Auf Beerdigung singen - argh

Hallo


ich hatte mich gestern auch kurz gewundert, denn auch für mich hat dieser Song nichts trauriges, eher etwas ironisches. Schwer zu beschreiben, aber weinen muss ich bei dem Stück nie.

Shana
 
Nunja, tröstlich ist: wenn's anders läuft, als Du das gerne hättest, enthält der Song selbst ja schon die Entschuldigung dafür:

I did my best, it wasn't much
I couldn't feel, so I tried to touch
I've told the truth, I didn't come to fool you
And even though
It all went wrong
I'll stand before the Lord of Song
With nothing on my tongue but Hallelujah



Ich wurde mal von einem Freund, der Kirchenorganist ist, gefragt, ob ich auf einer Beerdigung spielen möchte und habe das nach kurzer Bedenkzeit abgelehnt. Schlicht und einfach, weil ich mir zu dem damaligen Zeitpunkt nicht zugetraut habe, den Job angemessen zu erledigen. Wenn Du Dir das zutraust, dann wirst Du den Job auch packen.

Was ich heute machen würde: es als Liebeslied interpretieren, von mir erzählen und das als eine Art Pause in der Zeremonie auffassen. Den Fokus vom Verstorbenen zu mir selbst verschieben. So kann man immer noch emotional singen, aber die Trauergemeinde wird es anders deuten. Gerade weil der Text alles andere als Trauer transportiert, ist es eigentlich ein dankbares Stück für eine solche Gelegenheit. Denn die Wirkung der Musik beim Publikum, dass den Text nicht wahrnimmt, ist in dem Zusammenhang dramatisch.

Ich erinnere mich dran, dass Cohen's Song vor ein paar Jahren bei einer Gedenkzeremonie verwendet wurde, bei der ich Tontechnik gemacht habe, und ich auch sehr ergriffen war. Jetzt, wo ich den Text lese, wird mir das wohl nicht wieder passieren. Schade eigentlich.

Ich glaube, für die Songauswahl auf meiner eigenen Beerdigung muss ich wohl selbst sorgen...sicher ist sicher.
 
Autsch, jetzt kapiere ich die unterschiedlichen Auffassungen: Was ich im sinn hatte war die Coverversion von Rufus Wainwright (und trotz des gesperrten Links bin ich mir ziemlich sicher, Bell auch). Und da sind die ganzen Zweideutigkeiten geändert, bzw. weggelassen.
Guckt ihr hier: http://www.youtube.com/watch?v=ZAmzHO06_c0

Auf einer Beerdigung würde ich unbedingt diese "entschärfte" Version singen, für den Fall dass einige der Trauergäste doch ganz gut Englisch können. Einige der originalen Zeilen von Cohen sind in der Tat nicht trauerkompatibel.
 
So, ich hab´s hinter mir.
An dieser Stelle noch einmal vielen Dank an Euch für alle Tipps und youtube-links :)
Es war eine sehr traurige Beerdigung. Der Mann ist gerade mal 46 geworden, ein beliebter Mensch völlig sinnlos mitten aus dem Leben gerissen, die Trauerhalle war bis zum Bersten gefüllt, viele haben geweint. Ich habe versucht, die Leute nicht anzusehen, vor allem nicht seine Eltern, zwei weißhaarige tapfer gegen die Tränen ankämpfende alte Leute, nicht seine Frau und die beiden Töchter.... sonst hätte ich gleich mitgeheult und Singen wäre nicht mehr gegangen.
Es ging dann doch, ich hab mich zusammengerissen und mein Begleiter ist zum Glück ein ruhender Pol.
Wir haben mit Hallelujah angefangen, zwischen den Reden dann noch Tears in heaven, Somewhere over the rainbow, Songs von Eros Ramazotti, weil der Verstorbene ein großer Fan war. Dann wars vorbei und ich habe draußen den Tränen freien Lauf gelassen. Puh.
Das Feedback war sehr gut, viele haben sich bei uns bedankt und gesagt, es sei sehr schön gewesen, uns gefragt, wo man uns sonst hören kann... das tut gut. Aber ich werde nicht mehr auf Beerdigungen singen. Das geht mir definitiv zu nah....
 
