aber den Kindern, und seien sie noch so begabt, fällt das auch nicht einfach so zu, die üben und üben und üben.
Eine rein klassisch geschulte Kinderstimme wird so früh auf dieses strenge Klangideal geprägt, daß ein späteres Umschwenken fast unmöglich sein dürfte.
Da hast du natürlich mit beidem recht. Und das Ziel bei diesen Kindern ist auch glasklar dasjenige, sie später als klassische Berufssänger auf der Opern- und/oder Konzertbühne stehen zu sehen.
Ich denke, dass ein frühzeitiges Intensivtraining die russische oder auch die asiatische Kultur sowieso kennzeichnet, nicht nur auf dem Gebiet des Gesangs. Man denke an Ballett. Mir persönlich liegt das nicht, denn hier wird die Entscheidung über einen Lebensweg quasi von vornherein dem Kind aufoktroyiert.
Auch dir stimme ich zu! Es ist ein ganz anderes Ausbildungskonzept als im Westen. In Russland hervorgegangen aus dem "sowjetischen Prinzip". Dort wurde ganz aktiv nach begabten Kindern gesucht (in der Kunst, dem Sport etc.) Diese wurden dann intensivst gefördert und zwar auf Kosten des Staates. Einer der Nachteile davon, und das weiss ich von Betroffenen selber: Kinder, die gerne etwas ausgeübt hätten auf einem Gebiet, wo sie zwar viel Freude aber keine aussergewöhnliche Begabung zeigten, vielen durch die Maschen dieses Systems und hatten keine Chance auf Förderung.
Ich wollte mit dem "russischen Beispiel" auch nur zeigen, dass es möglich ist, schon bei ganz jungen Kindern mit der intensiven (klassischen) Gesangsausbildung zu beginnen, ohne dass die Stimme dadurch zwingend geschädigt wird, resp. diese Kinder im Erwachsenenalter dann "abgesungen" sind, keine Lust mehr haben, etc.
Und etwas OT: wenn man die 2 Ausbildungssysteme vergleicht (ich sage mal etwas flapsig das östliche und das westliche), haben meiner Ansicht nach beide Vor- und Nachteile. Im östlichen wird u.a. ein nicht unerheblicher Druck auf die begabten Kinder ausgeübt. Wobei ich schon denke, Begabung bringt meist auch Spass, und ein Kind das sieht, dass es etwas sehr gut (auch viel besser als die meisten anderen) kann, wird es vermutlich im grossen Ganzen auch gern machen. Und anders als z.B. im Sport ist beim Singen ja auch kein 8-10h Drill möglich!
Andererseits finde ich das in der westlichen Wohlstandsgesellschaft übliche "das Kind muss sich ausprobieren können", "wir wollen es auf keinen Fall unter Druck setzen" auch nicht immer das Optimale! Führt nicht selten dazu, dass die Kinder von einem Hobby zum nächsten flattern (ein bisschen ein Instrument spielen, 1 Jahr Ballett, dann doch lieber reiten und wenn das zu anstrengend wird, vielleicht ein Schwimmkurs oder warum nicht segeln?) Am Schluss können die mittlerweile Teenager gewordenen von allem ein bisschen, aber nichts richtig! Wäre auch nicht weiter schlimm, wenn sie später BWL oder Jura studieren und das Segeln als nettes Hobby behalten (oder soll es doch lieber Golf sein?
), ab und zu in den Ferien auf einen Pferderücken klettern und beim Konzertbesuch wenigstens eine Ahnung haben was da geleistet wird, weil sie in ihrer Jugend selber mal eine Geige malträtiert haben
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Aber: wenn eines dieser Kinder tatsächlich auf einem Gebiet ausserordentlich begabt gewesen wäre und das erst viel (zu) später bemerkt, ist der Zug ev. längst abgefahren. Finde es in diesem Zusammenhang immer ziemlich aufschlussreich, wenn, um wieder auf die Musik zurück zukommen, gejammert wird, dass an den hiesigen MHS die viel stärkeren jungen Gesangsstudenten aus dem Osten dem örtlichen Nachwuchs die Ausbildungsplätze wegnehmen oder wenn an einem Wettbewerb der westliche Instrumentalist neben dem chinesischen oder japanischen Null Chancen hat.
Für mich läge der gute Weg irgendwo dazwischen! Den Kindern eine gewisse (kurze) Ausprobierzeit lassen, sie, bei entsprechender Begabung, dann aber mit sanftem(!) Druck dazu anhalten, dass sie zumindest für eine gewisse Zeit auch bei der gewählten Beschäftigung bleiben!