Hi Freunde des guten Geschmacks!
Anbetracht des recht günstigen Preises von 699,- (MusicStore) bzw. 649,- ("BIG-T") wundere ich mich noch
immer, wie wenig Meinungen im Web grassieren, wo SGs sich doch unglaublicher Popularität erfreuen
(Man denke mal an die eighties!) und z.Zt. gerade P90-PU's absolut en vogue sind.
Habe mir die schwatte Katze sozusagen im Sack bestellt, da mir mangels Shop-Verfügbarkeit
nichts anderes übrig blieb, so gierig war ich auf das Teil...
Hier mein Vintage 60's-Erlebnis:
Der erste Eindruck:
Sie kam im ungeöffneten Karton, ab Naishville via Köln sozusagen, welch irre Erfahrung: eine brandneue
SG vom 24. Januar 2011, man riecht den Nitrolack. Welch Duft, neue Autos sind nichts dagegen, mmmmh!
Das Gigbag erinnerte mich mit seinem weissen Kunststoff-Innenleben leider eher an Pampers denn an mein
altes Bag mit duftem Flausch inside. Saiten noch ungespielt, Instrument beinahe noch in tune (!!!),
niegelnagelneu - schön. Vor allem sehr schwarz...
Bespielbarkeit:
Nach obligatorischem Setup von Hals, Bridge und Saitentyp perfekt, ab Werk bereits
mehr als passabel eingestellt und mit 10er Drähten bezogen. Wirklich gut spielbar, da
habe ich in den besten Läden weitaus schlimmere SG's angetestet.
Der Hals entspricht dem der SG Standard ab 1991: Das sogenannte "Slim Taper Design" liegt
einfach herrlich in der Kralle und wurde zu recht lange als "der schnellste Hals der Welt"
tituliert. Fairer Weise sollte man allerdings auch davor warnen, dass diese Hälse dafür
berühmt und berüchtigt sind, nicht gerade bruchfest zu sein. Ein Umfaller Griffbrett voraus
aus einem klassischen Tripod-Ständer bereitet diesen Beauties schnell Hals- und ihren
bis dahin stolzen Besitzern Kopfzerbrechen* (Meine alte hat auch die "SG-Narbe").
Wie bei allen SGs und deren Derivate sind die hohen Lagen sehr gut erreichbar.
Laut Gibson wurde der Sattel (immerhin) mittels PLEK-Verfahren** optimal abgerichtet,
der wirkt sehr Präzise; an der Saitenlage gibt's nichts zu mäkeln - alles entspricht
soweit guten Standards. Damit bin ich auch schon bei der...
...Verarbeitung / Ausführung:
Keine Nasen (Nitrolack und Nasen ????) im tadellosen, sehr dünnen Nitrolack-Finish, die
Griffbrettkanten (noch) etwas scharf, hier macht sich der Unterschied zum Binding bei den
Standards bemerkbar, ist eben ne neue Special. Die Verarbeitung von Griffbrett, Bünden und
sämtlichen Übergängen ist sehr sauber und weitaus besser ausgeführt als bei meiner Heritage
Cherry-Standard Baujahr 95.
Sie wirkt spartanisch, vor allem, wenn man Ewigkeiten ne Standard gespielt hat - nix mit
Mother Of Pearl, Tortoise und Block-Inlays. Die P90 unterstützen diesen Eindruck durch ihren
Plastik-Vibe ein wenig, mir wären Kappen aus Neusilber lieber (Gips die überhaupt?) trotzdem
cool. Vintage eben.
Erstaunlicher Weise musste ich (und das bestätigten mir mehrere Kollegen) feststellen, das
der Korpus tatsächlich aus einem Stück gefertigt wurde und das bei Uni-Color-Finish - WOW!
Zusammen mit denen an der Kopfplatte seitlich angeleimten Streifen besteht mein Exemplar aus
gerade einmal vier Stücken Mahagony - das kennt man sonst nur von den etwas happiger
kalkulierten Geigen von Big G. (V.O.S., Custom & Co).
Wie bereits erwähnt, ist der Lack SEHR dünn, man staunt nicht schlecht, wie schnell sich ein
kleiner Kratzer zum anderen gesellt und sich dabei der originale Holtzton en natur präsentiert!