Liebe Bell,

ich habe an Dich gedacht.

LG

SSS
 
Danke :) Das ist lieb von Dir.
Ich hoffe, daß die Medizin eines Tages Behandlungsmöglichkeiten findet, damit ein mitten im Leben stehender Familienvater, Sportler und Musiker nicht schon mit 46 an einem Tumor sterben muss....
 
Ich hoffe, daß die Medizin eines Tages Behandlungsmöglichkeiten findet, damit ein mitten im Leben stehender Familienvater, Sportler und Musiker nicht schon mit 46 an einem Tumor sterben muss....
Ohje, das ist wirklich hart :(. Aber der Familie hat es bestimmt geholfen, bei einer schön umrahmten Feier Abschied von ihrem Vater/Mann/Sohn nehmen zu können.
 
Mhh, man kann nur hoffen, daß so eine Medizin mal erfunden wird.
Ein Freund von mir ist auch mit 35 an einem Gehirntumor verschieden.
Anfang des Jahres hat es dann noch den Trainer unserer DLRG Gruppe mit jahren erwischt (Krebs). Er hinterliß seine Frau und einen 18 Jährigen Sohn.

Naja, sich deswegen fertig machen bringt auch nicht, aber traurig ist es schon.....

Gruß

Fish
 
Hallo


ich hatte einen Kollegen in der Musikschule. Er war jünger als ich, ungefähr 35. Er ist während einer Bandprobe an Aortabruch gestorben.
Ich kann es nach wie vor nicht fassen :-(

Shana
 
So etwas ist auch schwer fassbar. Es ist wider die Natur, daß Eltern ihre Kinder beerdigen müssen, es sollte ja umgekehrt sein. Mir ist wieder einmal klar geworden, wie unerwartet eine Tragödie in den ruhigen Fluß deines Lebens einbrechen kann, wie schnell das Leben vorbei sein kann. Man sollte versuchen, sein Glück zu finden und jeden Tag Liebe an seine Lieben zu verschenken. Es kann so schnell zu Ende sein !
 
Die perfekte Medizin wird's nie geben. Wir haben nur einfach vergessen, dass wir trotz aller Technik Menschen sind und sterblich. Es kann jeden jederzeit treffen - und es ist nicht widernatürlich...

Ich habe neulich mal durch Zufall meine alten Pink-Floyd-Kassetten rausgekramt und zum ersten Mal bewusst "The Great Gig in the Sky" gehört - kennt ihr den (gesprochenen) Text? "I'm not frightened of dying, anytime will do, I don't mind. Why should I be frightened of dying? We all have to go one time..."

Ich habe auf der Beerdigung meines Vaters gesungen. Am Anfang hat die Stimme noch gezittert, dann habe ich mich ganz auf dem Gesang konzentriert - und es hat mir geholfen, diese Veranstaltung zu überstehen, die so gar nichts mit meinem Vater zu tun hatte...
 
... und am kommenden Dienstag habe ich wieder einmal ein Engagement auf einer Beerdigung.
Mittlerweile bin ich etwas abgebrühter in dem Sinne, daß ich mehr Distanz zum Geschehen habe - trotzdem sehe ich guten Gesang nach wie vor als letzten Gruß an den Verstorbenen und als Respektsbezeugung an die Hinterbliebenen, weil das Abschiednehmen wichtig ist und ohne unangenehme Pannen ablaufen soll.
Ein mulmiges Gefühl bleibt trotzdem, immer wieder ... :(
 
Es ist auch Trost für die Hinterbliebenen. Ich war u.a. den Musikern damals bei der Beerdigung meiner Mutter sehr dankbar.
 
Als ich das las, dachte ich spontan: "Das passende Thema für Ostern!"
Denn für einen gläubigen Menschen ist der Tod das Tor zur Auferstehung.

