Auf Beerdigung singen - argh

Mir hilft es manchmal, die kommende Situation im Kopf bildlich ganz oft durchzuspielen - und zwar jedes kleinste Detail, alles was wichtig oder nicht wichtig ist. Das gibt dann, wenn die Situation "real" eintritt, ein wenig Sicherheit und Struktur.

Oder: vielleicht hilft es dir, wenn du dich (nicht kurz vor dem Auftritt, vll zwei Stunden davor, falls das möglich ist) "künstlich" zum weinen bringst. Damit du "etwas Druck" ablassen kannst und sich das Bedürfnis, weinen zu müssen, nicht komplett in der Situation, wo du dann singen musst, zuspitzt. Stelle dir dann, nachdem du das gemacht hast, eine schöne oder auch beruhigende Situation vor und versuche das eine mit dem anderen zu verbinden.

Die Gefühle wird man so oder so nie ganz abschalten können - aber vielleicht kannst du sie so etwas lenken und musst nicht Angst haben, dich von ihnen "übermannen" zu lassen.

Versuche vielleicht auch, alle Beteiligten im Raum (Kirche?) etwas auszublenden. Ich finde nicht, dass du "verpflichtet" bist, jeden anzuschauen. Als mein Opi gestorben ist und unser Domchor sowie auch der Männergesangsverein die Messe gestaltet haben, habe ich die Musik und deren Präsenz zwar wahrgenommen und es hat mich auch unglaublich gefreut, das alle da waren… aber du blendest als Trauernder den Rest komplett aus und achtest auf das Verhalten der Sänger überhaupt nicht. Zumindest ging das mir damals so. Ich hab die Musik wahrgenommen… aber nicht das Verhalten oder die Blicke. Mach dir da deshalb nicht all zu viel Druck. Fixier einen Punkt und blende alles andere aus. Den Rest erledigt dann die Musik und deine (mit Sicherheit wunderschöne) Stimme.

Ich wünsch dir ganz viel Kraft für den Auftritt!
 
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Wir stehen nicht hoch oben auf der Orgelbühne, sondern in Augenhöhe mit den Hinterbliebenen. Ich werde ihnen also in die Augen schauen. Ich bin auch nicht gläubig. Deshalb hoffe ich, daß es sich dieses Mal um einen alten Menschen handelt, der sein Leben gelebt hat, und nicht wieder um einen sinnlos aus dem Leben gerissenen jungen Menschen. Da kann man noch so professionell sein ... das geht einem richtig an die Nieren, zumindest mir.

Das geht an die Nieren, da bist Du weiß Gott nicht alleine.

devasya hat recht, finde ich. Du musst ihnen nicht in die Augen schauen. Es gibt an der Rückwand der Kirche bestimmt eine Heiligenfigur oder (einen) andere(n) Punkt(e), den/die man fixieren kann. Wer bei der Beerdigung Zeit oder Muse hat, den Musikern in die Augen zu schauen, dürfte weniger betroffen sein. Die anderen erwarte ich eher mit sich beschäftigt und in sich zurückgezogen. Das ist doch der Sinn einer Trauerfeier, die Angehörigen ins Leben zurück zu leiten.

Du kriegst das hin. Du bist professionell genug, dass Du die nötige Distanz wahrst aber gefühlvoll genug, um den trauernden Menschen Trost zu spenden mit Deiner Musik.
 
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So ... wieder einmal sage ich Danke für eure guten Wünsche, es ist überstanden.
Die Verstorbene war über 80, wurde aber besonders von ihren Enkeltöchtern beweint und mit rührenden Texten gewürdigt. Sie ging gerne tanzen und hat Musik sehr gemocht, so kam auch dieses Engagement zustande. Eigentlich war auch etwas Deutsches gewünscht, allerdings von Hubert von Goisern, den hatte sie besonders gern. Ich mag den auch, aber ich kann den hiesigen Dialekt nicht, und wenn man versucht, ihn zu imitieren, wird es peinlich. Also haben wir nur englischprachige Songs gespielt: Tears in heaven, Amazing Grace, The Rose, Somewhere over the rainbow ....
Abgesehen von der Eiseskälte in der Kirche (bibberrrrrr!!) war es eine schöne, weil herzliche Trauerfeier. Ich habe keine Krokodilstränen gesehen, sondern echte Traurigkeit über den Verlust eines anscheinend sehr lieben Menschen.
 
