Sinn und Zweck dieses Threads ist es nicht primär irgendwelche Angebote im Hinblick auf das Instrument zu beurteilen, sondern aufzuzeigen worauf man als potenteller Käufer und natürlich auch als Anbieter generell zu achten hat.
Im vorliegenden Fall kann ich zu dem Instrument selber wenig sagen, da ich kein Gibson-Fachman bin.
So wie es ausieht, scheint das Angebot jedoch recht seriös zu sein. Woraus ist das zu schließen? Nun...
- Der Anbieter hat 100% positive Bewertungen erhalten.
- Die Seriennummer des Instrumentes ist deutlich auf dem Foto zu erkennen.
- Es gibt ein Herstellerzertifikat.
Wenn mir das nicht reicht, dann fordere ich das Zertifikat an und starte eine Anfrage zu diesem Instrument und Seriennummer beim Gibson-Support.
Der Zustand wird als Neu beschrieben. Die Fotos sind mir da etwas zu dünne. Also weitere Fotos anfordern, auf denen der Zustand der Bünde und des Korpus gut zu erkennen ist.
Mit dem Hinweis auf das Herstellerzertifikat und das Gewinnschreiben hat sich der Anbieter schon sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Stellt sich nach dem Kauf heraus, daß da doch etwas nicht stimmt, dann hat man ihn wegen Betrug am Haken. Zum Nachweis sollte man die Angebotsseite allerdings frühzeitig sichern. Sollte der Text noch verändert werden, muß das Angebot auch unmittelbar vor Auktionsende gesichert werden, da nur dieser Stand rechtlich bindent ist!
Was das maximale Gebot betrifft, würde ich mich in diesem Fall am Neupreis orientieren. Ein Abschlag von 10% bis 15% ist unter Umständen drinne. Ob man damit lang kommt ist allerdings fraglich. Das hängt entscheident davon ab, wieviele Interessenten bieten werden.
Jetzt aber zu weiteren Beispielen:
Der Zustand des Instrumentes war ja schon mehrfach Gegenstand der Diskussion. Hier zwei weitere aktuelle Fälle.
Den Anfang macht ein Musician MC-300:
Der relevante Ausschnitt des einzigen Fotos ist hier zu sehen:
Wer die Musician kennt, denn fällt sofort etwas auf. Wer sie nicht kennt, der sollte sich unbedingt schlau machen. Zum Beispiel mit dem Artikel "
Die Ibanez Musician-Serie".
Folgendes ist festzustellen:
- Es handelt sich offensichtlich um eine MC-300DS aus der ersten Epoche.
- Der Bridge-Tonabnehmer ist nicht original.
- Dort wo sich die originale Anschlußbuchse befindet, scheint ein Buchsenblech aus einer Stratocaster eingebaut worden zu sein.
Der Auktionstext lautet wie folgt:
Originale 1979 Ibanez MC300DS zu verkaufen. Bünde gut einsatzbereit. Ein paar Schrammen, aber nicht ungewöhnlich aufgrund des Alters. Hals ist sehr schön. Original Hals PUP, aber besserer bei Steg. Koffer ist auch dabei. Potis etwas verkratzt. Erste mini-Schalter funktioniert wie normale, das heißt als Ibanez Tri-sound, der Zweite ist Überall kill-switch.
Auf den anderen Tonabnehmer wird hingewiesen. Der ist natürlich besser! Was sonst? Aber das Fehlen des originalen Tonabnehmers ist ein eindeutiges Manko! Selbst wenn man einen solchen Tonabnehmer noch zur Verfügung hat, bleiben die Bohrlöcher des Humbuckerrahmens sichtbar zurück. Man kann den originalen Zustand an dieser Stelle also nicht mehr herstellen!
Daß ein so altes Instrument ein paar "Schrammen" hat, ist quasi normal. Aber der Verdacht mit der Strat-Buchse sollte schon sehr nachdenklich stimmen! Mit großer Wahrscheinlichkeit ist die originale Buchse aus dem Holz gebrochen, was bei diesen Instrumenten gerne vorkam, wenn man einen geraden Klinkenstecker benutzte. Auch wenn das ganze elektrisch einwandfrei funktioiniert, ist diese Schaden ein schwerer Mangel im Hinblick auf die Orginalität.
Hier ist es unbedingt erforderlich, weitere Detailfotos von der Buchse und dem darunterliegenden Holz anzufordern! Warum der Anbieter auf diesen Zustand nicht aufmerksam gemacht hat, ist die große Frage.
Der dritte Mangel ist der erwähnte Kill-Switch. Auch der ist nicht original!
In einem vernünftigen Zustand wird eine MC-300 aus der ersten Epoche in etwa einen Preis zwischen 400 und 700 Euro erzielen. Warum der Anbieter bei 949 Euro startet zeugt da, angesichts des Zustandes des Instrumentes, allerdings entweder von absoluter Unkenntnis oder von Realitätsverlust!
Also, "Ibanez Musician gleich geil und raus mit der Knete" geht nach hinten los. Ein Sammler wird diesen Zustand sehr aufmerksam zur Kenntnis nehmen und vermutlich kein Gebot abgeben!
Das zweite Beispiel ist eine Ibanez Concord:
Im Auktionstext heißt es unter anderem:
Der höhenverstellbare Steg hat sich an der unteren Seite im Laufe der Zeit deutlich gehoben, sitzt aber dennoch bombenfest auf der Decke. Die Saitenlage am 12. Bund ist 4mm, somit läßt sie sich noch prima spielen.
Oh, das wollen wir genauer sehen. Hier zwei Bilder:
Ja, der Steg hat sich tatsächlich abgehoben. Es scheint sich darüber hinaus auch die Decke verformt zu haben.
Möglich, daß sich das Instrument (noch) prima spielen läßt. Aber wie lange dieser Zustand anhält ist ungewiß. Immerhin handelt es sich um eine zwölfsaitige Gitarre. Da lastet schon ein deutlicher Zug auf dem Steg. Dieser Schaden muß in jedem Fall fachmännisch behoben werden. Macht man das nicht, dann reißt der Steg irgendwann mit Gewalt ab und wird mit Sicherheit die Decke beschädigen.
Ganz so locker wie der Anbieter das darstellt, sollte man das als Interessent also nicht nehmen!
Bei Interesse würde ich die Bilder einem Gitarrenbauer vorlegen und mir eine Preisindikation für die notwendige Reparatur geben lassen. Diese Kosten zieht man dann natürlich von seinem maximalen Gebot ab!
Ulf