Ich spiel mit meiner Doom-Band zwei 100W-Topteile an einer 4x12er Orange (die zum Glück 400W abkann). Das sieht natürlich absolut nach dicker Hose aus, aber folgendes ist bei uns der Fall:
Die Dinger laufen so ziemlich auf Höchstleistung.
Und JA, das IST laut! Allerdings auch wieder nicht soo laut, wie manch einer glauben mag: Ich spiele grundsätzlich ohne Gehörschutz und geh jedesmal ohne Ohrenklingeln nach Hause.
Zum einen mögen wirs einfach schööön laut, aber zum anderen hat unser Drummer auch ein ziemliches Pfund. Wir nehmen nichtmal die Bassdrum ab und trotzdem hatte mein 50W-Vollröhren-Combo bei der ersten Probe nicht ausreichend Leistung.
Das hätte ich NIE für möglich gehalten, zumal ich auch schon mit 15W-Topteilen gespielt hab.
Was ich damit sagen will: ob ein sackschwerer Turm oder ein kompakteres Besteck angemessen sind, hängt einfach von den Umständen ab. Wenn man in einem großen Proberaum mit einem lauten Drummer spielt, der viel schluckt (nicht der Drummer, der RAUM!), dann können 20W-Amps schnell mal die Puste ausgehen. Auch live war ich schon in kleinen Clubs ohne PA mit 15W Vollröhre komplett aufgeschmissen - bei einer beschissenen Akustik muß der Drummer nicht mal besonders laut spielen, um vor allem mit den Becken alles wegzubolzen an Frequenzen jenseits von 1kHz.
Ich für meinen Teil werde mir nie wieder ein Setup zulegen, was unterhalb von 100W dimensioniert ist. Das das vielleicht schööön fett auf der Bühne aussieht, ist mir ziemlich wumpe.
In meiner Death Metal Kapelle kommt ein Pedalpreamp an einer zukünftigen Transistorendstufe mit 1HE zum Einsatz, was wiederum eine 2x12er befeuert. Das sieht so krass aus, wie ein alter Lada auf ner Indycar-Strecke...
Ich finds also wenig hilfreich, Setups mit Leistungsreserven wie vor 30 Jahren grundsätzlich als nicht mehr zeitgemäß und als pure Angeberei abzutun.
WENN es die Umstände zulassen, bin ich aber auch dafür, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und allein nach dem Optimum für Sound und Transportabilität zu suchen.
Schon oft von mir dabei genannt sind etwa Mustasch, die mit Ihren 1W-Combos hinter der Bühne einen astreinen, fetten Sound vor die Bühne klatschen, auf der nur ein Schlagzeug und 4 Musiker stehen. Das geht aber eben nur, wenn man sowohl im Proberaum als auch live IMMER unter professoniellen Bedingungen spielen kann.
Spätestens, wenn in einem Punkschuppen trotz aberwitziger Akustik nichts abgenommen wird, weiß man, wozu anno 2015 noch 100W-Amps hergestellt werden...