Daniela Violine
Registrierter Benutzer
Hallo zusammen,
wenn ich die Beiträge hier so lese, komme ich mir als Arrangeurin vor wie der Tausendfüßler, der nicht mehr laufen kann, sobald man ihn an die Anzahl seiner Beine erinnert. Wenn ich so ein Lied arrangieren soll, sehe ich mir zunächst den Text an. Trenet gibt hier eine Momentaufnahme, ein Stimmungsbild. Vielleicht eine Abendstimmung an der Atlantikküste? Wer weiß. Bei seiner Interpretation wächst mit dem Fortgang immer mehr seine Begeisterung für dieses Meer. Auch die Begleitung wird immer lebendiger. Ich würde die Begleitung bis zum Ende durcharrangieren, so wie das ja auch auf der Aufnahme zu hören ist. (Natürlich kann man die Melodie nehmen und ein Swing-Arrangement schreiben. Dann hat das jedoch nichts mehr mit dem Lied selber zu tun.) Als zweites versuche ich die rhythmische Struktur des Liedes zu erfassen. Auch wenn es wie in den Notenbeispielen im 4/4 Takt steht, so höre ich es als alla breve. 16tel-Noten und eine unruhig rhythmisierte Bassbegleitung stören die Struktur des Liedes. Zumindest ganz am Anfang. Wenn man die 16tel in etwa so spielt wie die Achtelbegleitung der Aufnahme, dann müsste die Gesangsstimme langsamer ablaufen. Damit wird der Text zerdehnt, der ja in etwa einer Sprechgeschwindigkeit nahekommen sollte. Später, wenn die Begeisterung für dieses Meer steigt, kann man 16tel als umspielende Verdichtung des Ausdrucks einsetzen. Die Bassdurchgänge würde ich übernehmen, wie im Original.
Es macht für mich immer einen großen Unterschied, ob es sich um gesungenen Text handelt, oder um reine Musik.
Am wenigsten mache ich mir inzwischen Gedanken über Tonsatzregeln, wer sie zuerst beschrieben hat und warum. Vielleicht liegt das daran, dass ich anders strukturiert vorgehe. Bevor ich etwas zu Papier bringe, habe ich meist eine präzise Vorstellung davon, was am Ende herauskommen soll.
@juergen001 vielleicht machst Du Dir die Mühe, das ganze Lied durchzuarrangieren. Ich weiß, das ist viel Arbeit, aber es rentiert sich! Dafür geht es beim nächsten mal garantiert schneller. Einfach die Originale noch ganz oft anhören, darüber nachdenken, was der Text im Fortgang alles ausdrückt. Vielleicht auch ein wenig herumimprovisieren am Klavier. So ein Projekt muss wachsen. Du hast schon so viel tolle Arbeit hineingesteckt, dass es sich wirklich rentiert weiterzumachen.
——————————
Um ein Beispiel zu bringen wie ich vorgehe:
Der Auftrag war: Lieder von Astor Piazzolla zu arrangieren, für Klaviertrio und Gesang. Da das noch vor Zeiten von Youtube war, stand mir lediglich eine Aufnahme von Milva mit einem kleinen Tango-Orchester (tolle Musiker im übrigen) zur Verfügung. Brauchbare Noten dazu, waren zu diesem Zeitpunkt nicht aufzutreiben. Die Sängerin, für die ich arrangieren sollte, ist eine hervorragende Opernsängerin; eine ganz andere Stimme also. Das Klaviertrio sind klassische Musiker, die es nicht gewohnt sind zu improvisieren. Die Musiker auf der CD konnten das offensichtlich, besonders der großartige Bandoneonspieler. Meine Musiker brauchten einen genauen Notentext. Es musste also meine Interpretation dessen werden, was ich da gehört und Empfunden habe. Trotzdem sollte stilistisch aber möglichst viel von Piazzolla übrig bleiben. Da es sich bei allen um hervorragende Musiker handelt, konnte ich jedoch auch davon ausgehen, dass am Ende von denen noch eine Menge interpretatorischer, eigener Ideen umgesetzt werden. Sie kannten die zugrunde liegende CD ja auch. Das sollte man alles bedenken, bevor man zu arbeiten beginnt. Ein Arrangement ist immer nur so gut, wie die Musiker, die es dann spielen. (Man darf deshalb nicht zu überheblich werden, wenn es am Ende gut klingt.)
