Liest sich ja alles wieder wunderbar. Man sollte mal feststellen, was man so unter Berufsmusiker versteht. Die Eingangsfrage war doch wohl, wer lebt von der Musik. Ich denke mal die wenigsten können davon leben abgesehen von den paar wirklichen Größen. Aber das ist ja nicht die Tagesordnung. Diese sieht, wie ich schon öffter berichtet habe doch ganz anders aus.
..200 Gigs pro Jahr zu spielen, das ist körperlich + mental nur möglich, wenn du ausschließlich Musik machst - solange da noch eine andere (reguläre) Arbeit gemacht werden muß, kannst du das auch vergessen!
Da muss ich leider widersprechen. Ich bin der Ansicht, dass es ohne eine zusätzliche Einnahmequelle nicht mehr geht, es sei denn man wohnt nicht in Deutschland. Ich habe noch ein Geschäft welches meine Frau führt. Ohne dieses wäre ich wohl schon längst verhungert. Die anderen Bandmitglieder haben davon gelebt. Aber fragt nicht wie. Das hat nur funktioniert weil ich die Kosten für PA, Logistik und was sonst noch so rundherum anfällt übernommen habe.
Die Gagen für die sogenannten Berufsmusiker sind doch total im Keller und für mich stellt sich die Frage wie lange das mit den tingelden Musikern überhaupt noch geht. Die Semiprofis und die Bands aus dem Osten Europas haben und doch eigentlich das Wasser schon lange abgegraben. Wer es nicht glauben will hier mal die realistischen Zahlen:
Clubgeschäfte (2 Wochen vor Ort, von jeweils Mittwoch bis Sonntag)
Mittwoch 21 Uhr bis 01 Uhr 250,--
Donnerstag 21 Uhr bis 01 Uhr 250,--
Freitag 21 Uhr bis 3 Uhr 500,--
Samstag 21 Uhr bis 3 Uhr 500,--
Sonntag 15:30 Uhr bis 19 oder 20 Uhr 250,--
Das ist noch das optimale Geschäft. Einige Clubs haben Mittwochs und Donnerstags schon garnicht mehr auf. Also, 500,-- weniger in der Tasche. Die Preise sind netto. Hiervon kassiert die Agentur 8%. Das ganze dann durch sechs geteilt.
Galageschäfte laufen sicher etwas besser aber die hat man halt nicht jede Woche. Die liegen in der Regel zwischen 2800 und 3500 . Hiervon laufen im Jahr ca. 10. Manche haben Glück und kommen auf ein paar mehr. Aber die meisten haben eher weniger.
Im benachbarten Ausland sind die Preise nicht viel besser. In Holland haben wir pro Tag 480 wobei dort über 15 Tage jeden Tag gespielt wird. Agentur kassiert 11%. In der Schweiz werden 1000 SF gezahlt. Abzüglich der Steuer und der Agentur die auch mit 11% zu Buche schlägt bleibt da auch nicht die Welt. Spieltage auch hier immer 15 hintereinander. In Spanien werden noch ganz gute Gagen bezahlt, aber auch hier läßt es nach. Dort laufen Geschäfte aber nicht unter drei Monaten. Das heißt, 91 (einundneunzig) Tage voll durch, meist von 23 Uhr bis 5 oder 6 Uhr. Schlafen am Tag bei der Hitze geht fast garnicht. Nach einem Monat liegen die Nerven blank, im zweiten Monat ist die Band meisten schon auseinander und man macht nur noch sein Ding weil man den Vertag unterschrieben hat. Einige meiner Kollegen haben Wohnungen auf Malle weil sie 2/3 des Jahres dort spielen. Das ist dann auszuhalten. Was dann noch bleibt sind die Jobs auf dem Schiff. Laufzeit mindestens einen Monat, die meisten wollen aber, dass man für drei Monate unterschreibt. Gage dort ist auch nicht schlecht aber auch dort jeden Tag auf die Bühne und lächeln selbst wenn Dich die Seekrankheit dahin rafft.
