Erkennen des Modus einer Melodie

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Mr Crown
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Hallo,

Ich habe mich schon ein wenig mit den Kirchentonarten auseinandergesetzt und bin jetzt auf das Problem gestoßen, wie ich innerhalb einer Melodie eine Kirchentonart bestimmen kann.
Ich habe hier ein Beispiel:

http://www.bach-cantatas.com/Pic-CM-BIG/AchGottvomHimmel01.jpg

Wenn ich mir den ersten und letzten Ton der Melodie angucke (a) würde ich darauf schließen, dass das Stück phrygisch ist. Allerdings sagt mir Wikipedia, dass es sich um ein hypophrygisches Stück handelt. Dafür müsste ja das e der Bezugston sein.
Wie kann ich das denn jetzt genau erkennen (ohne auf das Hörempfinden zu achten)?

Ich hoffe ihr könnt mir weiterhelfen.

mfg
 
Eigenschaft
 
Dafür müsste ja das e der Bezugston sein.

Eben nicht! Auch bei Hypophrygisch ist das 'A' nach wie vor Finalis, also Grundton. Im Unterschied zu den authentischen Kirchentonarten ist das aber nicht mehr gleichbedeutend mit dem tiefsten Ton. Somit ist die Unterscheidung, ob es sich nun um einen authentischen bzw. plagalen Modus handelt, eigentlich recht einfach. Du erkennst es am Ambitus des Melodieverlaufs. Erstreckt sich dieser nämlich auch unterhalb der Finalis, wie eben auch in deinem Bach-Beispiel, so handelt es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um einen plagalen Modus. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist auch der jeweils unterschiedliche Rezitationston. Dies jedoch nur bei den acht alten Kirchentonarten.

Grüße,
Hiatus
 
Vielen Dank für die Antwort. Nach diesem Unterscheidungsmerkmal habe ich gesucht.

Gruß,
Mr Crown
 
Also für mich sieht das nach völlig normalem G-Moll (was man auch sehr gut an dem fis sieht) aus, oder verstehe ich hier irgendwas falsch?!
 
Also für mich sieht das nach völlig normalem G-Moll... aus...

Es kommt primär darauf an, den Grundton zu identifizieren.

Die einzelnen Abschnitte des Kirchenliedes enden mit a oder mit g. Doch der erste und der letzte Abschnitt endet mit a. Deutliche Hinweise auf die Grundtonempfindung. Die "Heimat" ist a. Die auf g endenen Abschnitte stellen nur vorübergehende "Ausflüge" dar.

Viele Grüße

Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Achtung! Dieser Beitrag ist rein subjektiv und unwissenschaftlich.

Mich würde interessieren, ob der Ton a damals wirklich als Grundton wahrgenommen wurde? Ich kann mir das nicht vorstellen...

Begründung: Ich empfinde ebenso wie neohawaii, nämlich in g-moll. Und ich würde auch davon ausgehen, daß das damals schon so war. Wenn man sich den Text ansieht, so beginnen alle Phrasen auftaktig. Das heißt, der zweite Ton ist immer wichtiger als der erste. Die erste Zeile wäre damit in g-moll, die zweite Zeile beginnt in d-moll und endet in g-moll, die dritte Zeile beginnt in g-moll und endet offen. - Und genauso würde ich auch harmonisieren.

Gruß
 
Mich würde interessieren, ob der Ton a damals wirklich als Grundton wahrgenommen wurde? Ich kann mir das nicht vorstellen...
Hallo MaBa,

für uns dürfte das deshalb schwer vorstellbar sein, weil wir sehr stark durch die Dur-Moll-Tonalität geprägt sind. Wir sind allzu rasch dabei, unsere Vorstellungen auf eine Melodie zu projizieren, welche existierte, bevor die uns geläufigen Vorstellungen überhaupt entwickelt wurden.

1523/24 hatte sich noch keine Dur-Moll-Tonalität etabliert. Wir sollten auch davon ausgehen, daß Kirchenlieder damals v.a. einstimmig und ohne instrumentelle Begleitung gesungen wurden. Harmonisierungen spielten hier keine Rolle.

Versuchen wir uns einmal völlig von unseren Hörgewohnheiten zu lösen und gehen einfach davon aus, daß das, was als Melodie notiert wurde auch genau so gemeint war.

Die Melodie besteht aus fünf Phrasen (Wiederholung weggelassen). Die erste, dritte und fünfte Phrase endet mit a, die zweite und vierte mit g. Die Melodie pendelt zwischen den beiden tonalen Zentren a und g hin und her. Die auf g endenen Phrasen sind durch die auf a endenen eingerahmt. Insbesondere endet das ganze Lied eben auf a (Finalis), was klar zeigt, daß a dominierend gegenüber g ist.

Die Finalis kann man als die damalige Entsprechung unseres Grundtones sehen, jedoch nicht im Sinne des uns geläufigen Denkens in Akkorden, denn das existierte noch nicht.

Lassen wir einen Spezialisten zu Wort kommen, Prof. Dr. phil. Matthias Schneider vom Institut für Kirchenmusik und Musikwissenschaft, Inhaber der Professur für Kirchenmusik und Orgel. Er hat einen Kommentar zum Lied 273 des Evangelischen Gesangbuches geschrieben ("Ach Gott, vom Himmel sieh darein").

