Bei Tributebands spielen eine Menge Faktoren eine Rolle bei der Gestaltung, beim Aufbau der Band, natürlich bei der Songwahl, bei der Wahl des Equipments sowie beim Bühnenbild.
Da wäre zunächst einmal der Selbstanspruch. Welchen Authentizitätsgrad strebt man an, zum einen klanglich, zum anderen optisch? Man kann sich etwa als "Revivalband" verstehen, die einfach nur Songs einer Band nachspielt, beim Sound eine "Paßt schon"-Einstellung an den Tag legt (ganz grobe Unterscheidung, etwa akustisch, clean oder crunch) und auf Outfits und Bühnenbild verzichtet, weil das Original das auch nie hatte. Gerade bei einfachen Rockbands wäre das eine Option.
Darauf kann man dann aufbauen und gewisse Punkte steigern. Den Sound etwa. Man kann versuchen, mit Zeugs, das man sowieso hat, ähnliche Klänge wie das Original zu produzieren. Oder sich Equipment zulegen, mit dem man den Originalsound besser imitieren kann. Oder sich Equipment zulegen, mit dem man den Originalsound im Detail replizieren kann. Oder sich genau das gleiche Equipment wie das Original zulegen, was dann auch dem Bühnenbild zuträglich wäre, aber je nach Originalequipment einfach, aber etwas teurer bis komplett unmöglich ist.
Oder das Bühnenbild. Den Anfang machen die Outfits. Etwas ganz grob Ähnliches, das ungefähr ans Original erinnert, oder exakte Repliken der Originaloutfits aus den gleichen Materialien wie beim Original? Das kann man dann noch weiter steigern. Da spielt dann auch wieder das Equipment mit rein, das trägt ja auch zur Optik bei. Oder einzelne Dekosachen oder Lichteffekte. Der Gipfel ist dann das, was bestimmte australische Tributebands machen: Die bauen das komplette Bühnenbild eines Originalkonzerts oder einer Originaltournee inklusive der kompletten Original-Lightshow bis zur letzten Kanne in Originalgröße nach. Die sieht man dann aber auch nicht auf Stadtfesten, sondern eher in Stadien, Mehrzweckhallen oder Konzerthäusern, wo man auch mal mehrere Tage zum Auf- und Abbau hat.
Der nächste Aspekt ist dann der Anspruch der Zuhörerschaft. Was für ein Publikum wird das eigene Konzept ansprechen? Und wen
will man ansprechen?
Ich würde grundsätzlich unterscheiden zwischen vier Zuhörergruppen:
- Der Gelegenheitshörer. Kennt die Originale hauptsächlich aus dem Rundfunk.
- Der moderate Fan. Hat zumindest die wichtigsten Alben, kennt musikalisch also mehr als das, was im Radio läuft, sowohl reine Albumtracks als auch Albumversionen von Songs, die für den Singlerelease oder fürs Radio gekürzt wurden. Kann das eine oder andere Livealbum haben, muß aber nicht.
- Der Hardcore-Fan. Hat mindestens alle regulären Releases, häufig zusätzlich Raritäten, definitiv auch diverse Livealben/-videos, und auch Konzertbootlegs finden sich in seiner Sammlung. Verfügt außerdem über ein umfassendes Wissen über das Original.
- Der Musikerpolizist. Überlappt mit einem der drei obigen Typen, achtet aber zusätzlich auf das verwendete Equipment, die Spielweise der Musiker und je nachdem, welchem Instrument er sich normalerweise widmet, noch mehr auf die klangliche Authentizität als der Hardcore-Fan, weil er als Musiker hören und nachvollziehen kann, wie der Klang gemacht wird.
Jedes Tribute-Konzept zieht eine andere Hörerschaft an, die jeweils andere Erwartungen und Ansprüche hat. Das gilt es einzuschätzen und die Band entsprechend auszurichten. Wenn man sich beispielsweise bis hin zur akribischen Mikrofonwahl einen abbricht, um eine perfekte Truck-Stop-Illusion aufzuziehen, wird man selbst vielleicht mit dem Ergebnis mehr als zufrieden sein und damit, daß man es erreicht hat. Für das Publikum, das zu 90% Truck Stop nur aus dem Schlagerradio kennt und komplett frei von Nerds ist, ist das Perlen vor die Säue. Umgekehrter Fall: Wenn man eine Jarre-Tributeshow ohne weitere Details ankündigt, die dann in Fankreisen die Runde macht, dann ein Yamaha PSR-S550, einen B*hr*ng*r-Mono-Keyboardamp und vier PAR-Kannen mit bunten Folien aufbaut für ein Publikum, das zu 90% aus Hardcore-Jarre-Fans und zu 30% aus Synthesizerspielern besteht, und dann auch noch die Ed-Starink-Versionen spielt, fällt man mit Pauken und Trompeten durch.
