Fragen zum Prinzip der rotierenden Aufmerksamkeit

Enharmoniker
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Hallo, liebe Leute,

vorab: Ich war mir unsicher, in welches Unterforum ich diesen Thread posten sollte, da er sich mit einem allgemeinen Lernkonzept für Musiker beschäftigt. Da ich es aber anhand meiner Bemühungen am Klavier festmachen möchte, habe ich es einfach mal hier reingestellt. :)

Konkret gestellt ist die zentrale Frage: "Wie setze ich dieses Prinzip denn für das Klavier eigentlich genau um?"

Gerhard Mantel beschreibt in seinem Nachschlagwerk "Einfach üben - 185 unübliche Überezepte für Instrumentalisten" das Prinzip wie folgt:

"Beim Spielen kann die Aufmerksamkeit immer nur einen einzigen Aspekt bewusst kontrollieren; das Spiel muss sich dabei auf schon Gelerntes, unbewusst Ablaufendes stützen können."
- S. 24 "7. Rotierende Aufmerksamkeit"

Wenn ich mich nicht falsch erinnere, benötigt man knapp 5 - 9 Wiederholungen, ehe man eine neue Bewegung zum ersten Mal flüssig spielen kann. Weitaus mehr Wiederholungen benötigt man jedoch, wenn man sie "einbrennen" will.
Nehmen wir als Beispiel eines der Stücke, das ich gerade erst begonnen habe:
mendelssohnzeug.png

(Takt 7 -11 aus Felix Mendelssohn Bartholdys op. 19,6 "Venetianisches Gondellied")

"Intuitiv" wäre ich wie folgt an diese Passage herangegangen:

- ich übe die Hände getrennt, beginne hier bspw. mit Links
- ich spiele langsam und möglichst präzise, bis sich der Bewegungsablauf halbwegs "normal" anfühlt und ich mich bei langsamem Tempo nicht verspiele (erfahrungsgemäß ist das tatsächlich nach [ungefähr!] 9 Wdh der Fall, solange ich noch auf die Tastatur gucke)
- danach hätte ich mir, ebenfalls mit je ~ 9 Wdh, folgende Aspekte beim Spiel näher angeschaut: sauberes Tönetreffen, Fingerkrümmung, Körperhaltung, Betonung, Dynamik
- somit hätte ich 54 Wdh einer Passage ausgeführt, ohne es darauf angelegt zu haben
- dasselbe hätte ich dann mit der RH gemacht
- dann hätte ich die Stelle vermutlich für den Tag "ruhen" lassen, hätte dieselbe Strategie beim nächsten " größeren Chunk" angewendet und am nächsten Tag versucht, die Hände zusammenzuführen

Unter der Prämsise, dass dieser Übungsablauf gerade "richtig" gewesen wäre, stellt sich mir dann die Frage:

- gehe ich beim HT-Spiel dann ebenso vor? Sprich, ich unterteile die Wiederholungen abermals in verschiedene Teilaspekte, auch wenn ich das beim HS-Spiel bereits getan habe?


Ich hoffe, mein Anliegen ist verständlich genug vorgetragen.

LG
 
Eigenschaft
 
Gerhard Mantel beschreibt in seinem Nachschlagwerk "Einfach üben - 185 unübliche Überezepte für Instrumentalisten" das Prinzip wie folgt:

"Beim Spielen kann die Aufmerksamkeit immer nur einen einzigen Aspekt bewusst kontrollieren; das Spiel muss sich dabei auf schon Gelerntes, unbewusst Ablaufendes stützen können."
- S. 24 "7. Rotierende Aufmerksamkeit"
An dieser Stelle möchte ich erwähnen, daß Gerhard Mantel ein Cellist war und sich dieses Prinzip auch leicht auf 1-stimmige Instrumente umsetzen lässt, also Bläser oder Streicher, und für Dein spezielles Beispiel für Klavier nicht so gemeint ist, wie von Dir beschrieben.

