Da ja ein Orchester wohl (immer?) wohltemperiert ist, da ja ein Klavier oder die meisten Blechblasinstrumente es sind macht es doch hier dann Sinn wenn man das besagte Bb verstärken will es anders zu notieren oder?
Im Orchester richtet man sich (zumindest theoretisch) eher nach der reinen Quint-Terz-Stimmung, insbesondere was die Streicher anbelangt. Es kommt allerdings vor, dass reinstimmige und temperierte Instrumente zusammen spielen, z.B. wenn man ein Klavier einsetzt. Blasinstrumente lassen sich meines Wissens nach auch nur bedingt temperiert spielen; zumindest habe ich da so etwas in der Richtung bei Martin Vogel gelesen, habe mich aber noch nicht ausreichend damit befasst.
Die Schreibweise mit ' und \ kannte ich noch gar nicht muss ich mir gleich mal genauer anschauen =)
Das ' wird allgemein bei der deutschen Notation dazu verwendet, die unterschiedlichen Oktavlagen zu notieren, zusammen mit Groß-/ Kleinschreibung, z.B. C'' C' C c c' c''. Im Englischen dagegen benutzt man Zahlen für die Oktavlage, also C2 C3 C4 etc. Ich muss auch zugeben, dass ich hier ein wenig die deutsche und englische Schreibweise vermischt habe, das sollte man eigentlich vermeiden.
Was die Notation von Mikrotönen anbelangt gibt es unterschiedliche Ansätze. Einer ist der von mir erwähnte (und bevorzugte) Ansatz, bei dem man unsere Notation für Töne der pythagoreischen Stimmung verwendet, die man durch zusätzliche Komma-Notation noch so erweitern kann, dass man jeden beliebigen Ton einer unbeschränkten reinen Stimmung exakt notieren kann. Diese Notation kann auch für beliebige gleichstufige Stimmungen verwendet werden, wenn der Kontext klar ist, und ist deshalb sehr universell einsetzbar. Dabei gibt es keine absolut klare Konvention, wie man die Komma-Abweichungen notiert, auch wenn einige Notationsformen weiter verbreitet sind als andere. Deshalb ist es am Besten, man definiert am Anfang, welches Versetzungszeichen welche Bedeutung hat. \ bzw. / als Erniedrigung bzw. Erhöhung um ein syntonisches Komma ist eine Notationsmöglichkeit, es gibt aber auch andere. Sehr verbreitet ist auch ein Ober- und Unterstrich für das syntonische Komma, wie man
hier gut sehen kann. Nicht einheitlich dagegen ist, ob nun der Oberstrich oder der Unterstrich zur Erniedrigung um das syntonische Komma verwendet wird.
Ein weiterer verbreiteter Ansatz ist der, dass man bei den üblichen Notennamen von Tönen der 12-Stufigen Stimmung ausgeht, und Abweichungen z.B. als 3tel, 4tel, 6tel, 8tel oder 12tel-Töne notiert. Dadurch lassen sich theoretisch zwar keine Obertöne oder sonstige Töne in reinstimmigem Verhältnis zu anderen Tönen erzeugen, aber zumindest annähern. Diese Methode eignet sich gut für gleichstufige Stimmungen, die auf einer 12er-Einteilung basieren (12et, 24et, 36et, ...), ist aber in sonstigen Stimmungssystemen (z.B. 19et, 31et, 53et) eher unbrauchbar. Auf diese Notationsform bezieht sich auch der von dir genannte Link (
http://martin.roell.net/stuff/mikrotoene.shtml ), die obige Notation für die Vierteltöne (halbes #, gespiegeltes b) ist meines Wissens nach auch relativ verbreitet. Da Eb und D# in solchen 12er-Systemen gleich klingen, gibt es hier teilweise die Konvention, kein b-chen zu verwenden, und nur dann ein #-chen wenn nötig, aber das ist Geschmacksache.
Ein dritter Ansatz ist der, dass man ausschließlich pythagoreische Notennamen verwendet, und den Umstand nutzt, dass das pythagoreische Komma (23.5 Cent) sich kaum von dem syntonischen Komma (21.5 Cent) oder dem Leipziger Komma (27 Cent) unterscheidet. Z.B. liegt Fb ein pythagoreisches Komma unter E, unterscheidet sich also kaum von E\, das ein syntonisches Komma unter E liegt. Einen Dur-Dreiklang würde man hier also C - Fb - G notieren (statt C E\ G), einen Moll-Dreiklang C Dis G (statt C Eb/ G). Eine Obertonreihe ließe sich aufschreiben als C' C G c fb g cbb c'. Diese Notationsform ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig, und wegen der oft vielen Vorzeichen auch unübersichtlich.
Zum Schluss wäre da noch der im klassischen Orchester verbreitete Ansatz, dass man die Töne einfach wie üblich verwendet, und dem Musiker die Interpretation überlässt. Wenn man C E G schreibt weiß der Musiker, dass er das E etwas tiefer spielen muss, damit sich ein reinstimmiger Dur-Dreiklang ergibt. Es gibt allerdings Situationen, in denen die sinnvollste Interpretation nicht ganz offensichtlich ist, was dann insbesondere beim Zusammenspiel zum Problem werden kann. Bei dieser Notationskonvention kann man übrigens den Umstand nutzen, dass eine übermäßige Sexte, intoniert als Oktave - zwei kleine Sekunden 16:15 eine gute Annäherung an die Naturseptime ergibt, man könnte also den Anfang einer Obertonreihe folgendermaßen notieren: C' C G c e g a# c' (der ausführende Musiker sollte wissen, dass er das e aus harmonischen Gründen tiefer spielen sollte, und dass a# in der Regel etwas tiefer liegt als bb). Diese Notation kann auch problemlos als exakte Notation für die (nicht notwendig auf 12 Töne beschränkte) mitteltönige Stimmung verwendet werden, da das syntonische Komma hier austemperiert wird und sich der Musiker keine Gedanken darum machen muss, außerdem wird hier die Naturseptime besonders gut über die übermäßige Sexte angenähert.
...du siehst es gibt hier unterschiedliche Möglichkeiten, jede mit ihren Vor- und Nachteilen, und mit Fokus auf unterschiedliche Stimmungssysteme.