Nichtsdestotrotz sollte man als Musiker mit dem Ergebnis zufrieden sein und sagen können, man hat getan, was man konnte. Es ist wenig befriedigend, wenn man z. B. als Keyboarder mit einem Sänger eine Erasure-Tributeand aufzieht, einen mördermäßigen, teilweise echtanalogen Gerätepark auffährt, Vince Clarks Sounds (die Drums hat Clarke mit einem Modularsynthesizer gebaut) bis ins letzte Detail nachbastelt und dann vom Sänger zu hören bekommt, daß das für die Kleinkunstbühnen und LGBT-Veranstaltungen, wo er auftreten will, totaler Overkill ist und du ihn nur mit einem einfachen Keyboard und einer Handvoll Sounds begleiten sollst.
ABBA wurden hier genannt, und ein ABBA-Tribute (bzw. meine Äußerungen dazu) war auch in einem anderen Thread der Auslöser für diesen hier. ABBA sind meines Erachtens ein Sonderfall, weil sie an sich eine breite Hörerschaft ansprechen von der Hausfrau bis zum Synthesizernerd. Somit hängt es von der Tributeband und deren Konzept ab, wie weit sie gehen muß.
Im Gegensatz zu vielen anderen sehe ich den Synthesizerteil bei ABBA als sehr anspruchsvoll und nicht zu unterschätzen an. Gerade die Alben ab Arrival leben von einem dichten Elektronikarrangement und ganz besonderen Klängen, die eben nicht jeder x-beliebige Rompler aus dem Ärmel schüttelt. Diesen ganz besonderen Sound nimmt selbst der Nichtnerd, sogar der Nichtmusiker, unbewußt wahr und wird es sicherlich nicht negativ auffassen, wenn man schön nah an den Originalsound kommt. Noch dazu ist ABBA mit zwei Händen nicht spielbar. Wenn nun eine ABBA-Tributeband der gehobenen Mittelklasse die vier Frontleute optisch und stimmlich sehr treffend nachbildet, und dann steht da ein (1) Keyboarder und spielt auf einer Yamaha MOX8 eine schmerzhaft aufs Allerallernötigste kastrierte Fassung von Benny Anderssons einst so opulenten Arrangements, dann paßt das in meinen Augen nicht zusammen.
Auch wenn es wirklich schwierig ist, Bennys teilweise arg exotische und heutzutage immer noch nicht geklonte Synths (z. B. Moog Polymoog, Yamaha GX-1, NED Synclavier) überzeugend oder auch nur strukturell nachzuahmen, so sollte man trotzdem nicht vollends resignieren und sich aus absolute Minimum beschränken, wenn mehr als die Hälfte der Band auf Authentizität erpicht ist. Da sollte man schon mindestens den Aufwand betreiben, den man normalerweise einer Hammond mit Leslie oder einem Rhodes widmet.
Wohlgemerkt, das ist noch für ungefähr dieselbe Zielgruppe wie Mamma Mia. Noch schwerer hat es eine Tributeband, die die perfekte ABBA-Illusion bieten will, um im gnadenlosen Konkurrenzkampf der hochwertigen ABBA-Tributebands bestehen zu können, und neben Softoldiehörern und alten wie neuen ABBA-Fans sicherlich auch den einen oder anderen Synthfreak und/oder Angehörigen der Musikerpolizei anlockt, der sehen will, ob die Band hält, was sie verspricht. Zum einen braucht man entweder Zuspieler oder vier Keyboarder. Fünf, wenn der Bühnenbenny auch in die Tasten zu greifen gedenkt, denn manche Songs erfordern auch mal weit mehr als zwei oder vier Hände an Synthesizern, man kann nicht alles zweihändig spielen (als nicht klavierverdorbener Vollblut-Synthfreak schon gar nicht), und den Bühnenbenny kann man nicht überzeugend in eine Tastenburg setzen, die unter anderem ein bis zwei Arturia Origins oder gar einen Laptop enthält.