In seinem Buch schreibt er in den vorangehenden Kapiteln, dass Wiederholung das A und O ist, aber auch ein konzentriertes Üben benötigt, denn beliebige Wiederholungen ohne Konzentration oder Abwandlung der Aufmerksamkeit nach dem "Prinzip Hoffnung" funktionieren, wo der Lernende hofft, mit beliebig vielen Wiederholungen schon zum Ziel zu kommen.

Mit der "Rotierende Aufmerksamkeit" meint Mantel, dass man die Aufmerksamkeit auf verschiedene unterschiedliche Aspekte lenkt, also auf technische Ausführung, Bogenführung oder bei Blasinstrumenten die Artikulation, musikalische Ausführung, Lautstärke und Agogik, Phrasierung etc, um eben nicht in ein stumpfes Wiederholen zu verfallen, das nicht effektiv ist.

Das setzt allerdings auch schon eine gewisse Grundtechnik voraus, die natürlich auch erstmal erlernt werden möchte. In der klassischen Streicherausbildung arbeitet man schon sehr viel mit Grundmustern, angefangen mit Tonleitern, Geläufigkeit und viel technische Etüden, so dass viele Muster bekannt sind und man im Orchesterspiel schnell eine schon recht akzeptable Grundqualität hat, mit der man musikalisch weiterarbeiten kann oder einzelne schwierige Stellen dann gezielt abarbeiten kann.



Deine Beschreibung der Vorgehensweise Deines Lernens ist eigentlich erstmal der erste Schritt, nämlich das Erlernen der notwendigen Spieltechnik.
 
Grund: Ergänzung
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Hi, danke für deine Antwort erst einmal. :)

An dieser Stelle möchte ich erwähnen, daß Gerhard Mantel ein Cellist war und sich dieses Prinzip auch leicht auf 1-stimmige Instrumente umsetzen lässt
Stimmt! Die Ansätze haben mir bei meinem Hauptfach (Gitarre) jedenfalls deutlich weitergeholfen, da habe ich einfach gehofft, man könne es passend auf das Klavier übertragen. :D

konzentriertes Üben
Sicher - so wie ich das "Prinzip der rotierenden Aufmerksamkeit" verstanden habe, ist der Wechsel zwischen den Fokuspunkten während der Wiederholungen mitunter auch psychologisch wertvoll, da das Hirn durch die neue Bedingung nicht so schnell in einen "Trott" verfällt, als wenn man 50 Mal einen Takt wiederholt und nur auf eine Sache fokussiert ist. - Das geht ja mit deiner obigen Beschreibung d'accord.

Deine Beschreibung der Vorgehensweise Deines Lernens ist eigentlich erstmal der erste Schritt, nämlich das Erlernen der notwendigen Spieltechnik.
Verstehe! Nun, ich war auch nicht davon ausgegangen, die Phrase bereits nach zwei Übungssitzungen perfekt spielen zu können, sollte das so rübergekommen sein.

Aber zur eigentlichen Frage zurück - obgleich Mantel ja Cellist ist/war, sollte sich das Prinzip ja einwandfrei auch auf das Klavier übertragen lassen, nicht?

