Jed
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Es ist schon viel gesagt worden, aber ein paar Kommentare erlaube ich mir noch, da es um Englisch geht.
Im Englischen gibt es zweierlei Akzente: "foreign accents" und "regional accents" (und, ja, "posh accents", aber die kriegen wir später).
Das heißt, wenn einer ein Stück Prosa in "klassischem" Englisch (also mit korrekter Wortwahl und Grammatik) vorliest, kann man sofort erkennen, woher der Leser kommt: ob aus Schottland, Australien, der Karibik, den USA (am regionalen Akzent) oder aus Deutschland, Frankreich, Mexiko, Spanien (am ausländischen Akzent). Bei Indien zögere ich. Ist der markante Akzent der Inder regional oder ausländisch? Meine persönliche Ansicht: er ist regional, denn die Engländer haben ihre Sprache genauso über die Inder gestülpt, wie früher über die Iren, Schotten und Waliser. Und in allen Fällen wird das dort gesprochene Englisch durch die Phonetik der überlagerten Sprache gefärbt.
Aber sofern unser Vorleser sinnerfassend lesen kann, ist sein Akzent für unser Verständnis des Textes unerheblich. ABER VORSICHT! Mit "Unser Verständnis" meine ich "uns Muttersprachler." Wenn ich auf Englisch ein Gespräch mit einem Deutschen und einem Franzosen führe, verstehe ich beide gut; ob die das Englisch des jeweils anderen verstehen, ist noch lange nicht gesagt!
Jetzt sind wir allerdings vom gelesenen zum frei gesprochenen Wort hinübergerutscht.
Hier hat der nicht-Muttersprachler nicht nur mit der Aussprache, sondern auch mit Wortwahl und Grammatik zu tun. Nicht weiter schlimm, denn sofern der Sprecher das geforderte Niveau im "business English" erreicht hat, verstehe ich (als Muttersprachler) ihn ganz gut. Englisch hat kaum Grammatik (höchstens Syntax), und der Wortschatz hat Verwandtschaft sowohl mit den germanischen als auch mit den romanischen Sprechen. Und ich habe noch eine "Metadatenebene" dazugewonnen! War das Vorgelesene bloß ein Text mit Inhalt, so ist die freie Rede ein Text mit Inhalt PLUS die Information, dass die geäußerte Meinung die eines Deutschen bzw. Franzosen ist. Genauso bei den regionalen Akzenten und freier Rede: ich weiß, dass das die Meinung eines gebildeten Schotten, bzw. eines Nordengländers aus der Arbeiterschicht, bzw. eines nigerianischen Akademikers ist.
So, und jetzt zur Musik!
Eigentlich ist das Singen eines Liedes analog dem Vorlesen eines fertigen Textes. Demnach dürfte der Akzent nichts ausmachen. Tut er auch nicht, sofern es sich um einen "klassischen" Text handelt. Beispiel: die viktorianische Ballade "The Last Rose of Summer". Wenn Benjamino Giulini auf der verkratzten 78er Schallplatte singt: "Tees-a tha laast-a rawse awv-a sammerr ..." klingt es toll. Man hört die schöne Stimme, man versteht die schönen Worte, man schwelgt in der schönen Melodie.
Anders ist es z.B. beim Blues. Das Genre an sich distanziert sich vom klassischen, gehobenen Duktus der früheren Populärmusik. Der gesellschaftliche Stand ist nicht mehr irrelevant; Liebe, Schmerz und das Leben allgemein müssen aus der Sicht der bildungsfernen Unterschicht dargestellt werden, und die Sprache muss dazu passen. Diese Bildungsferne stellt sich plakativ in der doppelten Verneinung dar: "I ain't got nothin', I ain't got no-one ..." Und wenn man diese Phrasen singen muss, geht es mit einem "posh"-englischen Akzent nicht. Auch nicht mit einem irischen oder schottischen Akzent. Auch die bildungsfernsten Iren und Schotten verwenden keine doppelte Verneinung, und die Wortform "ain't" kommt ihnen normalerweise nie über die Lippen. In den Arbeitervierteln Londons schon - aber dann stimmt anderswo die Phonetik nicht!
Generell kann man sagen: wenn nicht-standard Formulierungen im Liedtext vorkommen, dann muss der Akzent aus der selben Region kommen. WENN man vor einem muttersprachlichen Publikum singt! Wer in Deutschland als Deutscher für ein deutsches Publikum irische Volkslieder singt, kann die Aufgabe entspannt angehen.
Übrigens: "die Deutschen" sind genauso nett, wie "die Amis"! Nach meiner Erfahrung als Eingewanderter ist mein Akzent den meistens egal - wenn sie ihn überhaupt wahrnehmen. Einen Akzent habe ich schon noch (nach 50 Jahren), und Sprachlehrer merken ihn sofort. Aber auch Laie - einmal sagte einer zu mir, "Ha, des han i glei gwisst, das du a Ausländer bisch!"
"Woran hast du es gemerkt?" fragte ich.