Nach einigen Wochen deutete sich am Hals an, dass das eher matte Finish sich im Laufe der Zeit
glattpoliert und einen angenehmen Glanz entwickelt (Seither massiere und schmeichle ich ihren
Body, allerdings eher erfolglos - so schnell stellt sich der Effekt doch nicht ein...)
Der (das?) Pickguard ab Werk ist einlagig und kommt in seiner kleinen Ausführung wirklich sexy
rüber, besonders wenn er zur Farbe des Body gut kontrastiert...Geschmacksache...en gustibus non
est disputandum...
Soweit grosse Freude über zurückgewonnene Produktionsqualität bei Big G., mitte der neunziger
konnten sich anscheinend noch die Praktikanten austoben, betrachtet man so manches Detail meiner
Standard Baujahr 95', abgesehen vom...
...Sound:
Bisher könnte man meinen, Gibson bezahlt mich für meinen Kurzreport, doch fällt gleich der
erste Wehrmutstropfen. Doch vorweg: Trocken gespielt typisch SG, da kann man eine Menge
absurder Adjektive heranziehen, um dieses Erlebnis (zum 1000sten Mal) zu beschreiben.
Auffällig ist das ausgesprochen freudige Schwingverhalten: Da brummt sogar der Gurt mit,
spielt man im Stehen! Viel Sustain, bereits unverstärkt recht laut für ein Brett dieser
Machart. Mutiert im Treppenhaus beinahe zur Akustischen, möchte man meinen.
Seit ich die Gelegenheit hatte, eine 68er Special über meinen Amp*** zu testen und mich ein
P94**** am Hals meiner "alten" SG mehr als begeistert, verlangte es mich nach P180, sprich:
Eine SG mit zwei P90 musste her!!! Und jetzt kommt die Einschränkung :
Versucht man mal, ein wenig mit Feedbacks zu operieren, wird man früh mit einer fiesen
Tendenz zum Pfeifen bestraft. Lasse ich die offene A-Saite ausklingen stellt sich nur unter
Schwierigkeiten eine kontrollierbare Rückkoppelung ein; Da kippt nichts in Obertöne um - es
pfeift und quitscht wie bei Schwesterchens Kitty-Strat - eine echte Enttäuschung.
Abgesehen davon klingen die Pickups ganz anständig;
am Hals bekommt man den Woman-Tone praktisch nachgeschmissen und am Steg cruncht
es ganz antändig, wenn auch insgesamt weniger durchsetzungsfähig als man erwarten darf.
(Der Gitarrenbauer meines Vertrauens bemerkte in diesem Zusammenhang, dass die neueren
P90 von Gibson wirklich nicht so doll seien, Mr. Klxxxmann arbeite z.Zt. jedoch an einem
simplen Tweak, um die Dinger aufzuwerten, ich möchte in zwei Wochen noch einmal
vorbeischauen...) An irgend einem Punkt muss wohl gespart werden, bei einer schlichten
Gibson wie dieser kann man eigentlich froh sein, wenn es die PU's betrifft... Andererseits
wundere ich mich, was man bei einer so alten und simplen Konstruktion wie der des P90
so falsch machen kann, vor allem bei Gibson ?!!!
FAZIT:
Tja, man fängt unweigerlich an, darüber nachzudenken, ob man den Pickups mit einem Wachsbad
abhhelfen kann, so sehr geht mir als altem Rocker der Mangel an Feedback-Möglichkeiten auf
den Sack. Allerdings habe ich noch nie davon gehört, dass Pickups mit PLastikkappe
gewachst werden können, man könnte einer Menge minderwertiger Pickups auf die Sprünge
helfen, denke ich - leider hoffentlich auch diesen P90.
Da Pickups allerdings eh recht häufig persönlichen Vorlieben angepasst werden und es in-
zwischen eine ganze Reihe guter Alternativen am Markt gibt, kann man damit leben, vorausgesetzt,
man erwischt ein so gutes Exemplar wie ich. Wie bei allen aus natürlichen Werkstoffen ge-
fertigten Instrumenten besteht immer der eine oder andere mehr oder weniger starke Unterschied
zwischen verschiedenen Exemplaren der gleichen Serie. Bei Firmen, die schon seit Ewigkeiten am
Markt sind existieren sogar derart unterschiedliche Jahrgänge, dass man echt froh sein kann,
wenn man diese z.B. anhand der Seriennummer auseinanderhalten kann.