LG
 
zur rotierenden aufmerksamkeit: was fürs cello gilt, gilt sicher auch für alle anderen streicher, bläser und pianisten.
d.h. technische skills wie fingersatz, tonbildung, feinmotorik müssen automatisiert werden und der spontanen kontrolle unterliegen. das und die kenntnis des musikalischen gedankens (die noten) sind die voraussetzung für einen musikalischen ausdruck. (die noten sollten nur noch als gedächtnisstütze dienen.
zum einstudieren des vorliegenden notenbeispiels:
in den meisten fällen, und hier in diesem bsp. ganz besonders, lohnt sich eine kurze analyse, erfassen des textes, auswendig lernen (verinnerlichen) und erst dann spielen.
also in diesem falle:
1. die melodie singen (so fa mi re, fa mi re do, so la latidola so) und dann mal auswendig spielen
2. erkennen, das 1. motiv verläuft in terzen, das 2. in sexten, das 3. wiederum in terzen (ohne noten versuchen, die 2. stimme selber zu "komponieren"
3. die linke hand ist besteht aus vierstimmigen, zerlegten akkorden basston: orgelpunkt auf grundton g=do, tenor auf quinte d= sol, mit wechsel auf die sexte (e= la) und die beiden oberstimmen der linken hand spielen die restlichen noten der grund-dreiklänge: tonika, dominante, subdominante, tonika!
4. wenn diese theoretischen voraussetzungen für diese analyse vorhanden sind, erkennst du den musikalischen gedanken auf einen blick und wirst die passage nicht 52 mal üben sondern 2-3mal.
die rotierende aufmerksamkeit würde für mich daher bedeuten:

r.h. improviesiere kleine phrasen in terzen und sexten (tonleitern, kinderlieder)
l.h. spiele die kadenz I-IV-V7-I in allen tonarten
versuche verschieden akkordzerlegungen (insbesondere das vorliegende pattern)

anschlag, fingersatz, körperhaltung immer beachten, bevor du überhaupt zu spielen beginnst:
sitzhöhe, distanz vom klavie, lockerheit der arme und schultern, fingerstellung auf den tasten:
die einzelnen punkte kannst du dann wieder fokussieren, wenn dir das stück klar und geläufig ist.
(als wärs ein stück von dir ;)
p.s: für mich bewährt sich das transponieren in andere tonarten, um besser zu verstehen, was funktional überhaupt passiert - andere haben das vielleicht nicht nötig. mein ziel ist, dass ich das stück im ohr habe und in irgendeiner tonart spieln kann, dann habe ich es verstanden ... und somit auch die möglichkeit, meine aufmerksamkeit rotieren zu lassen ...
 
Grund: P:S. (nachtrag)
Zuletzt bearbeitet:
Danke für deine Vorschläge! Einige davon setze ich bereits von selbst um, wie die harmonische Analyse und das Solmisieren. Die Idee mit der "2. Stimme selbst komponieren" finde ich cool, probiere ich bei der nächsten Passage mal aus. :)

Da das Stück in g-Moll steht, wäre der Grundton aber in diesem Falle "la" und nicht "do", oder liege ich da falsch?

Ich versuche mal, deine Tipps auf eine Aussage zusammenzufassen: "Wenn das Stück harmonisch klar ist und man die technische Geläufigkeit in den Händen hat, lernt sich das Stück weitaus schneller" - korrekt so?

LG
 
mendelssohnzeug-png.577898

(Takt 7 -11 aus Felix Mendelssohn Bartholdys op. 19,6 "Venetianisches Gondellied")


Was mir bei den bisherigen Betrachtungen fehlt ist die Frage, wie sich die Bewegungen der Hände sowohl rhythmisch als auch räumlich zueinander verhalten, ob die Bewegungen symmetrisch, prallel, verzahnt ... sind, welche Hand linear oder Akkorde spielend über die Tasten wandert etc.

Wenn Passagen nicht funktionieren wollen, kann so ein Blickwinkel sehr helfen.
 
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Guten Morgen!

Was mir bei den bisherigen Betrachtungen fehlt ist die Frage, wie sich die Bewegungen der Hände sowohl rhythmisch als auch räumlich zueinander verhalten, ob die Bewegungen symmetrisch, prallel, verzahnt ... sind, welche Hand linear oder Akkorde spielend über die Tasten wandert etc.

Danke für den Hinweis. Das hilft wirklich ungemein! Was ich bisher als Resümee aus dem Thread ziehen kann, ist, dass mir solche Betrachtungsweisen von selbst nie gekommen wären. Definitiv ein Ansprechpunkt für den Unterricht nach den Ferien.