Denn das Equipment ist das andere Problem. Originalsound auf dem Niveau der besten Tributebands der Welt erfordert Originalequipment. Ausweichen auf ABBAs Livegear kommt nicht in Frage, weil von ABBA nicht so viele Liveaufnahmen, offiziell oder Bootleg, kursieren (es gibt genau ein offizielles ABBA-Livealbum), als daß auch nur die Hardcorefans, geschweige denn moderatere Fraktionen, sich an replizierten Original-ABBA-Liveversionen ergötzen würden, jedenfalls weniger als an den Albumversionen. Somit ist man als ABBA-Tributeband praktisch gezwungen, die Studioversionen zu spielen zu replizieren, wenn man wirklich eine ABBA-Illusion auf absolutem Top-Niveau anstrebt.
Erstes Problem damit: Für die perfekte Replica auf dem Niveau der Australian Pink Floyd Show bräuchte man das Originalequipment. Und noch mehr Keyboarder, weil ABBA sich aufgelöst haben, bevor es MIDI gab. Das Originalequipment ist aber teilweise selten, teuer, schwer zu handhaben und anfällig. Der gern für Bässe eingesetzte Minimoog ist da noch am einfachsten zu kriegen und zu warten wohlgemerkt, man braucht immer noch mehrere, weil es in einer Livesituation undenkbar ist, mal eben einen anderen Sound einzudrehen, weil 1971 die Synthesizer noch keinen Speicher hatten man konnte froh sein, den Minimoog nicht mehr mit Patchcords verdrahten zu müssen , und weil der Synthlauf in S.O.S. alleine schon drei Minimoogs benötigt. Das krasse Gegenteil ist die schon erwähnte Yamaha GX-1. Ein weißer Koloß im Gewand einer zweieinhalbmanualigen Konzertorgel. Ungefähr 13 (dreizehn) Stück haben Japan nur verlassen, vermutlich wurden weniger als 50 gebaut, und man darf eine mittlere bis hohe fünfstellige Summe in Euro zahlen, um eine zu erwerben, so denn mal eine zum Verkauf angeboten wird (Benny Andersson hat für seine um die 70.000 US-Dollar hingelegt). Der Spieltisch wiegt 300 kg, die Bank wiegt 67 kg, das Vollpedal wiegt 20 kg. Backstage müssen zwei schalldichte Kammern eingerichtet werden zum originalgetreuen Abmikrofonieren der beiden jeweils 141 kg schweren Yamaha-TX II-Röhrenkabinette. Das Ding ist vollanalog, 100% spannungsgesteuert, diskret aufgebaut (nix mit Chips oder so), und wenn sie nach einer Weile warm ist, darf man 36 Voicecards einzeln nachstimmen. Normalerweise sollte die GX-1 sich nach einem Temperaturwechsel zwei Wochen akklimatisieren. Und wenn mal was kaputtgeht, braucht man Yamaha-Techniker, um sie zu reparieren, und einen Schutzengel, der dafür sorgt, daß nichts kaputtgeht, wofür es keine Ersatzteile mehr gibt. ABBA sind (im Gegensatz zu Led Zeppelin) meines Wissens nie mit der GX-1 getourt, aber wir wollen ja keine Tour nachspielen, sondern die Studioversionen. Außerdem
haben Abb Again wohl mal in Erwägung gezogen, tatsächlich eine GX-1 anzuschaffen, dann aber statt dessen die halbe Welt nach einem (mutmaßlichen) CS80 abgegrast.