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Wenn ich auf einer Beerdigung singe, versuche ich gedanklich und emotional nicht das Thema Trauer und Tod aufzufassen, sondern Zuversicht und Hoffnung. Ich möchte den Verwandten und Freunden des Verstorbenen Hoffnung machen und die Zuversicht auf ein Wiedersehen geben. Mit dieser Einstellung habe ich bisher jede Beerdigung gesungen (auch die meiner Oma) und bin immer sehr gut damit gefahren. Der Anlass ist schon traurig genug, da braucht es etwas (oder jemand) der wieder Hoffnung macht. Die meisten Pfarrer halten es ja genauso in Ihren Predigten.
Zu dieser Einstellung bin ich gekommen, als ich das erste mal auf einer Beerdigung gesungen habe. Hier wurde das Lied "Von guten Mächten wunderbar geborgen" gewünscht. Ich bin zwar nicht gläubig, aber die Geschichte die hinter diesem Lied steckt und dieses Gottvertrauen in den Zeilen, hat mir damals geholfen. Und ich hab mir gedacht: Wenn es mir helfen kann, dann auch den Angehörigen.
Ich sehe mich sozusagen in dem Moment nicht als Teil der Trauergemeinschaft, sondern mehr als helfende Hand (oder Stimme) die Zuversicht vermittelt.
Bildlich gesprochen stehe ich nicht mitten drin und jammere und weine mit, sonder sage: Kopf hoch, alles wird gut!

Bisher hat das sehr gut funktioniert und ich habe auch das Feedback bekommen dass ich es wohl schaffe den Menschen so wieder Mut zu machen. Und das ist mein Ziel.
 
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Ich habe erst einmal auf einer Beerdigung (mit-)gesungen ...
... eine gute Freundin aus der Studizeit (Freundin eines Kommolitonen). Berufsbedingt war der Kontakt später nur sehr sporadisch (ca. 1x jährlich), wenn immer dann auch "wie früher". Sie war selbstständige Hebamme, die (wie ich später erfuhr) ihr Gehalt mit kellnern aufmöbelte. Ich im Projektgeschäft mit teilweiser hoher Arbeitsbelastung. Und jedesmal wenn wir uns trafen sagten wir, dass wir uns mal wieder einfach so treffen sollten.

Eines Aprils erfuhr ich von ihrem damaligen Freund, den ich zufälligerweise getroffen hatte, dass ihre 2 Monate alte Krebsdiagnose sehr düster sei, im Juni des Jahres war dann Beerdigung.

Steffi wurde 45 und hat sich zum Schluß von allen Trauergästen das Lied "Always look on the bride side of life" gewünscht ... :eek:
... das Lied startete mit Rotz und Wasser, und wurde aber hinterher richtig laut. Bei >300 Trauergästen in der engen Kapelle auch kein Wunder, neben den Freunden und Bekannten waren auch viele "Mütter/Familien" anwesend, die ein halbes Jahr vorher noch von ihr betreut wurden.

Wechselbad pur ...
... denn Sie hatte mit ihrem Wunsch an die Trauernden gedacht.
 
Beerdigungen...ja, das mache ich auch wirklich ungern. Äußerst ungern.
das absolute Negativbeispiel war die Beerdigung einer Frau mittleren Alters die eine glückliche Familie mit Mann und zwei Töchtern zurückließ. Fortan natürlich weniger glücklich als zuvor. Das lieblingslied der verstorbenen - me and Bobby McGee. Alles kein Problem. Dachte ich zumindest erst. Dann hatte sich aus irgendeinem Grund der Freund einer der Töchter auch einen song gewünscht. Keine Ahnung warum. Vielleicht einfach nur weil er die Absprachen mit uns gemacht hat. Locomotive breath sollten wir spielen. Ich hab's nicht verstanden, aber den song trotzdem mal eingeübt. In der Theorie klang es noch machbar. Man muss dazu sagen dass die erste Beerdigung war auf der ich je gesungen habe und meine anfängliche Sorge war dass ich zu kalt wirken würde.

es waren lediglich dreißig Leute da. Aber alle schauten mir direkt in die Augen. Und als die erste Textteile von Locomotive breath auf mich zukam, hab ich sie nicht rausgekriegt.
"in the shuffeling madness of Locomotive breath runds the all-Time-loser Headlong to his Death"

der Pianist hat gemerkt dass das so nicht geht und dann ist ihm auch aufgefallen dass diese songwahl auch äußerst verstörte Blicke zur Folge hatte. Er ist dann in ein etwas längeres Nachspiel gewechselt und hat es beendet. Nach nicht mal einer Strophe. Dann sind wir zu Bobby McGee gekommen und das lief deutlich besser. Aber immer diese schweren Blicke aus verweinten Augen...ich hab's schwerlich aushalten können. Und selber permanent mit den tränen gekämpft, mit der Angst dass es vielleicht äußerst schlecht ankommen würde, denn ich kannte die Verstorbene ja nicht mal.

argh. Lieber nicht. Wenn es irgendwie möglich ist, dann halt ich mich bei Beerdigungen lieber raus.
 

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