LG
 
@Enharmoniker
Ich umreiße mal ganz grob meine Systematik beim Üben mit Schülern:

Wir verschaffen uns einen Überblick über das Stück, indem wir uns die Noten ansehen und das Stück in Sinnabschnitte gliedern. Die besprochenen Passagen spiele ich vor.

1. rechte Hand einzeln üben (immer nur einen Sinnabschnitt)
a) Melodie - Fingersatz studieren, Lagenwechsel der Hand ansehen, bei Sprüngen Orientierungspunkte auf der Tastatur ansehen/aussuchen und ertasten
Wenn die Melodie von der rechten in die linke Hand wandern sollte, füge ich sie ein, der Schüler hört zu und spielt weiter, sobald die Melodie wieder in die rechte Hand zurück kehrt.
b) Mehrstimmigkeit der rechten Hand

abschnittweise: Immer wieder wechseln zwischen Notenlesen, Tasten ansehen, Tasten blind ertasten (ohne Noten anzusehen, nur an den Bewegungsvorgang denken und sich am Klang orientieren), langsam spielend die Noten mitlesen.
Ziel: bewusste Wahrnehmung des Spielvorgangs, Verknüpfung von Klang-/Musikerinnerung und Bewegungsgedächnis, Verknüpfung von Notenbild, Klangvorstellung und Spielbewegung der Hand

c) Kombination von Oberstimme(n) und Unterstimme(n), aber nur die rechte Hand spielen (Lehrer oder Sequenzer oder ... spielt die Stimme der linken Hand)
In dieser Übungsphase geht es darum, dass der Schüler lernt, das Spiel der rechten Hand und die zugehörigen Rhythmen und Klänge erst einmal nur hörend mit den von der linken Hand gespielten Rhythmen und Klängen zu kombinieren, zu verzahnen und in sein Musikgedächnis aufzunehmen.

2. linke Hand einzeln üben
Im Prinzip vorgehen, wie mit der rechten Hand

3. die Kombination der Hände
Durch ausgiebiges Einzeltraining der Hände sollte die Steuerung der Handbewegung z.T. bereits über das Gehör erfolgen können.
Durch das Hörtraining mit der Gegenstimme ist der Zusammenklang bereits bekannt und irrtiert nicht mehr.
Immer dann wenn die Kombination nicht gelingen will, schaut man sich das Zusammenspiel der Hände auf der Tastatur wie oben bereits angedeutet an.

Zwischendurch, wann und wo immer es zum Unterrichtsverlauf passt, die Noten analysieren:
- Aufbau der Komposition betrachten
- Akkorde herauslesen
- wiederkehrende Motive suchen, die Stellen herauspicken und üben
Immer wieder fällt auf, dass eine Passage, die gut gespielt wird, bei ihrer Wiederholung im weiteren Verlauf der Komposition unter Umständen fehlerhaft wird, z.T. sogar deutlich schlechter gespielt wird. In diesem Fall kann es helfen, das Layout der Noten zu vergleichen. Wenn sich dieses bei der Wiederholung deutlich verändert, kann dies der Grund für das fehlerhafte Spiel sein. Warum? Häufig üben Anfänger immer wieder von vorne. Dabei prägt sich das am häufigsten gesehene Notenbild am intensivsten ein. Die Auge-Hand-Koordination ist auf dieses Layout fixiert. Das veränderte Layout wurde wahrscheinlich nur flüchtig in die Auge-Hand-Koordination eingebunden. Wenn das auffällt, muss man sich gezielt darauf konzentrieren, das Ablesen der Layout-Variante(n) zu üben.

Das mal nur so grob zur Anregung.
Es gibt bestimmt noch mehr Aspekte, die man beschreiben bzw. bedenken könnte.

Gruß
Lisa
 
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Vielen Dank für deine Anregung! :) Sehr ausführlich. Einige deiner Methoden probiere ich mal aus.

