Ohmann, was für eine Schönheit
Ich habe mal gehört das Schellack extrem empfindlich sein soll. Stimmt das?
Und wie lange musstest du auf die fertige Gitarre warten?
hey
@Chris@guitar:
sorry, dass ich mich jetzt erst melde, aber ich war in letzter Zeit recht beschäftigt und selten hier:
vielen Dank für die Komplimente für die Gitarre, ich werde sie mal an den "Erschaffer" weitergeben.
Schellack ist sehr empfindlich, was Kratzer und dergleichen angeht, das stimmt. Auch im Vergleich zu Nitrolack, der auch nochmal etwas empfindlicher wie PU-Lack ist. Die Gitarre hat nach ein paar Monaten intensiven Spielens schon mehr Spielspuren als eine mit Nitrolack behandelte Gitarre. Das Erscheinungsbild altert aber ästhetisch, wie eine Möbel-Antiquität.
Der Zauber der Lackierung ist tatsächlich die Schwingungsfreudigkeit des Holzes, die auch nicht mit einer Nitrolackierung zu vergleichen ist. Die Dicke des Lacks ist nur ein Bruchteil von dem mit Nitro.
Und da komme ich ergänzend zu dem, was
@hatschipu geschrieben hat:
Schellack ist empfindlich gegen Schweiß und Hitze und Alkohol. Das ist keine robuste Versiegelung wie ein PU-Lack. Er wird verhältnismäßig dünn aufgetragen, wodurch er bessere Schwingungseigenschaften der Decke ermöglicht. Und man kann Schäden leicht ausbessern, im Gegensatz zu Kunststofflacken.
Schellack wird in sehr vielen Schichtprozessen quasi Hauch für Hauch aufgetragen. Das Verfahren mit Ballen ist da das Mittel der Wahl und das muss gekonnt bzw. geübt werden. Die Oberfläche wird da mit einem mit Schellack getränkten Ballen ganz leicht vollständig benetzt, das trocknet an und dann kommt die nächste Schicht. Der Haken dabei ist, dass wenn man beim Benetzen stehenbleibt, der Ballen sofort anklebt und die Lackierung praktisch unmittelbar im Eimer ist und man schlimmstenfalls wieder von vorne beginnt. D.h. mit Alkohol entlacken und neu lackieren.
Lasst Euch von dem Video hier nicht täuschen. Da sieht es total simpel aus. Die Sättigung des Ballens und die Auftragtechnik sind aber tückisch.
Die Lackierung mit Schellack hat sich über 3 Wochen gezogen. Eben wegen den einzelnen Schichten hauchdünnen Auftragens und wieder Trocknenlassens.
Entlacken geht mit Alkohol in der Tat brutal einfach. Dementsprechend ist auch die Oberfläche empfindlich gegenüber Alkohol, aber auch mit den üblichen Reinigersprays wie die von Dunlop würde ich da nicht rangehen. Auch sollte man allzu nasse (mit Wasser) Tücher unterlassen. Das kann den Lack milchig machen.
Deswegen muss ich dem auch widersprechen, dass man Schäden leicht ausbessern lassen kann. Man löst ja nicht nur den Lackkratzer selbst an, man löst ja die unmittelbare Umgebung mit an und trägt sie damit eigentlich sofort ab. Dann hat man zwischen der alten bestehenden Schicht und der angelösten Schicht schon einen Höhenunterschied und somit eine Kante, die man nie mehr durch kleine Flächenkaschierung ausgleichen kann.
Man hat da absolut keine Chance, bei kleinflächiger Behandlung einen sauberen Übergang zwischen dieser alten und neuen Lackzone hinzubekommen. Zudem: umso kleiner der Auftrageballen ist, desto sicherer ist, dass Du damit beim Auftragen hängen bleibst, weil er zu trocken wird.
Unterm Strich hast Du bei ungeübten Reparaturversuchen die Wahl zwischen einer Kante zwischen neuer und alter Lackzone oder einen Abdruck des angetrockneten Auftrageballens.
Warum tut man sich das dann mit Schellack überhaupt an?
Die Gitarre hat eine Reaktionsfreudigkeit und Detailliertheit, wie ich sie bei keiner zuvor erlebt habe. Neben der Holzauswahl, der angepassten Deckendicke und Beleistung denke ich, dass der dünne Lack der Decke seinen Teil dazu beiträgt.
Der Lack sieht neu und im used-Look phänomenal aus und fühlt sich gut an. Die Contra-Argumente der Empfindlichkeit gelten für mich nicht, weil ich sie sowieso nur zuhause spiele, also nicht die Robustheit einer Bühnengitarre brauche und sie trotzdem gut pflegen kann. Als Alternative wäre auch ein Öl- oder Nitrofinish möglich gewesen.
Gewartet habe ich auf die fertige Gitarre so 5 Monate. Mittlerweile sieht es mit den Wartezeiten etwas anders aus, weil Martin mit Pickup- und E-Gitarrenbau sehr ausgelastet ist.