel oder eben langsamen Powerrock bzw, Rythmusgitarre mit viel Powerchords würde ich auf meine "alten Tage" vielleicht noch auf einem halbwegs anhörbaren Niveau hinbekommen, aber die Finger wollen da einfach nicht.
Mein Ziel ist es, irgendwann mal mit einer spaßhabenden Hobbyband aus Ähnlichaltrigen einfach ein bisschen mitspielen zu können. Nicht der zu sein, der dauernd rauskommt, sondern einfach mitzumachen. Musik zu machen, die ich selbst gerne höre. Mein Idol Chris Rea werde ich nicht mehr erreichen, aber wenn ich mal im Stehen ohne dauernd auf die Klampfe gucken zu müssen, ein halbes Stündchen 5 Lieder frei spielen kann, die mir gefallen, dann bin ich zufrieden. Ich habe mir vor kurzem eine Gibson SG kaufen dürfen, mit der Vorgabe meines weiblichen Finanzvorstandes, dann bis Weihnachten der Familie endlich mal was vorspielen zu müssen. Naja, das ist eine Sache, die ich gerade versuche, hinzukriegen.
Wenn es beim Üben nicht läuft reg ich mich auf und die Gitarre hängt nach 30 Minuten an der Wand. Dann dauert es 5 Minuten und ich hab sie wieder in der Hand. Ich hab Familie und übe wenn dann oft abends und nachts, oft auch ohne Verstärker. Je nach Zeit übe ich an guten Tagen 1-3 Stunden, im schlechten Fall nur mal kurz. Tage, an denen ich die Gitarren gar nicht in der Hand habe, gibt es eigntlich nur, wenn wir mal unterwegs / außer Haus sind.
Mein Sohn, 12, spielt E-Schlagzeug und wir wollten eigentlich dieses Jahr zusammen bei seinem Vorspielen "Achy Breaky Heart" spielen, aber er übt einfach nicht und hat da leider noch nicht die großen Ambitionen... Das wäre natürlich mal eine Sache, die mir Freude machen würde, mit ihm zusammen zu spielen. Aber ich will ihn da nicht drängen, das muss von alleine kommen. Und vielleicht kommt's ja auch noch irgendwann.
Ja, das war so mein gitarristischer Werdegang. Ich würde gerne in die Zukunft gucken und sehen, was ich in 5 Jahren kann. In 10. In 20. Das wäre toll.
Aber so versuche ich weiter, jede Verbesserung bewusst wahrzunehmen. Und Spaß habe ich allemal.