Jedes Mal wieder von vorne spiele ich nicht (mehr). Die von dir beschriebenen Probleme sind mir aber damals auch vor die Nase getreten.

Was mich vielleicht noch interessieren würde, ist, wie du didaktisch an das Lernen des gesamten Stücks mit deinen Schülern gehst. Wenn ihr ein Stück in viele, kleinere, Sinnabschnitte unterteilt, arbeitest du mit den Schülern dann daran, Abschnitt für Abschnitt zu lernen (sprich - Teilstück #1 wird erst 'aufpoliert' ehe es zu Teilstück #2 geht etc.) oder gehst du gesamtheitlich an das Stück so heran (sprich - der Schüler arbeitet mit der oben genannten Methodik an jedem Teilstück gleichzeitig)?

Ich hoffe, die Frage ist verständlich gestellt.

LG
 
an jedem Teilstück gleichzeitig)?

Ein ganz klares Jein :-D
Oder auch "Kommt drauf an."
Wobei, wenn ich Dich jetzt wörtlich nehme ... gleichzeitig ... wie soll das gehen? ;-)

Wieviel in einer Lerneinheit bewältigt werden kann, hängt von mehreren Faktoren ab:
- Länge und Aufbau des Stücks
- Alter und Wissensstand des Schülers
- Schwierigkeitsgrad des Stücks

Ich habe einen Klavierschüler, der jetzt gerade in die Schule gekommen ist. Für den habe ich gerne Stücke ausgesucht, die so aufgebaut sind, dass sie sich mit wechselnden Einsätzen spielen lassen. Ist jetzt zu komplex das genau zu erklären. Nur so viel:
Das sind ja kurze Stücke, die wir spielen. Also erkläre ich ihm z.B. den ersten Abschnitt des sich wiederholenden A-Teils. Wenn er den kann, spiele ich den Rest des A-Teils und dann folgt die Wiederholung. Mit den folgenden Teilen handhaben wir das ähnlich. So hört er schon das Ganze, spielt aber nur Abschnitte und hat zwischendurch Zeit sich zu erholen. Da er seine Einsätze nicht verpassen darf, verfolgt er das, was er hört sehr genau. Wann ich ihm auch die von mir gespielten Parts beibringe, hängt vom Unterrichtsverlauf ab. Letztendlich spielt er aber auf jeden Fall irgendwann das gesamte Stück.

Nun auf Erwachsenenlevel.
Das kann sinngemäß ähnlich laufen ... oder auch ganz anders :-D
Ich schau halt immer, dass die "Portionen" so groß/klein sind, dass sie auch verdaut werden können.
In der Stunde reiße ich nicht nur kurz an, was wie gespielt werden soll und schicke den Schüler dann mit einer langen Latte an Ratschlägen heim, sondern wir setzen alles sofort um und üben gemeinsam. Und dann schau ich halt, wie weit wir kommen. Sind die Sinnabschnitte kurz und der Schüler gut aufnahmefähig, arbeiten wir an mehreren Abschnitten. Ob wir dabei durch das Stück springen oder Abschnitt für Abschnitt so wie sie kommen, hängt vom Stück ab. Das kann ich nicht pauschal beantworten. Für mich gibt es da kein Schema F. Tauchen Probleme auf oder andere Gründe, aus denen wir die ganze Unterrichtsstunde für einen Part benötigen, dann ist das eben so. Aber nicht dass Du denkst, wir spielen dann eine Stunde lang ständig dasselbe. Nein, ich überlege mir dann allerlei methodische Übungen, die helfen, die Schwierigkeiten zu überwinden, oder einfach nur bestimmte Bewegungsabläufe mit den Händen zu trainieren, Rhythmen zu verinnerlichen oder was auch immer.
Mein Ziel ist, im Unterricht eine Grundsicherheit zu erreichen, die den Schüler dann in die Lage versetzt, das in der Unterrichtsstunde Erarbeitete Zuhause zu erinnern und dann weiter zu vertiefen. Wenn er aus welchen Gründen auch immer dazu keine Zeit hat, werden die Aufgaben halt eben im Unterricht wiederholt. Und wenn ein Schüler Zuhause vor den Noten sitzt und ohne die Stütze des Lehrers noch nicht klar kommt, warum auch immer, dann soll er lieber an vertrauten Stücken konzentriert weiter üben anstatt sich irgendwie durch das neue Stück zu quälen und wohlmöglich Fehler einzuüben. Im nächsten Unterricht klären wir dann, womit der Schüler nicht klar kam und warum. Dann wird das noch einmal methodisch aufgeschlüsselt und zusammen bzw. mit meiner Unterstützung geübt. Das ist auch für mich jedesmal ein interessanter Lernprozess.