Man könnte versuchen, dieses Problem mit realitätsnahen Emulationen zu umgehen. Minimoog-Klone gibt's genügend, sogar in reiner Hardware hat man die Wahl zwischen Arturia (Origin) und Creamware (Use Audio Plugiator, Creamware Noah, Creamware/Sonic Core Minimax ASB), die sind alle näher am Minimoog als ein Voyager. Origin deckt außerdem noch ARP Odyssey Mk I und Avatar (mit 2600-Teilen), Roland Jupiter-8, Sequential Circuits Prophet-5 (sofern Benny keinen V3 mit CEM-Chips hatte), und mit etwas Glück kann man aus (hauptsächlich oder ausschließlich) CS80-Modulen einige der GX-1-Sounds basteln, die dann nur noch eine überzeugende Röhrenampsimulation brauchen. Mellotron M400 und Yamaha CP80 dürften auch nicht schwierig sein, Yamaha GS-1 schon eher mit seiner Klangerzeugung mit zweimal vier FM-Operatoren (wirklich Frequenzmodulation, nicht die Phasenmodulation vom DX7). Die Stringmachine Yamaha SS-30 gehört dann zu den ersten Geräten, für deren Emulation ziemlich zwingend ein Computer gebraucht wird auf Oktavteilern basierende Stringmachines können mit Samples nur sehr ungenügend und virtuell-analog überhaupt nicht nachgebildet werden. Vom Synclavier II (digital, sehr aufwendiger FM-Synth, kam zum Glück erst ab 1980 zum Einsatz) gibt es kein Modeling-VSTi, geschweige denn eine Emulation auf Modelingbasis in Hardware, da steht man also komplett im Regen. Ein ähnliches Problem gibt's beim Polymoog, von dem es nur Samples der Strings gibt und von der Vox Humana der zweiten Generation beides für ABBA nutzlose Sounds. Das Synclavier-Problem kann man umgehen, indem man nichts aus dem letzten ABBA-Album The Visitors spielt, aber ohne wirklich überzeugendes Polymoog-Oktavteiler-Piano kein Eagle (derweil die Polymoog-Strings von Arrival mit 16 Instanzen eines polymoogbestückten, nicht einfach nur auf Kontakt aufsattelnden Stringmachine-VSTi nebst Amp-Simulation machbar wären). Und andere Moog-Emulationen können diesen charakteristischen Sound ebensowenig gut genug reproduzieren wie generische virtuell-analoge Synthesizer, von Samplern/Sampleplayern oder gar Romplern ganz zu schweigen.
Das Ganze nun auf die Bühne zu bringen im Rahmen einer ABBA-Show, die nicht nur eine akustische, sondern auch eine optische Illusion sein soll, stellt das nächste Problem dar. Wie gesagt, der Bühnenbenny ist mitnichten der einzige Keyboarder. ABBA hatten selbst schon mal vier Keyboarder gleichzeitig auf der Bühne (Benny nicht mitgezählt), somit wäre eine Keyboarderarmada denkbar. Aber die würden dann dastehen mit in Hardware gegossenen VSTis (optional), Laptops und Masterkeyboards klanglich authentisch, optisch nicht. Origins, falls vorhanden (weil unnötig, wenn Laptops dabei sind) als Module statt als Keyboards, zusammen mit den anderen Modulen und den Laptops ab in den Backstage, Masterkeyboards vintagemäßig tarnen sieht schon besser aus, klingt genauso, aber die Keyboarder haben auf ihre Gerätschaften keinen Zugriff mehr und müssen sie blind fernsteuern, wenn man nicht ein, zwei Synth-Techs im Backstage hat. Außerdem muß man irgendwie die eine oder andere Stagebox in den Backstagebereich legen. Backingkeyboarder nebst Equipment komplett in den Backstage dann darf man dem Publikum erklären, wo die ganzen Synthsachen herkommen bei einer angeblichen (tatsächlichen) Live-Show, und dann ist da noch das Backstage-Stagebox-Problem.
Ganz ohne Zuspieler kommt man nicht aus. Um einen wirklich authentischen ABBA-Sound zu kriegen, braucht man mehr als nur vier Gesangsstimmen. Ich denke dabei an Songs wie Lay All Your Love On Me oder Move On.
Daß eine solche Produktion nichts für Stadtfestbühnen ist, nicht mal für eine große NDR-Bühne (es sei denn, das ist der einzige Auftritt auf der Bühne den Tag), dürfte klar sein. Die paßt eher in Hallen und Arenen, wo die entsprechend hochwertigere, leistungsfähigere PA dem Soundaufwand gerechter wird.
Ebenso die Show: Wohl kaum eine Band wird solche Lichtanlagen wie Pink Floyd installieren, weil das ja in keinem Verhältnis stehen würde.
Interessanterweise macht The Australian Pink Floyd Show ganz genau das: Sie baut die Lichtanlage einer tatsächlich stattgefundenen Pink-Floyd-Tour 1:1 nach, und zwar bis hin zu Projektionen. Brit Floyd scheint sie darin sogar noch zu übertreffen.
