gitarrero!
Mod Emeritus
Die Ibanez Sommer-Kollektion (Roadstar II Pro Modelle) aus dem Jahr 1988
Es ist wieder Ibanez-Nerd-Time! Hin und wieder tauchen Varianten von Ibanez-Modellen aus den späten 80ern auf, die sich anhand der regulären Kataloge, egal ob Europa, USA oder Japan, nicht identifizieren lassen. Seien es exklusive Farben, unerwartete Tonabnehmerbestückungen oder eigenartige Korpusformen, die Vielfalt war üppig und ein paar Jahrzehnte später tut man sich mitunter schwer, obskure Sonderlocken genau zuzuordnen oder zu benennen. Manchmal gibt's sogenannte Dealer Sheets (also Unterlagen, die damals an Händler ausgegeben wurden), oder dedizierte Flyer zu bestimmten Modellen, die man mit etwas Glück in den Scan-Archiven wiederfindet. Oder es handelt sich um eine Handvoll Unikate auf einem raren Poster, siehe hier. Und manchmal wiederum tauchen Sondermodelle bzw. "Spot Production"-Kleinserien, beauftragt von Vertrieben oder großen Musikhäusern, ausschließlich in Werbeanzeigen auf - so zum Beispiel die Sommer-Kollektion des Deutschlandvertriebs Meinl, die in der Septemberausgabe 1988 der Zeitschrift "Fachblatt Musikmagazin" beworben wurde.
Hier der Text aus der Anzeige:
SOMMER-KOLLEKTION
Früher reichte es, wenn eine E-Gitarre funktionell und praktisch war und einen guten Sound hatte. Heute muß eine Gitarre zudem auch optisch auf den Gitarristen zugeschnitten sein. Ibanez arbeitet nun schon seit Jahren mit ausgefallenen und orginellen Lackierungen.
Die Ibanez-Farbdesigner haben nun wieder neue, exklusive Farben gemischt: * Violet Pearl * Fountain Blue * Dark Wine Red * Mahagoni * Heather Pearl * Lipstick Red * Desert Sun Yellow * Black Cherry *
Ab sofort stehen bei ausgesuchten Fachhändlern neue Modelle mit diesen Lackierungen - zum Teil in limitierter Auflage - zum Antesten bereit:
All diese neuen Ibanez Modelle sind natürlich mit den in den USA hergestellten IBZ/USA Pickups und dem Ibanez Edge Tremolo mit Sattelklemme (in Lizenz nach Floyd Rose Patenten hergestellt) ausgestattet.
- Die mit ultradünnen Hälsen und dreidimensional geformten Bodies ausgestatteten SABER, POWER, RADIUS in ausgesuchten Lackierungen.
- Die Modelle ROADSTAR PRO Ballback mit abgerundeter Korpusrückseite und ROADSTAR PRO Turbot mit gewölbter Decke.
- Die knallgelbe SABER, als Sondermodell in der von Frank Gambale gespielten Ausführung.
- Die neuen limitierten SABER Modelle mit der aktuellen Pickupbestückungen ein Humbucker, ein Single Coil.
Durch ultra-dünne Hälse ist eine optimale Bespielbarkeit gewährleistet - vor allem bei den technisch anspruchsvollen modernen Spieltechniken.
Die Gitarren liefern die modernsten und vielseitigen Sounds. Ausgefuchste Schaltungen und solide Hardware sind bei Ibanez ein Muß.
Auf zum Ibanez Fachhändler!
Zwei kleine Rechtschreibfehler sind enthalten, und damit meine ich nicht "muß / Muß" (das mußte damals halt beides so sein ), sondern "orginellen" und "mit der aktuellen Pickupbestückungen", und es steht da zweimal "Mahagoni" statt "Mahogany" - das deutet darauf hin, dass die Anzeige mit heißer Nadel gestrickt wurde, damit sie noch vor Redaktionsschluss der Septemberausgabe eingereicht werden konnte. Sonst wäre der Sommer ja schon vorbei und es würde ungewollt eine Herbst-Kollektion draus. Das gab's dann übrigens sieben Jahre später in Form der "Autumn Collection 1995", wobei hierfür extra ein Flyer gedruckt wurde, aber das nur am Rande.
Gemeinsame Features aller Gitarren sind:
- EDGE Tremolo --> das bekannteste und erfolgreichste Floyd Rose Lizenzsystem von Ibanez, entweder in "Cosmo Black" oder "Black" ausgeführt
- BackStop PowerPlay System --> ein Ruheanschlag mit Gegendruck in der Federkammer, quasi eine aufgedoppelte Rockinger Black Box
- IBZ/USA Pickups --> von DiMarzio hergestellte OEM-Tonabnehmer, die Single-Coils sind in Wahrheit gestackte Humbucker (also mit einer Dummy-Spule zur Brummunterdrückung ausgestattet)
- Beehive Knobs --> coole kegelstumpfförmige Potiknöpfe mit Rillen und O-Ringen aus Gummi
- Ahornhals mit Palisandergriffbrett --> die Halsprofile sind je nach Modell entweder Wizard (17mm/43mm) auf S und P oder Ultra (19mm/42mm) auf R, B und T
- Small Dot Inlays --> die Lagenmarkierungen im Griffbrett haben nur 4mm Durchmesser, ab 1989 wurden sie bei den Roadstar Pro Gitarren auf 6mm vergrößert
- Made in Japan --> gebaut bei Fujigen Gakki, zum Teil mit Cast Neck Plates und gestempelter Seriennummer 800xxx und zum Teil mit F7-Sticker (sic! Eine bekannte Anomalie) auf der Rückseite der Kopfplatte
Im Einzelnen sind das:
RADIUS 540R-FB Fountain Blue, limitierte Auflage, 72 Stück
Die 1988er-Radius hat im Vergleich zum Vorjahresmodell bereits den Evolutionsschritt bei der Pickup-Schaltung vollzogen, weg von einzelnen Kippschaltern hin zum 5-Weg-Schalter. Das Finish namens "Fountain Blue" ist auch von der MAXXAS und vereinzelten SoundGear-Bässen bekannt. Eine 540RFB taucht auch im 1988er USA-Katalog auf, dort allerdings nur mit Speed Knobs statt Beehive Knobs. Bei meinem Exemplar wurde vom Vorbesitzer ein zusätzlicher Minischalter nachgerüstet, der inzwischen als Kill Switch on-(off) fungiert, außerdem wurden die IBZ USA zu DiMarzio Pickups getauscht, was mich aber nicht stört.
