Etwas präziser. Angenommen, ich hätte Aktien von dem Gibsonwerk. Natürlich habe ich die Aktien gekauft, als sie günstig zu haben waren. Jetzt warte ich, bis die Kurse steigen und will verkaufen, wer würde denn Aktien kaufen, deren Kurs hoch ist? Das wird von Finanzberatern so dargestellt. Verstehe ich nicht so wirklich.
Es gibt da die sog. FOMO (Fear of missing out). Wenn der Kurs einer Aktie z.B. schnell stark ansteigt, bekommen viele "Angst" etwas zu verpassen und kaufen dann in die steigenden Kurse ein. Viele denken halt, dass eine Aktie, die ihren Wert z.B. verdoppelt hat, immer weiter steigt. Die Anleger, die früh eingestiegen sind, als das Unternehmen unbekannt war oder gerade schlechte Stimmung herrschte freuen sich, weil sie einen "Dummen" finden, der ihnen ihre Aktien abnimmt. Was schnell steigt, fällt i.d.R. auch wieder runter. Dumm gelaufen ist das für die, die weit oben eingekauft haben, weil sie nichts verpassen wollten und an weiter steigende Kurse geglaubt haben. Entweder verkaufen sie dann mit Verlust, weil sie Angst haben, noch mehr Geld zu verlieren oder versuchen es auszusitzen, bis wieder bessere Kurse oder sogar neue Allzeithochs geknackt werden. Das hört sich in der Theorie ziemlich einfach an, aber manchmal sind diese Kursstürze auch nicht von Dauer und es geht wieder aufwärts. Wenn es sich nur um einen kurzfristigen Trend gehandelt hat, kann es natürlich passieren, dass die Kurse nie wieder ihr altes Niveau erreichen. Ein bekanntes Beispiel ist die Telekom-Aktie. Diese wurde sogar als "Volksaktie" beworben und was passiert ist, sollte jeder wissen.
Bei Gitarren als Wertanlage/-erhalt wäre ich vorsichtig. Fakt ist, dass es Instrumente sind. Diese wurden dafür gebaut, dass man damit Musik macht. Es gibt natürlich immer wieder ein paar Modelle, die Begehrlichkeiten wecken, weil Gitarrist XY damit ein unvergessliches Solo eingespielt hat und diese Instrumente nicht mehr in Massen verfügbar sind. Wenn ich natürlich auf einem Hinterhofflohmarkt eine unverbastelte Gibson Les Paul von 1959 klar machen kann, gehöre ich zu den Glücklichen. Eine stinknormale Fender USA Strat oder Gibson Les Paul Standard wird i.d.R. aber nie solche Begehrlichkeiten auslösen. Obwohl man auch sagen muss, dass der Vintagemarkt ziemlich verrückt ist. Kaum wird mal ein Gitarrenmodell, Amp, Pedal usw. wiederentdeckt, welches es jahrelang für kleines Geld zu kaufen gab und heute rarer geworden ist, steigen die Preise, weil z.B. Gitarrist XY oder Sound AB wieder im Trend ist.
Man muss sich nur einmal in den Foren umsehen, was das alles geschrieben und behauptet wird. Grundsätzlich klingen ja die alten Modelle besser als die neuen, die ja so schlecht verarbeitet sind und mit billigen Komponenten versehen sind. Selbst Ladenhüter wie 70er Jahre Strats, die lange keiner haben wollte, werden teurer, weil die richtig begehrten Teile vom Markt sind oder unerschwinglich. Wenn diese dann alle in den Vitrinen stehen, geht es mit den JV-Strats der frühen 80er aus japanischer Produktion weiter. Das sind z.B. auch wirklich gute Gitarren, aber man muss ehrlicherweise auch sagen, dass der Hype darum entstanden ist, weil die Modelle aus US-Produktion, die kurz davor produziert wurden, eine lausige Qualität hatten. Das BOSS HM-2 aus japanischer Produktion klingt generell besser als das aus taiwanesischer. Das ist eine unumstößliche Internetwahrheit
Dinge wie Serienstreuung usw. oder auch persönlicher Soundgeschmack werden dabei bewusst ignoriert.
Wenn es rein um die Qualität gibt, müssen wir uns nichts vormachen. Heute bekommt man für kleines Geld weitaus mehr davon, als noch vor 30-40 Jahren. Die Auswahl war kleiner und Produkte aus fernöstlicher Produktion waren größtenteils einfach nur schlecht. Ich kann mich noch sehr gut an die 90er erinnern, wo "Made in China" für unspielbar stand und selbst die ersten mexikanischen Fendermodelle waren teilweise grauenhaft verarbeitet (Squier-Series
).
Außerdem sehe ich das Risiko, dass das Interesse an Gitarren in Zukunft sinken wird. Die Jugend von heute interessiert sich nicht mehr so dafür, weil einfach andere Musik im Trend ist, die keine Gitarren braucht. Die Gitarrensounds von heute sind auch anders. Sieht man sich die jüngeren Youtuber an, sind viele dabei, die mehr in Richtung Metal gehen. Da löst eine 7-Saiter ESP Custom mehr Begehrlichkeiten aus, als eine 1965er Strat (die Strat würde aber bestimmt auch keiner ausschlagen
).
Man sieht es doch auch hier im Forum. Bis Mitte der 2010er war hier richtig was los. Andauernd sind neue Einsteiger dazu gekommen. Die letzten Jahre ist es viel ruhiger geworden. Warum soll jemand, der keine Affinität zu Gitarren oder -musik hat in ein paar Jahren eine Stange Geld für eine 1994er Gibson Les Paul Standard auf den Tisch legen, weil diese noch aus dem "guten" Holz gebaut wurde und weniger Löcher hat?
Ich glaube, dass das Angebot die Nachfrage da übersteigt. Es bringt mir auch nichts, wenn eine Gitarre theoretisch, laut Katalog, Gutachter usw. 5.000€ wert ist, aber sie niemand kaufen will. Ich darf ja noch nicht einmal einen defekten Draht austauschen, weil die Gitarre dann nicht mehr im Originalzustand ist.
Meiner Meinung nach sind Gitarren eine Investition, aber weniger für die Rente, als für den eigenen Spaß. Der Spaß, den man hat ist dann so etwas wie die Dividende bei Aktien.