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Torquemada
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Ich finde es am leichtesten, wenn man die historische Entwicklung langgeht.Hab ich den Unterschied zwischen den Steirischen und den hier besprochenen Diatonischen (wie heißen diese Instrumente jetzt eigentlich richtig auf Akkordeondeutsch? International?) jetzt richtig verstanden?
Zuerst war die Mundharmonika. Hast du als Kind mal Mundharmonika gespielt? Hat eigentlich jeder mal. Irgendwann also im 19. Jhd. hatte die ihr typisches Tonlayout. Die Mundharmonika hat 10 Blaslöcher oder Kanzellen. Tonverteilung sieht so aus:
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | |
Pusten | C | E | G | c | e | g | c' | e' | g' | c'' |
Ziehen | D | G | H | d | f | a | h | d' | f' | a' |
Mundharmonika war schön, aber zu leise. Deshalb hat man da einen Blasebalg drangebaut, und erfunden war das einreihige diatonische Akkordeon mit einer Reihe von 10 Knöpfen im Diskant. Tonlayout wurde minimal verändert, die richtigen Töne beginnen nun schon ab Knopf 3:
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | |
Druck | C | G | c | e | g | c' | e' | g' | c'' | e'' |
Zug | G | H | d | f | a | h | d' | f' | a' | h' |
Nun modulieren leider sehr viele Melodien zwischendurch in die Dominanttonart (und wieder zurück). Deshalb hat man auf den Instrumenten irgendwann eine zweite Reihe im Quintabstand eingebaut. Damit hatten die zwei Reihen:
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | |
Druck | C | G | c | e | g | c' | e' | g' | c'' | e'' |
Zug | G | H | d | f | a | h | d' | f' | a' | h' |
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | |
Druck | ,G | D | G | H | d | g | h | d' | g' | h' | d'' |
Zug | D | Fis | A | c | e | fis | a | c' | e' | fis' | a' |
- Bisher hat das Layout ja nur die weißen Klaviertasten plus ein fis. Es fehlen vier schwarze Tasten. Diese Töne hat man auf die beiden ersten Knöpfe der beiden Reihen verteilt, sodass das endgültige Layout des zweireihigen diatonischen Akkordeons heute so aussieht: [PDF von Hohner] Das hat also eine vollchromatische Oktave zwischen c und c'.
- Das Clublayout hat diese beiden Halbtonknöpfe als eigene Knöpfe auf die neue innere Hilfsreihe genommen (und noch ein paar weiter Veränderungen vorgenommen).
- Das dreireihige diatonische Akkordeon hat statt dessen eine dritte diatonische Reihe in F innen hinzugefügt.
- Die Steirische hat wie die Club Knopf 5 der inneren Reihe gleichtönig gemacht, sodass der Zugton wegfiel (der war ja auf Knopf 7 der äußeren Reihe eh schon da), und hat noch weitere diatonische Reihen (auch jeweils mit Gleichton) innen hinzugefügt.
Ja.Eine Steirische wird mit Reihen aus Knöpfen geliefert, wobei jede Reihe im Diskant in der Regel die Töne einer Tonart hat.
Nein. Auch die Instrumente für Balfolkmusik haben diatonische Reihen, und zwar i. d. R. zwei. Wenn sie eine dritte Reihe haben, kann das eine diatonische Reihe sein, kann aber auch eine Reihe mit Tonumkehrungen und zusätzlichen chromatischen Tönen sein. Zusätzliche chromatische Töne haben aber zumeist auch die Instrumente ohne eigene Hilfstonreihe, und zwar dann jeweils am Reihenanfang.Bei den Geräten hier geht es aber um Instrumente, die alle Töne abbilden. Wir haben also zumindest eine Reihe, die diatonisch ist und eine Tonart abbildet und eine Hilfsreihe, die diese Tonart um andere Töne ergänzt, die nicht aus dem Tonvorrat der ersten Reihe stammen.
Ich finde diese Beschreibung schräg. Ich würde es anders sagen:Trifft folgende historische Beschreibung zu?