BALLBACK 580B-MH Mahagoni
Das Modell Ballback hat seinen Namen von der halbrunden Korpusrückseite und könnte im weitesten Sinne als Supertele bezeichnet werden. Das Schlagbrett ist aus massivem Holz und verdeckt kleine Fräsungen im Korpus, die wohl der Gewichtsreduktion dienen sollen. Viel bringen die allerdings nicht, denn die 580B ist mit gut 4kg das mit Abstand schwerste Mitglied der Sommer-Kollektion. Ab Werk werden die zwei Humbucker ganz klassisch und puristisch per Toggle Switch geschaltet, für eine etwas größere Flexibilität habe ich stattdessen einen Petrucci/Blucher-Switch (4PDT) eingebaut, der in Mittelstellung beide Tonabnehmer splittet.
TURBOT 580T-HP Heather Pearl
Auch die Turbot (dt. Flunder) ist quasi eine Supertele, im Gegensatz zu ihrer Schwester jedoch ohne das charakteristische Pickguard und dafür mit gewölbter Decke. Bei dieser Gitarre hat der freche Vorbesitzer sowohl das BackStop-System als auch die Beehive-Potiknöpfe ausgebaut und hat sich diese gesuchten Parts wohl auf dem Gebrauchtmarkt vergolden lassen, und er hat zu allem Überfluss den S/N-Sticker abgeknibbelt. WENN ICH DEN KERL ERWISCHE, SPIELE ICH DEM 10 STUNDEN EUGENE'S TRICK BAG IM STIL VON EMANUEL AGUILAR VOR! Da ich aber das EDGE auch gerne ohne BackStop spiele, stört mich das fehlende Teil nicht so arg, und bei den Potiknöpfen habe ich mir von einem Kollegen zwei Replikate aus dem 3D-Drucker machen lassen. Der PU-Schalter wurde genau so modifiziert wie bei der 580B.
SABER 540S-HSHDY Desert Sun Yellow, limitierte Auflage, 118 Stück
Der jüngste Fang, aus dem hiesigen Flohmarkt gefischt, eines der ersten Saber-Modelle mit HSH-Bestückung (die 540S hatte typischerweise HSS, insbesondere im Debüt-Jahrgang 1987). Laut Anzeigentext in der von Frank Gambale gespielten Ausführung, wobei das nicht so ganz stimmt, denn seine erste Endorser-Gitarre hatte Chrom-Hardware statt "Cosmo Black" und keine Beehive Knobs, aber die Optik ist in der Tat schon sehr nah dran an Franks Gitarre und am ersten Signature-Modell FGM. Die Anordnung von Potis, Schaltern und Klinkenbuchse hat hier die mittlere Stufe der Evolution bei den Sabers (siehe Gegenüberstellung weiter unten), aber schon Beehive Knobs anstelle von Speed Knobs. Der mittlere Schalter mit rundem Knebel ist on-off für den Single-Coil und die beiden Schalter mit eckigerem Knebel sind vom Typ on-off-on und bieten damit Zugriff auf Humbucker- und Split-Sounds. Jetzt dürfen die Kombinatorik-Fans unter Euch ausrechnen, wie viele Schaltvarianten man insgesamt zur Verfügung hat.
Zum Vergleich: Evolution 540S "Saber" Control Layout und Klinkenbuchse 1987-1988-1989
SABER 540S-SHHP Heather Pearl, limitierte Auflage, 144 Stück
Der Anzeigentext sagt was von aktuelle Pickupbestückung, womöglich war das damals im Jahre 1988 eine sehr angesagte Variante mit Steg-Humbucker und schräg eingebautem Hals-Single-Coil, ich weiß es nicht. Aus heutiger Sicht eher exotisch, aber sehr ansprechend, weil man ja dadurch noch mehr von der
So, das waren die fünf Vertreter der 1988er Sommer-Kollektion, die sich in meinem Harem befinden. Darüber hinaus gibt es gemäß Werbeanzeige die folgenden Varianten:
POWER 540P-VP Violet Pearl, limitierte Auflage, 36 Stück
RADIUS 540R-DW Dark Wine Red, limitierte Auflage, 72 Stück
SABER 540S-SHBC Black Cherry, limitierte Auflage, 72 Stück (nicht in der Anzeige abgebildet, nur im Text erwähnt)
SABER 540S-SHLR Lipstick Red, limitierte Auflage, 36 Stück
Zur zuletzt genannten Lipstick Red kann der geschätzte Kollege @Prozac etwas sagen, wenn er möchte.
Wo haben sich die anderen Exemplare versteckt? Zeigt sie her!
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