"Eahna fählt des Schwäbische!"
Cheers,
Jed
Im Englischen gibt es zweierlei Akzente: "foreign accents" und "regional accents" (und, ja, "posh accents", aber die kriegen wir später).
Das heißt, wenn einer ein Stück Prosa in "klassischem" Englisch (also mit korrekter Wortwahl und Grammatik) vorliest, kann man sofort erkennen, woher der Leser kommt: ob aus Schottland, Australien, der Karibik, den USA (am regionalen Akzent) oder aus Deutschland, Frankreich, Mexiko, Spanien (am ausländischen Akzent). Bei Indien zögere ich. Ist der markante Akzent der Inder regional oder ausländisch? Meine persönliche Ansicht: er ist regional, denn die Engländer haben ihre Sprache genauso über die Inder gestülpt, wie früher über die Iren, Schotten und Waliser. Und in allen Fällen wird das dort gesprochene Englisch durch die Phonetik der überlagerten Sprache gefärbt.
Aber sofern unser Vorleser sinnerfassend lesen kann, ist sein Akzent für unser Verständnis des Textes unerheblich. ABER VORSICHT! Mit "Unser Verständnis" meine ich "uns Muttersprachler." Wenn ich auf Englisch ein Gespräch mit einem Deutschen und einem Franzosen führe, verstehe ich beide gut; ob die das Englisch des jeweils anderen verstehen, ist noch lange nicht gesagt!
Jetzt sind wir allerdings vom gelesenen zum frei gesprochenen Wort hinübergerutscht.
Hier hat der nicht-Muttersprachler nicht nur mit der Aussprache, sondern auch mit Wortwahl und Grammatik zu tun. Nicht weiter schlimm, denn sofern der Sprecher das geforderte Niveau im "business English" erreicht hat, verstehe ich (als Muttersprachler) ihn ganz gut. Englisch hat kaum Grammatik (höchstens Syntax), und der Wortschatz hat Verwandtschaft sowohl mit den germanischen als auch mit den romanischen Sprechen. Und ich habe noch eine "Metadatenebene" dazugewonnen! War das Vorgelesene bloß ein Text mit Inhalt, so ist die freie Rede ein Text mit Inhalt PLUS die Information, dass die geäußerte Meinung die eines Deutschen bzw. Franzosen ist. Genauso bei den regionalen Akzenten und freier Rede: ich weiß, dass das die Meinung eines gebildeten Schotten, bzw. eines Nordengländers aus der Arbeiterschicht, bzw. eines nigerianischen Akademikers ist.
So, und jetzt zur Musik!
Eigentlich ist das Singen eines Liedes analog dem Vorlesen eines fertigen Textes. Demnach dürfte der Akzent nichts ausmachen. Tut er auch nicht, sofern es sich um einen "klassischen" Text handelt. Beispiel: die viktorianische Ballade "The Last Rose of Summer". Wenn Benjamino Giulini auf der verkratzten 78er Schallplatte singt: "Tees-a tha laast-a rawse awv-a sammerr ..." klingt es toll. Man hört die schöne Stimme, man versteht die schönen Worte, man schwelgt in der schönen Melodie.
Anders ist es z.B. beim Blues. Das Genre an sich distanziert sich vom klassischen, gehobenen Duktus der früheren Populärmusik. Der gesellschaftliche Stand ist nicht mehr irrelevant; Liebe, Schmerz und das Leben allgemein müssen aus der Sicht der bildungsfernen Unterschicht dargestellt werden, und die Sprache muss dazu passen. Diese Bildungsferne stellt sich plakativ in der doppelten Verneinung dar: "I ain't got nothin', I ain't got no-one ..." Und wenn man diese Phrasen singen muss, geht es mit einem "posh"-englischen Akzent nicht. Auch nicht mit einem irischen oder schottischen Akzent. Auch die bildungsfernsten Iren und Schotten verwenden keine doppelte Verneinung, und die Wortform "ain't" kommt ihnen normalerweise nie über die Lippen. In den Arbeitervierteln Londons schon - aber dann stimmt anderswo die Phonetik nicht!
Generell kann man sagen: wenn nicht-standard Formulierungen im Liedtext vorkommen, dann muss der Akzent aus der selben Region kommen. WENN man vor einem muttersprachlichen Publikum singt! Wer in Deutschland als Deutscher für ein deutsches Publikum irische Volkslieder singt, kann die Aufgabe entspannt angehen.
Übrigens: "die Deutschen" sind genauso nett, wie "die Amis"! Nach meiner Erfahrung als Eingewanderter ist mein Akzent den meistens egal - wenn sie ihn überhaupt wahrnehmen. Einen Akzent habe ich schon noch (nach 50 Jahren), und Sprachlehrer merken ihn sofort. Aber auch Laie - einmal sagte einer zu mir, "Ha, des han i glei gwisst, das du a Ausländer bisch!"
"Woran hast du es gemerkt?" fragte ich.
"Eahna fählt des Schwäbische!"
Cheers,
Jed