Eine klarere Antwort kann ich leider nicht geben.

Gruß
Lisa
 
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Hallo,

beginne hier bspw. mit Links

Also ich persönlich würde (fast) immer mit der rechten Hand beginnen, damit sich die Melodie "einbrennt", und mich dann erst der Begleitung (linke Hand) widmen.

Viele Grüße!
 
Hallo nochmal!

Also ich persönlich würde (fast) immer mit der rechten Hand beginnen, damit sich die Melodie "einbrennt", und mich dann erst der Begleitung (linke Hand) widmen.

Ich habe hier mit der LH begonnen, da die Melodie rechts für mich recht klar war und nicht so lange gebraucht hat, auch blind zu funktionieren. Bei den konstanten Sprüngen überden Oktavraum hinaus in der LH hatte (und habe) ich mehr Arbeit zu verrichten, ehe es blind läuft. Daher habe ich mit der LH angefangen. Wobei mir grad auffällt, dass man diese Argumentation auch exakt für das Gegenteil benutzen könnte. ;)

Zu deinem Post, Lisa2:

Danke für die aufschlussreiche Erklärung. :) Deine Begründung ergibt für mich recht viel Sinn! Vielleicht spreche ich einige Ideen auch mal bei meinem Klavierlehrer mit an.

LG
 
Ich habe hier mit der LH begonnen, da die Melodie rechts für mich recht klar war und nicht so lange gebraucht hat, auch blind zu funktionieren.

Finde ich sehr richtig. Ich (mit zwölf Jahren Spielerfahrung) nehme mittlerweile auch oft beide Hände von Anfang an zusammen und übe höchstens kleine Abschnitte einzeln, wenn etwas wirklich nicht klappt. Bei vielen Stücken klingt die eine Hand ohne die andere nämlich katastrophal und bevor ich mich davon demotivieren lasse, übe ich lieber, beide Hände parallel zu lesen von Beginn an und komme damit auch super klar.:rolleyes:

Zur rotierenden Aufmerksamkeit: Gerhard Mantel hat sicherlich viele gute Tipps auf Lager, ist manchmal aber auch recht steif. Gerade das Buch mit den Tipps, was du erwähnst, war für mich recht trocken zu lesen und bei vielem dachte ich: Nein, das bringt mir im Leben nichts. Deshalb würde ich immer sagen: Lernen und Üben ist etwas sehr individuelles. Man sollte immer möglichst beweglich in seinen Übemethoden bleiben, neue ausprobieren und eigene Entwickeln und sich auch immer mal verändern.

