Vielleicht ist das mit der
G.A.S. Selbsthilfegruppe für Gitarristen ja gar keine so schlechte Idee. Ich bin bei diesem Vergleich mit Drogensüchtigen gerne etwas provokant. Die Symptome sind ja nicht viel anders. Oft wird doch nur eine zeitweilige Innere Leere damit ausgefüllt, dass man sich etwas kauft, das man eigentlich gar nicht braucht, das aber zumindest vorübergehend diese Loch ausfüllt und ein positives Gefühl gibt. Der Kontostand wird überprüft und nachdem der richtige "Stoff" endlich ausgemacht ist wird der "Dealer" kontaktiert. In ganz harten Fällen wird dabei auch schon einmal in die Haushaltskasse geplündert, das Konto überzogen, oder man lässt sich auf Ratenkäufe ein, die man dann mühsam über Monate abstottert. Andere Familienmitglieder, wie die Ehefrau werden dabei einfach übergangen, oder man erfindet zum hundertsten Mal die Geschichte vom Schnäppchen, dass so niemals wieder kommt. Außerdem ist das auch wirklich die Allerletzte, danach ist endgültig Schluss. Dann beginnt die Zeit des Wartens und wenn man das manchmal verfolgt, fällt es wirklich schwer keine Parallelen zu Drogensüchtigen zu sehen. Die Tage und Stunden ziehen sich wie ein Kaugummi in die Länge, jedes Klingeln lässt uns aufschrecken, ständig wird am PC hochgefahren, um durch die Paketverfolgung zu überprüfen, wo sich das Objekt der Begierde gerade befindet.
Steht der Kurier dann endlich vor der Tür, steigen Blutdruck und Erregung noch einmal und im Bauch breitet sich dieses warme Gefühl von Glückseligkeit aus, das je nach Umfang und Größe der Dosis längere Zeit oder auch nur ganz kurz anhält. Wir packen das gute Stück aus, das ganze Leid und die Ungewissheit der vergangenen Tage ist vergessen, schnell ein paar Pix fürs Muckerboard, denn man will das Glück ja auch teilen und die Welt ist, zumindest für die nächste Zeit wieder in Ordnung. Und zwar genau so lange, bis der ganze Wahnsinn wieder von Vorne beginnt. Natürlich habe ich die Geschichte etwas überzogen dargestellt, aber ich denke das muss man, wenn man etwas vor Augen führen will.
Ob das nun wirklich so schlimm ist? Keine Ahnung, beim einen mehr, beim anderen weniger und bei einigen wenigen wohl gar nicht. Aber alleine die Tatsache, dass diese G.A.S. Geschichte hier so oft thematisiert wird, deutet schon darauf hin, dass es für den ein oder anderen zu einem echten Problem geworden ist. Ich habe es bei Gitarre Nr. 34 als ein echtes Problem empfunden. Gar nicht so sehr wegen dem finanziellen Aspekt, sondern weil ich ständig am Rechner saß und das weltweite Netz nach Schnäppchen abgesucht und immer weniger Musik gemacht habe. Das Ganze begann vor etwa 8 Jahren, also zu einem recht späten Zeitpunkt, denn ich mache bereits seit 35 Jahren Musik und endete vor 2 Jahren, als mir klar wurde, dass ich etwa 80 % meiner 34 Gitarren überhaupt nicht spiele. Dann habe ich angefangen abzubauen und entgegen meinen Erwartungen, fühlte ich mich mit jeder Gitarre die ich wieder verkauft hatte, ein wenig leichter. Momentan besitze ich noch sieben E-Gitarren (zwei Akustische und einen Bass zähle ich nicht) und mein anvisiertes Ziel sind Vier. Natürlich wird es nun immer schwieriger auszuwählen, was ich nun wirklich unbedingt brauche und worauf ich verzichten kann.
Aber es ist für mich auch ein Stück Selbsterkenntnis zu erfahren; dass immer mehr und mehr nicht unbedingt immer glücklicher und zufriedener macht. Gerade in Zeiten wie heute, wo uns Werbung und Medien (und da zähle ich auch das MB dazu) immer mehr Glauben machen, dass die Erfüllung und Zufriedenheit im grenzenlosen Konsum zu finden sind. Ich spiele seither wieder mehr und habe für andere wichtige Dinge Zeit. Trotzdem bleibt Musik; nach meiner Familie für mich die wichtigste Sache auf der Welt, schließlich verdiene ich damit ja auch auf die ein oder andere Weise meine Brötchen. Ich möchte hier nicht belehrend sein und wer meint, dass das für ihn nicht zutrifft, der sollte sich den Schuh bitte auch nicht anziehen. Aber manchmal kann es auch sehr befreiend sein, wenn man sich eingesteht, trotz all den vielen hübschen Sachen nicht glücklicher, sondern abhängiger geworden zu sein und sich irgendwann davon zu befreien. Konsum verspricht uns das sofortige Glück im Hier und Jetzt; aber die allergrößte Bedrohung für eine Gesellschaft, die das Glück zur höchsten Maxime erklärt hat, ist ein wunschlos glücklicher Kunde. Denn er kauft nichts mehr ein.
Cheers, Armin H.