Ich will ja nichts sagen, aber selbst The Wall ist schon von TAPFS inszeniert worden. Nicht die gigantische Roger-Waters-Version von 1990, aber die Pink-Floyd-Version von 1979 war auch schon so opulent, daß sie nur viermal aufgeführt wurde. So ziemlich der einzige Unterschied zwischen Pink Floyd und TAPFS war, daß, wenn ich mich nicht irre, bei TAPFS ein rosa Känguruh die Mauer umgeworfen hat. Wohlgemerkt, sie hätten ohne weiteres auch das Schwein nachbauen können, das wäre auch nicht schwieriger gewesen als ihr rosa Markenzeichen.
Bei den Keys würde ich es nicht so eng sehen. Natürlich sollte z.B. für Deep Purple eine Hammond auf der Bühne stehen oder für Manfred Mann ein Moog. Oder noch wichtiger Doors mit Vox Continental, aber sonst wäre ich da ziemlich offen, so lange der Sound hinkommt.
Wenn bei Manfred Mann (Earth-Band-Tribute) ein leibhaftiger Moog Minimoog Model D steht, dann hat man schon einen klanglichen Authentizitätsanspruch, der es notwendig macht, auch das andere Vintagezeugs dazuzustellen. Oberheim SEM (das alte, nicht die Neuauflage), das per CV/Gate am Minimoog hängt, Yamaha CP70 usw. usf.
Eine leibhaftige Vox Continental reicht für einen Ray Manzarek auch nicht. Wenn, dann muß man so konsequent sein und zumindest eine Gibson G101, ein Rhodes Mk I und mindestens einen Rhodes Piano Bass dazustellen. Mindestens einen, am besten mehrere, damit sich der Keyboarder nicht verrenken muß, wenn er mit rechts mal das Rhodes, mal die Vox und mal die Gibson spielt und mit links trotzdem den Piano Bass weiterspielt.
Ist aber schon interessant. Hammond B3, Leslie 122, Vox Continental, Rhodes, Wurlitzer und Clavinet haben bitteschön so authentisch wie irgend möglich zu sein, am besten the real deal. Der Minimoog vielleicht auch noch. Aber alle anderen Synths und dergleichen können gern aus dem Sample-ROM einer Einsteigerworkstation kommen oder durch den jeweils ähnlichsten ROM-Samplesound ersetzt werden (was nicht heißt, daß der dann ähnlich ist), vom ARP Odyssey bis hin zu Emulator-Sampleklassikern wie die Vox Humana aus dem Polymoog Keyboard (Art Of Noise Moments In Love, Jean Michel Jarre Zoolook) oder die Shakuhachi (Peter Gabriel Sledgehammer, Enigma Sadeness Part 1), wo statt dessen irgendein Chor oder irgendeine Flöte genommen wird.
Die Frage wäre eher, muss da bei einer Supertramp Tribute wirklich ein Wurlitzer 200A stehen? Würde das überhaupt jemandem auffallen, und wenn, wie vielen? Nur Musikern, oder auch nicht-Musikern? Der Sound ist entscheidend, und da wir hier ausschließlich über live reden, behaupte ich, dass da fast jede Workstation einen ausreichend authentischen Sound produzieren könnte, den niemand - zumindest live über eine PA - von einem original Wurli unterscheiden könnte.
Trotzdem schwören viele auf Nord Electro und Nord Stage, auch wenn eine MOX das wohl auch könnte. Siehe Hammond. Anscheinend reicht ein Rompler für alles bei Hammond dann aber doch wieder nicht, da muß es ein roter Schwede sein, der seine Rotary-Simulation auch nicht verwenden darf, weil statt dessen ein nochmals authentischerer Ventilator zum Einsatz kommt. (Wieso macht nie einer so einen Aufriß um einen Prophet-5?)
Das große Moog Modular von Keith Emerson wäre schon wieder ein größeres Problem, wobei man da sicher auch mit einer Atrappe arbeiten könnte. Ich weiß z.B. aus erster Quelle dass Klaus Schulze himself auf seiner Japan Tournee diverse Systeme aufgebaut hatte, sie aber überhaupt nicht eingesetzt wurden, sondern nur da standen und blinken mussten, weil die Japaner da so scharf drauf waren.