Die rotierende Aufmerksamkeit nutze ich eher für die Querflöte, also ebenfalls ein Melodieinstrument. Dabei rotiert meine Aufmerksamkeit zwischen: Dynamik, Artikulation, Klang (was z.B. beim Klavier gar nicht so extrem übbar ist, wie bei der Flöte) und anderen Sachen, die mir gerade wichtig sind. Dabei würde ich aber niemals exakt die Zahl der Wiederholungen zählen. Das wäre für mich persönlich als spielerisch veranlagter Mensch viel zu naturwissenschaftlich. Ich glaube, das ist auch gar nicht gewollt von Mantel. Gewollt ist, dass man sich bewusst macht, dass es viele Wiederholungen braucht, um etwas einzuüben, diese Wiederholungen aber nicht öde sein dürfen. Deshalb ist es relativ egal, worauf man sich konzentriert und wie oft genau man wiederholt. Wenn die Haltung gerade aktuell ein Übethema ist für dich, dann nimm die Haltung mit rein. Dann vielleicht Pedaleinsatz. Artikulation (Bindungen), Dynamik, ... Bei dem von dir gezeigten Ausschnitt vielleicht auch mal die Aufmerksamkeit auf das cantabile richten. Drei Mal wiederholen und dabei versuchen, möglichst sängerisch die Melodie darzustellen (natürlich auch gerne mal singen als Vergleich). Eigentlich ist für mich die rotierende Aufmerksamkeit, dass ich in den ersten Durchgängen auf das achte, was ich immer im Blick habe und dann ins Schleudern gerate und denke: Auf was kann ich jetzt noch achten? Und dann finde ich im Notentext noch Sachen, die mir vorher gar nicht aufgefallen sind (z.B. sowas wie das "cantabile"). Allerdings fängt diese Art des Übens bei mir erst an, wenn der "Text" sitzt. Also die Finger schon wissen, was sie spielen sollen.

Was mir gerade erst auffällt, was eigentlich das gleiche Prinzip ist: Ich mache viel Musik mit Kindern im Grundschulalter. Wenn die ein Lied lernen sollen (meist auswendig, weil lesen noch schwer ist), kann man auch nicht zehn Mal hintereinander Strophe eins singen. Darauf hat niemand Bock. Wenn man aber einmal die Strophe singt, einmal spricht, einmal laut singt, einmal leise singt, einmal die eine Hälfte lauter singt als die andere, man dann Handzeichen als Gedächtnisstütze für den Text sucht und es damit noch mal singt, dann einmal durch den Raum geht und es singt... Dann hat jedes Kind das Lied zehn Mal gesungen, ohne das wirklich zu realisieren und der Text sitzt. Okay, ich gebe zu, zehn Mal hintereinander weg merken die Kinder dann doch. Aber so sechs verschiedene Varianten schafft man locker, ohne dass denen langweilig wird. Und wenn man dazu Macarena tanzt, obwohl es nicht passt, lachen die Kinder und wollen das gleich noch mal drei Mal singen :tongue:

Also ist das Prinzip einfach, sich selbst nen Anreiz zu schaffen, motiviert und konzentriert Wiederholungen zu spielen und dabei an möglichst viel zu denken. Welche Aspekte genau das sind, kommt auf das Instrument an, auf das Stück und auf den Musiker. Und am besten funktioniert es meiner Meinung nach, wen der Musiker selbst kreativ ist und Spaß dabei hat, neue Varianten und Aspekte zu finden.

Annino
 
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Hi Annino,

sorry für die späte Antwort.

Danke erst einmal für deine Erfahrungen und deine Meinung zum Thema. Ich bin inzwischen auch wieder davon abgegangen, exakt die Wiederholungen zu zählen und rotiere einfach wirklich mit der Aufmerksamkeit beim Üben durch, bis es klappt. Die Summe der Wiederholungen bleibt vermutlich gleich, nur fällt es nicht so sehr auf und langweilt daher auch nicht so schnell.

Also ist das Prinzip einfach, sich selbst nen Anreiz zu schaffen, motiviert und konzentriert Wiederholungen zu spielen und dabei an möglichst viel zu denken. Welche Aspekte genau das sind, kommt auf das Instrument an, auf das Stück und auf den Musiker. Und am besten funktioniert es meiner Meinung nach, wen der Musiker selbst kreativ ist und Spaß dabei hat, neue Varianten und Aspekte zu finden.

Das fässt es wohl am besten zusammen. Danke! :D

LG
 

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