Ich habe so den Eindruck im Forum gewonnen, als ob die Hersteller der Verstärker, Gitarren und Pickups vollkommen am Markt vorbei produzieren, bzw ihre Produkte einfach falsch benennen.
Ich gehe mal davon aus, dass das augenzwinkernd gemeint ist, denn damit wären wir mittendrin im Problem:
Früher gab es beim Kaufmann um die Ecke nur Sprengel Vollmilch, Vollmilch-Nuss und Zartbitter. Da musste ich mir keine Gedanken machen, ob meine Vollmilch-Nuss auch zur Frühstückspause, am Sonntag oder zu Weihnachten passt... Heute hingegen gibt's spezielle Pausenschokolade, Winterbier und Sommersteaks...
Dilemma 1: Da die INdustrie nun in die Köpfe reingepflanzt hat, dass für jeden Anlass und jedes Alter heute was Spezielles erforderlich ist, entsteht bei Unerfahrenen auch Verunsicherung: "Kann ich mit dieser Gitarre Songs von YX spielen...?" (Schmeckt meine Vollmilch-Nuss eigentlich auch an Heiligabend oder muss ich was Anderes essen?)
Dilemma 2: Die Gigantenauswahl. Es gibt derzeit am Markt über 1000 (!) Overdrive-Pedale und nochmals über 1000 Zerrpedale. Wenn ich nun 1 davon kaufe, bleiben noch 999, von denen ich nicht weiß, ob die viellicht alle "besser" sind, denn ich kann sie ja nicht alle testen...
Kleine Auswahl - große Freude: Wenn ich das heute so sehe, bin ich superglücklich, zu meiner Zeit für meine sauer erspartes Taschengeld nur die Qual der Wahl zwischen einem gebrauchten VoX AC30 und einem 50er-Marshall-Halfstack gehabt zu haben. Und nicht zwischen 3000 Presets von 30 Modelling-Amps mit und ohne Alibiröhre vorn oder hinten...
. (Deshalb ist auch der Einkauf bei Aldi so schön: Entweder du kaufst dir die einzige Sorte Schwarztee und machst dir ein schönes Frühstück damit oder du kaufst 5 Sorten von 500 aus dem Teeladen und hast damit 495 versäumt...)
Dilemma 3: Das Instant-Syndrom. Gerade weil es so viel Auswahl am Markt gibt, muss es ja wohl möglich sein, auch mit wenig Geld ganz schnell einen guten Sound zu erhalten...
Womit wir im Reich der Musik und seinen wundersamen Wirkungen angekommen sind. Wer nämlich "bei der Stange" bleibt, wird auf Dauer feststellen, dass es Anforderungen, Befriedigungen, Fortschritte und Erfolge im Leben gibt, die man sich nicht kaufen kann. Weder mit kleinem noch mit großem Budget.
Nicht für 100 und nicht für 100.000 Euro bekommt man einen guten Ton und macht gute Musik. Das liefert einem weder vorgerasterete Werbung, noch Medienhype noch Herstellerversprechungen. Dafür muss man längere Zeit
kämpfen und arbeiten, sich einbringen und sich kennenlernen. Man muss
Risiken eingehen, Rückschläge und Frust wegstecken, verarbeiten und lernen, daraus
erfolgreich lernen zu können. 80 bis 90 Prozent der Fragen hier laufen letztlich darauf hinaus, diese Tatsache entweder umgehen zu wollen oder sie (noch) nicht sehen zu können/wollen.
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Zwischen 250 Sorten Shampoo, 60 Jeansmodellen oder 80 Internet-Providern auswählen zu können ist für viele Menschen nicht das Paradies auf Erden, sondern schlichtweg eine Qual. Der amerikanische Psychologe Barry Schwartz erklärt in seinem neuen Buch, warum die Freiheit, die Wahl zu haben und unser Leben selbst zu bestimmen, einerseits Glück bedeutet, im Überfluss aber auch Ängste und Depressionen hervorrufen kann.