Auch wenn ich befürchte, dass dieser Thread nur noch wenig Resonanz erzeugt, glaube ich, dass es gut ist, weiter zu teilen, was wir so herausgefunden haben - schließlich wollen in fünfhundert Jahren Archäologen, die einen Puretone ausgraben, eine Vorstellung davon entwickeln wozu er gut ist, was man damit machen kann und dass nach einem halben Jahrtausend ein Cap-Job eine gute Idee wäre, bevor man ihn anwirft.
Am letzten Wochenende habe ich noch einmal den großen Lautsprecherzirkus gemacht. Keine Frage, der Vintage 30 ist ein guter Lautsprecher, der oft zu Unrecht von den Snobs niedergemacht wird - aber man muss ihn ganz schön anschieben, damit er richtig schön singt (btw. ich bin völlig bei @Bluesliebe und würde einen eingespielten V30 any day über einen aktuellen Greenback RI nehmen - aber nicht über einen alten...) - trotzdem wollte ich ein bisschen probieren und vielleicht etwas finden, was auch früher, leiser, mit weniger Zerre richtig gut klingt.
Die Contester waren
- Jensen Blackbird 100
- WGS G12C/G10C 2x Box
- 1971er G12M25 mit 55 Hz Cone
- 1969er G12H30 mit 55 Hz Cone
- 1974er G12H30 mit 75 Hz Cone, vmtl. tatsächlich noch ein Pulsonic (gekennzeichnet mit dem Stempel "3")
Die große Vorlage hat der Blackbird gemacht, weil er diese wundervolle AlNiCo Kompression hat, die er bereits lange liefert, bevor er wirklich gefordert wird.
Die Höhen sind im Vergleich zu den Celestions spürbar weicher, zurückgenommener, aber dabei weiter klar. Für einen singenden Blueston ist das schon eine richtige Ansage, viel Wärme... Er hat viel weniger Bite als die anderen Teilnehmer und damit ein Alleinstellungsmerkmal, das hilft, ein bisschen mehr B.B.King aus dem Rocker rauszuholen.
Artikulation ist gegeben, aber nicht das Glitzern. Als ich den das erste Mal mit dem Puretone getestet hatte, dachte ich eigentlich für meinen, bluesorientierten, singenden Ton, den ich favorisiere, den optimalen Partner gefunden zu haben. Allerdings ist der Bassbereich ziemlich ausgeprägt und ein bisschen mushy, wenn man den Amp nicht etwas tritt. Insofern klingt er leise schon gut - aber vor allem in den oberen Registern oder jazzigen Chords und Lines. Gleichzeitig kommen Jazztöne über den Kettner eben nicht annähernd so überzeugend wie über meinen Low Power Tweed Twin...
Anschließend habe ich meine Kombibox mit Mischbestückung Warehouse G12C und G10C getestet. Die Idee wäre gewesen, den G12C noch einmal einzeln her zu nehmen, aber das hat sich zerschlagen. Die Kombibox ist ein ganz guter Partner, wenn man den Puretone (bei mir immer die 12AY7 als V1 mitdenken, bitte) Richtung SRV biegen möchte. Fetter Blackfacecharakter aus der Box, mit viel Snap und Detail. Das klingt schon saugut - und es ist überraschend wie deutlich der Unterschied zwischen dem Blackbird und den WGS ist, den ich auf Ceramic vs AlNiCo schiebe. Der Attack ALLER Keramiklautsprecher war immer aggressiver, snappier, klarer aber auch steifer und kühler. Interessant. Mir hat das gut gefallen und wenn ich hinter Stevie Ray her wäre, würde ich mit Sicherheit den G12C im Combo probieren, vielleicht sogar den G12C/S, den ich - zu meiner Schande - noch nie gespielt habe.
Dann kam der ´69er G12H30 mit dem 55Hz Cone raus. Dazu muss man wissen, dass ich eine Art romantische Beziehung zu diesen Lautsprecher habe. Er ist der letzte Übriggebliebene aus einer Basketweave 412, die ich vor Jahren verkauft habe... Damals hat er ein bisschen Mucken gemacht, weshalb ich ihn zum Aufarbeiten zu ppa-audio geschickt hatte. Seither sucht er immer wieder seinen Platz. Dieser Speaker hat einen völlig einmaligen Sound, sehr klar und luftig einerseits und mit großer Stimme, zurückgenommenen Mitten... Warm und klar gleichzeitig. Irgendwie die Qualitäten, die guten, alten PAFs zugeschrieben werden... das Selbe als Greenback.