Da fragt man sich dann aber, wie eine Tributeband, die ein Modularsystem nur als Attrappe aufstellt, dann alle Modularsounds 1:1 mit einer Workstation nachbauen will. Oder überhaupt mit Hardware, die weder von Clavia (Nord Modular) noch von Arturia (Origin) kommt.
Und was überhaupt wären die typischen Synthies die für eine Pink Floyd Tribute auf die Bühne müssten, wobei sie in den letzten Jahren selbst live Kurzweils auf der Bühne hatten?
Wenn du die siechen Pink Floyd der 90er replizierst, kannst du getrost mit Kurzen arbeiten. Wenn du aber TAPFS und Brit Floyd Konkurrenz machen und die Pink Floyd der 70er replizieren willst, geht das nicht mehr.
Wir reden jetzt mal nicht über ein Jean-Michel Jarre Tribute... da würde es definitiv schwierig werden, denn gerade der Besucherkreis wären sicherlich zu 90% Musiker, die sich ja schon mokieren, wenn Jarre selbst nicht das Original, sondern nur ein Mark II dabei hatte. Ansonsten gehört der wohl noch zu den Verrückten, die das ganze alte Zeugs, egal wie teuer oder empfindlich auf die Bühne schleppen.
Das dürfte der Grund sein, warum es keine (aktive) Jarre-Tributeband gibt: Der Aufwand, um die Fans zufriedenzustellen (wie gesagt, fast alles Hardcorefans und viele Synthfreaks darunter), ist immens. Sound und Optik (im aktuellen Tourmaßstab, ich rede nicht von einer Paris La Défense-Replica) ist so ziemlich unmöglich, nicht nur, weil man heute wohl kaum noch mal eben an einen EMS VCS3 Mk I, einen VCS3 Mk II, vier EMS Synthi AKS, einen von 100 gebauten ARP 2500, einen RMI Harmonic Synthesizer und einen Moog 55 Modular kommt, von einem
zuverlässigen Memorymoog als eins der Hauptkeyboards ganz zu schweigen, um die In>Doors-Tour zu replizieren, sondern weil Sachen wie der Geiss Digisequencer Einzelstücke sind. Nur Sound wäre mit massivem VSTi-Einsatz möglich, aber die Optik leidet. Jarre hat nie Laptops im Setup gehabt, selbst in Gdańsk nicht. Wenn man die Leute nicht mit massiven Synthesizerburgen (und darin nur Zeugs, das Jarre tatsächlich mal gespielt hat) beeindrucken kann, braucht man eine gigantische Licht- und Lasershow. Und weder mit Originalgear noch mit Rechnern geht es auch nicht, weil ich mal zu behaupten wage, daß selbst eine Supernova oder ein Nord Modular trotz vorhandener 18-dB-Filter ungeeignet ist, einen EMS-Synthi nachzuahmen. Von der wahrscheinlich genehmigungspflichtigen offenen Laser Harp mit 60-Watt-Laser ganz zu schweigen.
Irgenwie scheinen Tribute Bands angesagt zu sein. Beim letzten Maschseefest in Hannover waren an 19 Tagen 140 Bands, ohne Ende Tribute Bands dabei, sogar Eintritt frei, und die Bands haben garantiert nicht für lau gespielt.
Bei einfacheren Tributebands (also maximal die Klasse Quo, Bon Scott, Pfefferminz) ist das tatsächlich so, und zwar schon länger. Das Logo hier in Hamburg hat jeden Sommer mehrere Wochen jeden Abend eine andere Tributeband auf der Bühne. Und die Kieler Woche wäre nicht die Kieler Woche ohne Tributebands.
Ist auch immer die Frage, wie nah muss die ganze Geschichte am Original sein? Der Musiker hat sicherlich einen anderen Anspruch als der "gemeine" Zuhörer oder Zuschauer.
Wie gesagt, das hängt ab a) vom Original, b) von dem, was das Original an Fans hat, und dann c) davon, wen von diesen Fans man ansprechen will. Generell gilt: Je aufwendiger das Original ist, um so notwendiger ist es, denselben Aufwand beim Tribute zu betreiben, denn um so aufmerksamer und kritischer, wenn nicht gar nerdiger, sind die Fans.
Martman