Gute (gut ausgewählte) Musik trägt, kann in der Trauer stützen, aufrichten und sie mildern, kann entspannen und die zurückgehaltenen Tränen lösen. Sie gibt der Zeremonie einen feierlichen Rahmen, überdeckt das Schlurfen der Füße, nimmt die Gedanken mit auf eine Reise ... Ohne Musik sind solche Situationen viel schwerer, trostloser ...

Ich habe erst kürzlich bei der Beerdigung eines (alten) Familienmitgliedes, das mir sehr nahe stand, Blockflöte gespielt (Solo auf der Tenor und mit Orgelbegleitung auf der Sopran). Da hätte mir ein Klos im Hals auch vieles "versauen" können. Also habe ich vorher alles gemieden, was ihn hätte verursachen können und obendrein geübt, den Hals zu entspannen, wenn ich ihn während der Vorbereitung spürte. Konzentrierte Zwerchfellstütze der Atmung leistet da gute Dienste. Die professionelle Konzentration auf die Aufgabe ebenfalls.

Ich hatte die Chance, vorher Abschied zu nehmen, hatte während der Vorbereitung häufig die letzte liebevolle Umarmung im Kopf und mich dadurch auf viele positive Gedanken konzentrieren können. Beim Musizieren müssen aber auch die ein Stück weit weg geschoben werden. Da konzentriere ich mich auf die Musik!

Die Absprachen für den Gottesdienst liefen über Internet. Und dann hieß es, früh am Morgen ins Auto steigen (ca 1,5 Std. Fahrt) und sich gut 1Std vor der Messe mit den (unbekannten) Musikern auf der Orgelbühne zur Anspielprobe treffen. Es mussten nur ein paar Kleinigkeiten geklärt werden und dann haben wir einfach "nur" wunderschön musiziert. (Ich hab's aufgezeichnet und mir die Musik in den Tagen danach immer wieder angehört.) Die Mitmusiker waren halt Profis.

Es war vereinbart, dass ich 15 bis 20 Minuten vor der Messe eine musikalische Meditation starte, während derer nach und nach die Gäste kamen. Ich konzentrierte mich auf meine Musik und die damit verknüpften positiven Gefühle und ließ die Musik von der Orgelbühne aus durch den großen Raum schweben. Der weiche Klang der Tenor-Blockflöte tat mir und den Menschen, die sich da nach und nach versammelten gut. (Die positive Resonanz war später überwältigend.) Ich hatte unter anderem (für die Zuhörer unbekannte) Melodien aus Terpsichore von Praetorius ausgesucht. Die lassen sich sehr unterschiedlich interpretieren (von fröhlich tänzerisch bis dramatisch ausdrucksvoll). Für mich war es eine liebevolle musikalische Umarmung des Verstorbenen. Doch als ich musizierte, habe ich alle Gedanken an etwas anderes weggeschoben, um mich auf die Noten und die Musik konzentrieren zu können. Es war dieselbe Konzentration, wie ich sie auch im Unterricht benötige. Da dürfen mich auch keine privaten Gedanken und Emotionen ablenken. Sonst spiele ich nur lauter "Blödsinn". Es hat auf alle Fälle gut getan, hoch oben auf der Orgelbühne mit den Musikern "allein" zu sein, keine traurigen Gesichter sehen zu müssen oder ein Schluchzen zu hören. So war es wesentlich leichter, das alles auszublenden. Ohne das geht es nicht. Sonst wären meine im Auferstehungsglauben begründeten positiven Emotionen sicherlich vom Mitgefühl mit den Trauernden überrollt worden.

In diesem Sinne:
Frohe Ostern!
Und viel Erfolg!

Lisa
 
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Wir stehen nicht hoch oben auf der Orgelbühne, sondern in Augenhöhe mit den Hinterbliebenen. Ich werde ihnen also in die Augen schauen. Ich bin auch nicht gläubig. Deshalb hoffe ich, daß es sich dieses Mal um einen alten Menschen handelt, der sein Leben gelebt hat, und nicht wieder um einen sinnlos aus dem Leben gerissenen jungen Menschen. Da kann man noch so professionell sein ... das geht einem richtig an die Nieren, zumindest mir.
 
Du machst Das schon richtig - ich denke an Dich!
 
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