Der Einsatz von Mitteln ist schon enorm. Wir haben auf der Bühne für ca. 60 000 Klamotten stehen. Über den Preisverfall möchte ich nicht wirklich nachdenken. Man muss mit der Zeit gehen was heißt, die Technik veraltert recht schnell und so muß man ständig irgendetwas nachrüsten. Hinzu kommt dann die Bühnenbekleidung. Nicht gerade billig und man sollte doch in einer Woche nicht zweimal das selbe anziehen.
Und nun zur künstlerischen Freiheit. Natürlich steht in jedem Vertrag drin, dass der Künstler in seiner Freiheit nicht beeinträchtigt wird. Das gilt aber doch nur auf dem Papier. Sicher muss man sich dem Puplikum anpassen. Und da hat jeder Clubbetreiber oder Veranstalter so seine eigene Meinung drüber. O-Ton: Ihr könnt spielen was ihr wollt aber.... Und wenn man dann nicht mit den Wölfen heult ist man den Laden ganz schnell wieder los.
Für mich persönlich gestaltet sich die Arbeit als "Berufsmusiker" so, dass ich, wenn ich im Umkeis vonn 200 Km um meinen Heimatort spiele, jede Nacht nach Hause fahre. Tagüber bin ich in meinem Geschäft tätig und dann gehts wieder ab zum spielen. Meine Kolleginnen und Kollegen bleiben in der Regel vor Ort in den duch die Veranstalter zur Verfügung gestellten Wohnungen. Da gibt es sicher ganz schöne aber auch die letzten Löcher. Bei den Galageschäften nehme ich mein Wohnmobil mit weil in der Regel das Hotel nicht extra bezahlt wird. Da ich keine Risiko eingehen möchte fahre ich, je nach dem wie weit es von mir zu Hause weg ist, einen Abend vorher zu Hause weg. Am nächten Tag (gegen Mittag) dann aufbau und Soundcheck. Dann die ganz Nacht Show, und danach der geliebte Abbau. Am dritten Tag gehts dann wieder nach Hause.
So. Die Endrechnung sieht dann so aus. Fünf Tage spielen 1750,-- - 8% (140,--) = 1610,-- . Wenn man es richtig rechnen will muss man noch den Treibstoff abziehen, also ca. 100 . Verbleiben 1510,-- . (Kauf von Instrumenten und PA darf man da schon nicht mehr rechnen) Pro Kopf also 251,-- in der Woche, im Monat ca. 1000 . Hiervon gehen dann so Kleinigkeiten wie Krankenkasse, Altersversorung und die täglichen Dinge des Lebens ab.
Lasst euch also nicht blenden von dem "geilen" Job. Man kommt viel herum, das stimmt, man sieht viel und lernt viele Leute kennen. Aber für diese Freiheit zahlt man einen hohen Preis. Man muss schon viel Spass an der Musik haben, ab besten ledig sein und nicht all zu alt werden wie einer meiner lieben Kollegen, den wir vor drei Monaten verloren haben. Der hatte für seine Altersvorsorge garnichts getan. Seine Frage war immer, was erwartet mich wenn ich mal alt bin und nicht mehr spielen kann. Und so geht es den meisten die ich kenne, die schon weit über 60 sind und nicht aufhören können weil das Geld in ihren jungen Jahren zum ausgeben da war und es in den letzten Jahren nicht mehr gereicht hat um noch etwas für das Alter zu tun.
Meine Band habe ich am letzten Samstag aufgelöst. Wir waren ein eingespieltes Team und wenn dann einer auf so tragische Weise die Band verläßt kommt die Stimmung nicht mehr auf. Wir haben das drei Monate probiert weil, wie es so schön heißt " the show must go on". Aber es ging nicht mehr. Das heißt nun, neue Leute suchen und alles wieder von vorne. Wieder der Kampf sich auf dem Markt zu behaupten. Ich habe lange überlegt ob ich mir das noch zumuten will. Aber eines habe ich festgestellt, ohne Musik gehts nicht und wenn es mit noch so vielen Umständen verbunden ist.
Ich hoffe mal ich habe den Leser jetzt nicht gelangweilt. So und nicht anders sieht die Realität aus.