Ich habe mir also die CD immer und immer wieder angehört, um die Stimmung zu erfassen und um eine Idee zu bekommen, wie ich das für eine ganz andere Besetzung und eine ganz andere Sängerin umsetzen kann. Das geringste Problem ist für mich bei so einem Projekt die Harmonisierung. Die steht sowieso in etwa fest. Außerdem denke ich meist eher kontrapunktisch. Besonders in einer solchen Besetzung. Ich habe ja zusätzlich zur Singstimme noch zwei Melodieinstrumente zur Verfügung, die ich korrespondierend zur Gesangsstimme einsetzen möchte. Nicht zu vergessen, dass auch das Klavier für Umspielungen zur Verfügung steht. Beim Schreiben bin ich mir fast nie irgendwelcher Tonsatzregeln bewusst. Wenn es komplizierter wird, muss ich daran denken, dass sich die jeweiligen Stimmen auch auf dem Instrument gut umsetzen lassen. Das setzt natürlich eine Menge Erfahrung und auch theoretische Kenntnisse voraus. Das war im vorliegenden Fall natürlich kein Problem, da ich ja selber vom Streichinstrument komme. Habe jedoch bereits auch eine Menge für ganz andere Instrumente geschrieben. Also auch beim Arrangieren heißt es Üben …. Üben … Üben! Ich gehöre noch zu der Generation, die das ohne Computer lernen mussten. War also nix mit Ausprobieren am Sequenzer.
Zurück zu meinem Beispiel:
Astor Piazzolla:
Chiqulin de Bachin (Text: H. Ferrer)
(deutsche Übersetzung übernommen aus: Arne Birkenstock, u.a.: Tango)
wenn ich die Beiträge hier so lese, komme ich mir als Arrangeurin vor wie der Tausendfüßler, der nicht mehr laufen kann, sobald man ihn an die Anzahl seiner Beine erinnert. Wenn ich so ein Lied arrangieren soll, sehe ich mir zunächst den Text an. Trenet gibt hier eine Momentaufnahme, ein Stimmungsbild. Vielleicht eine Abendstimmung an der Atlantikküste? Wer weiß. Bei seiner Interpretation wächst mit dem Fortgang immer mehr seine Begeisterung für dieses Meer. Auch die Begleitung wird immer lebendiger. Ich würde die Begleitung bis zum Ende durcharrangieren, so wie das ja auch auf der Aufnahme zu hören ist. (Natürlich kann man die Melodie nehmen und ein Swing-Arrangement schreiben. Dann hat das jedoch nichts mehr mit dem Lied selber zu tun.) Als zweites versuche ich die rhythmische Struktur des Liedes zu erfassen. Auch wenn es wie in den Notenbeispielen im 4/4 Takt steht, so höre ich es als alla breve. 16tel-Noten und eine unruhig rhythmisierte Bassbegleitung stören die Struktur des Liedes. Zumindest ganz am Anfang. Wenn man die 16tel in etwa so spielt wie die Achtelbegleitung der Aufnahme, dann müsste die Gesangsstimme langsamer ablaufen. Damit wird der Text zerdehnt, der ja in etwa einer Sprechgeschwindigkeit nahekommen sollte. Später, wenn die Begeisterung für dieses Meer steigt, kann man 16tel als umspielende Verdichtung des Ausdrucks einsetzen. Die Bassdurchgänge würde ich übernehmen, wie im Original.
Es macht für mich immer einen großen Unterschied, ob es sich um gesungenen Text handelt, oder um reine Musik.
Am wenigsten mache ich mir inzwischen Gedanken über Tonsatzregeln, wer sie zuerst beschrieben hat und warum. Vielleicht liegt das daran, dass ich anders strukturiert vorgehe. Bevor ich etwas zu Papier bringe, habe ich meist eine präzise Vorstellung davon, was am Ende herauskommen soll.
@juergen001 vielleicht machst Du Dir die Mühe, das ganze Lied durchzuarrangieren. Ich weiß, das ist viel Arbeit, aber es rentiert sich! Dafür geht es beim nächsten mal garantiert schneller. Einfach die Originale noch ganz oft anhören, darüber nachdenken, was der Text im Fortgang alles ausdrückt. Vielleicht auch ein wenig herumimprovisieren am Klavier. So ein Projekt muss wachsen. Du hast schon so viel tolle Arbeit hineingesteckt, dass es sich wirklich rentiert weiterzumachen.
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Um ein Beispiel zu bringen wie ich vorgehe:
Der Auftrag war: Lieder von Astor Piazzolla zu arrangieren, für Klaviertrio und Gesang. Da das noch vor Zeiten von Youtube war, stand mir lediglich eine Aufnahme von Milva mit einem kleinen Tango-Orchester (tolle Musiker im übrigen) zur Verfügung. Brauchbare Noten dazu, waren zu diesem Zeitpunkt nicht aufzutreiben. Die Sängerin, für die ich arrangieren sollte, ist eine hervorragende Opernsängerin; eine ganz andere Stimme also. Das Klaviertrio sind klassische Musiker, die es nicht gewohnt sind zu improvisieren. Die Musiker auf der CD konnten das offensichtlich, besonders der großartige Bandoneonspieler. Meine Musiker brauchten einen genauen Notentext. Es musste also meine Interpretation dessen werden, was ich da gehört und Empfunden habe. Trotzdem sollte stilistisch aber möglichst viel von Piazzolla übrig bleiben. Da es sich bei allen um hervorragende Musiker handelt, konnte ich jedoch auch davon ausgehen, dass am Ende von denen noch eine Menge interpretatorischer, eigener Ideen umgesetzt werden. Sie kannten die zugrunde liegende CD ja auch. Das sollte man alles bedenken, bevor man zu arbeiten beginnt. Ein Arrangement ist immer nur so gut, wie die Musiker, die es dann spielen. (Man darf deshalb nicht zu überheblich werden, wenn es am Ende gut klingt.)
