Zum Thema Übintervalle: Viel wichtiger als die absolut angesammelte Übezeit sind die beiden Faktoren Regelmäßigkeit und Intensität.
Ersteres heißt, dass etwa eine halbe Stunde täglich effektiver ist als 5 Stunden am Stück nur sonntags. Der zweite Faktor bedeutet, dass Du nur so lange am Stück üben solltest, wie Du auch bei der Sache bleiben kannst. Wenn Du merkst, dass Du in dem Moment nicht mehr vorankommst, dich verkrampfst, permanent abgelenkt oder müde bist, ist das ein Signal dafür, dass Du eine Pause einlegen solltest.
Unser Gehirn, dass letztendlich alles steuert, was wir bewegungstechnisch am Instrument machen, funktioniert da nämlich so ähnlich wie der Magen: Wenn der nämlich voll ist, ist erstmal nix mehr mit Essen. Dann ist nämlich erstmal Verdauen angesagt, und was passiert, wenn man ihm dann noch etwas reinzwängen will, ist ja bekannt. Das Gehirn muss den Input genauso verdauen, und arbeitet eben in dieser Weise im Hintergrund auch dann weiter, wenn wir uns zwischendurch mit anderen Dingen beschäftigen. Und wenn wir nach einer solchen Pause wieder mit dem Üben anfangen, geht es dann meist von ganz allein auf einmal viel besser.
Zum Thema Tonleitern: Da gibt es für die klassischen Fingersätze ein paar einfache Grundregeln:
- Daumen auf weiße Tasten - Das liegt einfach daran, dass man mit der Hand ganz schön weit »in die Tasten reingehen« (wo die Hebelwirkung der Taste für die anderen Finger ungünstiger ist) oder sie ziemlich stark nach außen drehen muss, wenn der Daumen eine schwarze Taste erreichen soll. Bei vielen Stellen in der Literatur braucht man tatsächlich den Daumen auf den schwarzen Tasten, aber bei den Tonleitern geht es eben auch einfacher.
- Wenn die Töne in der Auswärtsbewegung (also mit rechts aufwärts und mit links abwärts) von einer schwarzen auf eine weiße Taste wechseln, wird diese weiße Taste mit dem Daumen gespielt, der quasi unter den langen Fingern hindurchgreift.
- Im Umkehrschluss bedeutet das, dass bei der einwärts gespielten Richtung der Tonleitern (mit rechts abwärts, mit links aufwärts) eine weiße Taste, die direkt vor einer schwarzen kommt, mit dem Daumen gespielt wird, über den dann ein langer Finger (entweder Ring- oder Mittelfinger) auf die nun folgende schwarze Taste übergreift.
- Der Grundton der Tonleiter wird, wenn er auf eine weiße Taste fällt, mit dem Daumen gespielt.
Aus diesen Grundregeln kann man sich im Prinzip alle Durtonleiterfingersätze ableiten. Als erste Tonleiter würde ich übrigens E-Dur empfehlen, da sich dort, zumindest in der Auswärtsrichtung, der Fingersatz fast von selbst ergibt und man diesen Fingersatz gleich auch auf A-, D-, G- und C-Dur übertragen kann (Letztere Tonart ist aufgrund des Mangels an schwarzen Tasten übrigens gar nicht mal so sehr für den Anfang geeignet).
Für rechts heißt das: E1 (weil Grundton und weiße Taste, siehe Regel 4), F#2, G#3, A1 (weil erste weiße Taste nach schwarzer Taste, siehe Regel 2), H2, C#3, D#4, E1 (oder 5, wenn man da fertig ist oder umkehren will, beim Weitergehen nimmt man eben 1 und der ganze Spaß geht von vorne los). Für links abwärts gilt dementsprechend: E1, D#2, C#3, H1, A2, G#3, F#4, E1/5.
Die Einwärtsrichtung ist ein kleines bisschen anspruchsvoller, weil man sich da merken muss, mit welchem Finger (3 oder 4) man über den Daumen übergreifen muss, damit man im weiteren Verlauf wieder mit dem Daumen auf der letzten weißen Taste vor einer schwarzen landet.
Am Ende kommt man durch diese Logik auf folgende Daumenpositionen für E-Dur (und damit auch für A-, D-, G- und C-Dur): Rechts Daumen auf Grundton (do) und Quarte (fa) der Tonleiter, links Daumen auf Grundton (do) und Quinte (so) der Tonleiter.
Bei allen Tonarten, deren Grundtöne auf schwarze Tasten fallen, gelten die Regeln 2 und 3 umso stärker.
Aufpassen muss man bei H-Dur und F-Dur. Davon ist H-Dur leichter, weil es nur zwei weiße Tasten enthält und die Auswahl des Fingersatzes also sehr leicht fällt. Bei F-Dur fällt die Quarte der Tonleiter (nämlich B) auf eine schwarze Taste, deshalb muss man da den Fingersatz für die rechte Hand anpassen, in diesem Fall fällt der Daumen da auch rechts auf Grundton und Quinte.
Übrigens: Obwohl H-Dur im Prinzip leichter ist, würde ich trotzdem mit E-Dur anfangen, eben weil Du diesen Fingersatz gleich auch auf vier weitere Tonarten übertragen kannst.
P.S. Molltonleitern sind ein ganz eigenes Thema. Das liegt hauptsächlich daran, dass es im Prinzip drei verschiedene Molltonleitern gibt, nämlich die natürliche, die harmonische und die melodische. Meine persönliche Devise ist, dass ich um der schnellen Abrufbarkeit und Einfachheit willen einen einzigen Fingersatz für alle drei Formen nehme, auch wenn das für die harmonische und die melodische Form heißt, dass ich dafür die oben genannten Regeln 2 und 3 teilweise außer Acht lassen muss. Das ist zum Beispiel bei b-moll-melodisch der Fall, wo ich links wie bei der natürlichen Form mit dem Daumen auf F bleibe und G mit dem Ringfinger und A mit dem Mittelfinger spiele, obwohl ich dadurch eben nicht den physiologisch sinnvolleren direkten Unter-/Übersatz vom Daumen auf einer weißen zum langen Finger auf einer schwarzen Taste habe.