Nach einer interessanten Interpretation des Melodieverlaufs schreibt er:

"Das Pendeln der Melodie zwischen den beiden Zentren a und g bietet später im Barock Ansatzpunkte dafür, die Melodie nach g-dorisch umzudeuten. Johann Sebastian Bach hat das Lied in dieser Weise im Schlusschoral seiner Choralkantate BWV2 bearbeitet. Er beginnt mit einem dominantischen D-Dur-Akkord und kadenziert am Stollenende sowie in der sechsten Chorzeile nach g-Moll. Am Schluss der siebten Zeile, in der sich die Melodie nach a wendet, führt Bach den Satz wieder nach D-Dur."
(Hervorhebung von mir)
Quelle: "Ach Gott, vom Himmel sieh darein", Kommentar zum Lied 273 des Evangelischen Gesangbuches, in: Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch, Heft 13, Göttingen 2007, S. 63-68
Viele Grüße

Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Um so erstaunlicher für mich - gerade beim Text sehr gut erkennbar -, daß ja gerade die betonten Silben auf g-moll-Tönen liegen. Das sagt mir doch, daß die Leute damals ähnlich empfunden haben müßten, wie wir heute. Zumindest unterbewußt.

Vielleicht ist das auch nur Zufall (?).

Ich habe mir bislang keine Gedanken über die (ursprünglichen) Kirchentonarten der Choräle gemacht. Durch die Harmonisierung werden die Kirchentonarten ja auch ziemlich verschleiert.

Gruß
 
Durch die Harmonisierung werden die Kirchentonarten ja auch ziemlich verschleiert.

Und unser Blick wird noch durch mehr verschleiert, weil wir in einer ganz anderen Zeit leben und die damaligen Umstände nur schwer nachvollziehen können.

Zu den Auftakten:

Richtig, im Text liegt die Betonung i.d.R. auf der zweiten Silbe. Nun muß sich das nicht unbedingt in der Musik widerspiegeln. Man kann die Melodie auch so singen, daß jede Silbe praktisch gleich betont wird. Die Luther-Komposition "Vom Himmel hoch, da komm ich her" wird ja normalerweise so gesungen und auch seine Komposition "Ach Gott vom Himmel sieh darein" singt man hier so, daß jede Silbe ziemlich gleich betont wird.

Allerdings muß man bei "Ach Gott vom Himmel sieh darein" feststellen, daß der Auftakt ursprünglich musikalisch schon eine Rolle gespielt hat. Das kann man in der im Enchiridion geduckten Fassung von 1524 daran erkennen, daß die erste Note jeder Phrase einen anderen Wert hat als die folgenden. Die erste Note der Strophe hat den doppelten, die erste Note der weiteren Phrasen den halben Wert der dann folgenden Noten.

In anderen Luther-Liedern, wie z.B. "Nun freut euch, lieben Christen gmein" wird der Auftakt (durch Verkürzung) sehr herausgestellt, hier ab der zweiten Strophe.

Doch es führt m.E. kein Weg daran vorbei: Das "a" ist tonales Zentrum und das ganze Lied endet auch mit "a" (Finalis). Ich würde mich dem Schlußwort von Matthias Schneider anschließen:

Die sperrige Sprache von Luthers Psalmübertragung wie auch ihre fremdartige modale Melodie erschweren heute manchem den Zugang; wer sich aber einmal darauf einlässt, wird ihre Kraft und Unmittelbarkeit schätzen lernen.
Quelle: siehe oben, S.68
Wer würde auch dem Lied heute anmerken, welche Wirkung es früher einmal entfaltet hat?

"Solches Singen nun brachte großen Schrecken über die Priester, weil es ein ungewöhnlich Werk war."
(Quelle)

M.E. hat es auch musikalisch-modale Gründe.

Viele Grüße

Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Also mit einem Vorzeichen b ist das Himmelswerk in Dmoll..

nimm ich die Noten der Tonleiter D, E, F, G, A, Bb ,C (Bb= B) ist das Dmoll -Melodischmoll

Der Anfangs- und Endton ist A , das ist nicht immer der Grundton - Tonart eine Stückes .

ein musikalischer Gruß
 
Also mit einem Vorzeichen b ist das Himmelswerk in Dmoll..

Es verwendet jedenfalls die Töne der D-Moll Tonleiter, aber

Der Anfangs- und Endton ist A , das ist nicht immer der Grundton - Tonart eine Stückes .

der Anfangs- und Endton kann viel über den Modus des Stückes aussagen.

nimm ich die Noten der Tonleiter D, E, F, G, A, Bb ,C (Bb= B) ist das Dmoll -Melodischmoll

Du hast erst recht, denn die angegebenen Töne entsprechen denen der natürlichen D-Molltonleiter und dann wiedersprichst du indem du sagts es sei melodisch Moll. Beim melodisch Moll sind allerdings die 6. und 7. Stufe erhöht (jedenfalls für melodisch Moll aufwärts).
 
Genau ist Dmoll - Natürlich-Moll
 

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