Die Akkordeongeschichte hat wichtige Einschnitte: Mit der Einführung der Konverter ab den 1960ern ist die Entwicklung der klassischen chromatischen vollmechanischen Großakkordeons im Wesentlichen abgeschlossen. Bei den Diatonischen findet -wie ich verstanden habe- in unserem Raum gerade ein Umbruch statt. Auf der einen Seite entsteht ein breiteres Angebot an vergleichsweise neuen Steirischen, die nicht von Großkonzernen, sondern von kleineren Handwerksbetrieben gebaut, weiterentwickelt und vermarktet werden (Ich habe gelernt, dass z.B. Jamnik einige Sachen in der Konstruktion anders macht als andere Firmen). Auf der anderen Seite sterben die alten Club-Modelle des Großproduzenten Hohner langsam bei uns aus. An ihre Stelle treten anders konzipierte diatonische Instrumente (Name??), die man im europäischen Folk verwendet. Deren Weiterentwicklung ist im Fluss, weil viele Musiker verschiedenster Herkunft ihre Vorstellungen an die Instrumentenbauer herantragen. Nährboden dafür ist die Verschmelzung verschiedenster Musikstile (Folk verschiedenster Ländern, Blues, Jazz) und damit verbunden die Erweiterung des Tonraums. Jetzt mein Spitzensatz: Ein europäischer Standard, was die Tonbelegung angeht, hat sich noch nicht herausgebildet.
Die ersten diatonischen Akkordeons waren einreihige Instrumente (eine diatonische Reihe, analog wie Mundharmonika). Schon bald wurde die diatonische Reihe um eine zweite diatonische Reihe (in der Dominanttonart) ergänzt. Ein- und zweireihige Instrumente bestehen nebeneinander. Schließlich hat man die fehlenden Halbtöne auf die selten genutzten ersten Knöpfe der beiden Reihen verteilt.
Volkstanzmusik (und damalige Populärmusik) ist häufig dreiteilig mit dem dritten Teil in der Subdominanttonart. Man kann zwar auf einem Zweireiher zur Not auch in der Subdominanttonart spielen, aber es ist nicht richtig bequem. Deshalb hat man dreireihige diatonische Akkordeone gebaut, die also drei quintverwandte Tonarten hatten. Parallel hat Hohner das Clublayout erfunden, das prinzipiell dieselben Möglichkeiten bietet, aber weniger Knöpfe brauchte. Nun bestehen einreihige, zweireihige, dreidreihige diatonische Akkordeon sowie die zweieinhalbreihige Clubharmonika nebeneinander. In Handharmonikaorchestern wird in aller Regel Club gespielt.
Ab den 30er-Jahren hat man in Deutschland das Pianoakkordeon gegen das diatonische Akkordeon propagiert. Neue Akkordeonspieler sind daher, wenn sie was werden wollten, zum Pianoakkordeon gegangen. In den 50er-Jahren wurde der Akkordeonklang generell unmodern. Neue Spieler für die diatonischen Akkordeone gab es in Deutschland quasi nicht mehr. Club und deutsche Zweireiher sterben aus mit ihren Spielern. (Das war in anderen Ländern anders.)
90er-Jahre: Balfolkmusik schwappt aus Frankreich und bringt das diatonische Akkordeon wieder mit, das zweireihige diatonische Akkordeon, weil die Franzosen nie groß Club gespielt haben. Allerdings unterscheiden sich die Stimmungen: In Deutschland (und den Niederlanden) war C/F-Stimmung die Norm. In Frankreich ist G/C-Stimmung die Norm.
Nach der Jahrtausendwende: Zunehmend »virtuose« Spieler meinen, Sie bräuchten mehr Töne und Akkorde. Deshalb nehmen Zweireiher mit Hilfsreihe zu. Standardbelegung dafür ist so was hier: [PDF von Hohner] Da bleiben die beiden diatonischen Reihen ohne Halbtöne erhalten. Die vier fehlenden Halbtöne pro Oktave werden auf zweimal zwei Knöpfe in einer Hilfsreihe gelegt.
Parallel zu alldem entwickelt sich da irgendwo im östlichen Alpenraum die sog. Steirische Harmonika. Ist eine von vielen regionalen Sonderformen. In der Schweiz gibt’s z. B. das Schwyzerörgeli, im Baskenland die Trikitixa etc. pp.
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