Ich habe mir also die CD immer und immer wieder angehört, um die Stimmung zu erfassen und um eine Idee zu bekommen, wie ich das für eine ganz andere Besetzung und eine ganz andere Sängerin umsetzen kann. Das geringste Problem ist für mich bei so einem Projekt die Harmonisierung. Die steht sowieso in etwa fest. Außerdem denke ich meist eher kontrapunktisch. Besonders in einer solchen Besetzung. Ich habe ja zusätzlich zur Singstimme noch zwei Melodieinstrumente zur Verfügung, die ich korrespondierend zur Gesangsstimme einsetzen möchte. Nicht zu vergessen, dass auch das Klavier für Umspielungen zur Verfügung steht. Beim Schreiben bin ich mir fast nie irgendwelcher Tonsatzregeln bewusst. Wenn es komplizierter wird, muss ich daran denken, dass sich die jeweiligen Stimmen auch auf dem Instrument gut umsetzen lassen. Das setzt natürlich eine Menge Erfahrung und auch theoretische Kenntnisse voraus. Das war im vorliegenden Fall natürlich kein Problem, da ich ja selber vom Streichinstrument komme. Habe jedoch bereits auch eine Menge für ganz andere Instrumente geschrieben. Also auch beim Arrangieren heißt es Üben …. Üben … Üben! Ich gehöre noch zu der Generation, die das ohne Computer lernen mussten. War also nix mit Ausprobieren am Sequenzer.
Zurück zu meinem Beispiel:
Astor Piazzolla:
Chiqulin de Bachin (Text: H. Ferrer)
(deutsche Übersetzung übernommen aus: Arne Birkenstock, u.a.: Tango)
| Des nachts verkauft das schmutzige Gesicht des Engels in Blue Jeans Rosen an den Tischen der Kneipe in Bachín: wenn der Mond auf den Grill scheint, ißt er Mond und verkohltes Brot | |||
| Cada día en su tristeza que no quiere amanecer, lo madruga un seis de enero con la estrella del revés; y tres reyes gatos roban sus zapatos uno izquierdo y el otro ... también! | Jeden Tag in seiner Tristesse, die nicht aufklaren will, weckt ihn ein sechster Januar mit der Kehrseite des Sterns; und drei diebische Könige stehlen seine Schuhe den linken und den anderen ... dazu! | ||
Chiquilín dame un ramo de vos así salgo a vender mis vergüenzas en flor ... ! Beleáme con tres rosas que duelan a cuenta del hambre que no te entendí Chiquilín ... | Chiquilín schenke mir einen Deiner Sträuße, damit ich meine Scham als Blumen verkaufen gehen kann ... ! Bewerfe mich mit drei Rosen, die schmerzen sollen, auf Rechnung Deines Hungers, den ich nicht verstand. Chiquilín ... | |||
Cuando el sol pone a los pibes delantales de aprender, él aprende cuanto cero le quedaba por saber; y a su madre mira, yira que te yira pero no la quiere ver ... | Wenn die Sonne den Kindern die Schürze des Lernens anzieht, lernt er, dass ihm nichts zu wissen übrigblieb, und schaut seine Mutter an, die an der Straße auf und ab geht, aber will sie nicht sehen. | |||
Cada aurora, en la basura con un pan y un tallarín, se fabrica un barrilete para irse ... y sigue! Es un hombre extraño - niño de mil añosque por dentro le enreda el piolín ... | Jede Morgenröte, im Müll mit einem Brot und einer Nudel; baut er sich einen Drachen, um wegzufliegen ... und bleibt! Er ist ein komischer Mensch - tausend Jahre altes Kind, dem sich innerlich die Drachenschnur verwickelt. | |||
Chiquilín dame un ramo de vos así salgo a vender mis vergüenzas en flor ... ! Beleáme con tres rosas que duelan a cuenta del hambre que no te entendí Chiquilín ... | Chiquilín schenke mir einen Deiner Sträuße, damit ich meine Scham als Blumen verkaufen gehen kann ... ! Bewerfe mich mit drei Rosen, die schmerzen sollen, auf Rechnung Deines Hungers, den ich nicht verstand. Chiquilín ... | |||
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