Ich war wieder mal umgeworfen, wie klar, luftig und gleichzeitig artikuliert der Höhenbereich rüberkommt - bei einem Lautsprecher, der mittlerweile 53 Jahre auf dem Buckel hat. Wenn man einen neuen Heritage 55Hz danebenlegt, ist letzterer viel dicker in den Mitten und dumpfer in den Höhen. Das ist dieser üble Pulsoniczauber, den immer noch keiner hat nachbilden können.
Geil - aber im Zusammenspiel mit dem Puretone super für clean, aber schneller an seiner Grenze, wenn der Amp sättigt. Und das nicht nur leistungsmäßig.
Dann dachte ich, dass der ´71er G12M vielleicht genau diesen mittigeren Ton liefert, den ich passender fand.
Und das tat der auch - aber auf Kosten der schön auflösenden Höhen. Damnit.
Ich bin ja ein Riesenfan von den Basscone Greenbacks - und G12M Green/Gray/Cream/Blackbacks wurden leider nach Ende der 70er nur noch als RI mit 75Hz Cones aufgelegt. Warum man, wenn man einen Heritage G12H mit 55Hz gemacht hat, nicht auch zumindest eine Kleinserie G12M Heritage mit 55Hz gemacht hat, ist mir schleierhaft...
Schließlich habe ich mich noch mal umgesehen und mein "hässliches Entlein" rausgeholt. Wer den Pulsonic 1x1 Thread verfolgt, kenn ihn vielleicht.
Ein vmtl. ehemaliger Gray- oder Creamback von ´74. Keine Kappe mehr da. G12H30 mit 75Hz Cone - allerdings aller Wahrscheinlichkeit nach auch noch ein Pulsonic (Stichwort Conestamp).
Ich hatte diesen vor längerer Zeit sehr erwartungsvoll gekauft - auch weil ich einen guten Preis bekommen habe und bin wieder da gelandet, wo ich immer mit den 75ern lande, zu mittig für mich, zu wenig luftig in den Höhen (anders als die 55er) und weniger rund im Bass.
Der Testdriver war bis dahin immer mein 18w TMB Marshall Clone gewesen, den mir @Bierschinken schön zurechtgemoddet und etwas angetweeded hat. Das hat irgendwie gar nicht gepasst - obwohl das doch die Grail-Kombi sein sollte. Ich habs auch mal mit meinen Heads (Palmer Drei, Burriss Royal Bluesman) probiert und bin immer beim gleichen Ergebnis gelandet. Zu rockig.
Meine Erwartung für den Puretone war also nicht allzu hoch. Aber was soll´s...
Und... krass. Das was bei meinen anderen Amps zu wenig Luft war, hält beim Puretone die nicht unerheblichen Höhenreserven genau am richtig Platz. Sparkle ist noch genug, auch Luft im Cleanton (wenngleich nicht wie beim 55Hz G12H). Die dichteren Mitten aber, lassen den Kettner singen wie ein Vögelchen. Nicht so weich wie der Blackbird, aber sehr tragend. Der Ton ist artikuliert, aber nie hart. Auch mit Gain gehen die Qualitäten nicht verloren, aber der stabile, aber zurückgenommere Bass, die etwas milderen Höhen vertragen sich sehr gut damit, den Verstärker auch ein bisschen zu schieben...
Mal sehen, wie lange die Schwingspule mitmacht. Jedenfalls ich war ziemlich von den Socken, wie der Match von Amp und Speaker solche interessanten Ergebnisse zeitigen kann. Ich wollte den 75Hz G12H ja schon verkauft haben...
Um die Geschichte abzuschließen... Um meinen G12H30 55Hz endlich zu nutzen, habe ich ihn kurzerhand in eine 212 mit dem G12M 55Hz gesteckt.
Die Eminence Alnicos aus den 90ern (P12R Clones, Jensen Style) waren immer cool - aber auch odd.
Aus Spaß habe ich einen davon in meinen 18-Watter geschraubt - und war noch einmal umgehauen. Gerade die pappigen, zurückgenommenen Bässe des Eminence zusammen mit der frühen Kompression und allgemeinen Klarheit der amerikanischen AlNiCos mit schwachen Horseshoemagneten passen so perfekt zu dem Amp.
Ist natürlich, wenn man den Standards folgt, der vollkommen falsche Lautsprecher für den Kleinen.
Das weiß er aber nicht. Klingt grandios wie ein Zwitter aus Marshall und kleinem Tweedcombo. Sehr geil.