Mein Traumschiff noch lange nicht untergegangen, denn diese SG ist es mir mehr als wert, noch
in bessere PU's zu investieren. Sollte es möglich sein, diesen P90 mit geringen finanziellen
Mitteln die schlechten Manieren beim Koppeln abzugewöhnen, dann wäre die SG 60's Special in
meinen Augen ein echtes Schnäppchen - eine SG mit dem "echten" Headstock-Design für neu
unter 700,- Teuros.
Mit schwarzem Pickguard war sie mir etwas zu schlicht und beinahe konturlos, also habe ich
mir nen weissen anfertigen lassen und ich bekomme sie jetzt nicht mehr innen Koffer, weil ich
sie ständig sehen muss, welch Augenweide, sabber!...
So, ich weiss, ich tendiere meist zum Geplauder, vielleicht interessiert's ja trotzdem wen...
Keep on groovin'
Dave DeLerch
* Entfernt man bei einer SG oder Paula mit schlankem Hälschen das Abdeckplättchen über der
Stellschraube für den Halsstab, wird einem schnell klar, weshalb die Dinger so liebend gern
in genau dieser Gegend brechen, bleiben seitens der Ausfräsung gerade einmal je ein kleiner
Finger Holz. Hm, eigentlich unglaublich stabil...so gesehen...
Ich damals zum GuitarDoc: "Hi, ich habe eine Gibson SG Standard mit gebrochenem Hals..."
GuitarDoc: "Wer denn nicht ?", soviel zum Slim Taper Neck...haha!
** PLEK: Computergestütztes Analyse- und Justierverfahren, um Gitarren nahezu perfekt einzu-
richten (Halskurve, Bünde & Sattel) Cool, aber nicht billig:
http://www.plek.de
*** Verwendeter Amp: Mein heissgeliebter Marshall Jubilee 25/50 Baujahr '89, ein Amp,
der genügend Gain-Reserven besitzt, um sich "totzukoppeln", wenn es denn sein muss...
**** P94: P90-Singlecoil im Humbucker-Format. Bitte nicht verwechseln mit P100, welcher über
eine zweite sogenannte Dummy-Spule verfügt, um Einstreuungen wie ein Humbucker zu unterdrücken.
'Es gibt nur zwei Musikrichtungen: Gut und schlecht!'
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UNZEIT - Am 2.7.2011 live im Astra Kulturhaus Berlin
http://youtube.com/unzeitband
http://myspace.com/unzeit
---------- Post hinzugefügt um 14:25:03 ---------- Letzter Beitrag war um 13:58:05 ----------
Hi nochmal!
NACHTRAG:
meikii
Au BAcke! Pinselstriche ???!!! Verglilchen mit meinem Exemplar ist das mit die grösste Diskrepanz in
Sachen Gibson-Qualität, die ich in EINEM Forum bisher nachvollziehen konnte. Krass.
Wusste nicht, dass die da drüben noch pinseln....gut bei gebeiztem Finish, aber...AUA!
Habe Deinen Beitrag erst nach meiner Schreibwut richtig gelesen, jetzt hätte ich fast keine Lust
mehr, soviel zu dem Teil zu schreiben....wenn meine nicht so gut wäre eben.
Streuung bei Gibson fängt DEFINITIV bei der Stückelung der Bodies an, da kann man drei
vermeintlich identische SGs nebeneinander legen und: Streu, streu.
Iss wie bei älteren Röhrenamps, kein Modell gleicht wirklich dem anderen.
Mein Beileid und Grüsse aus Berlin
Dave
P.S.: Wie wäre es mit einem skandalösen Foto von der neuen Nitro Nasen Technologie (N.N.T.)?
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UNZEIT - Am 2.7.2011 live im Astra Kulturhaus Berlin
http://youtube.com/unzeitband
http://myspace.com/unzeit