Auf Beerdigung singen - argh

Bell
Bell
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Normalerweise lehne ich Beerdigungsengagements ab, aber nächste Woche muss ich - und fürchte mich jetzt schon davor.
Ich hab nah am Wasser gebaut, muss bei Trauerfeiern und Beerdigungen immer weinen (egal, ob ich den Toten gekannt habe oder nicht) und habe noch das letzte Szenario vor einigen Jahren vor Augen: ich sollte in der Kirche Tears in heaven singen, der Verstorbene, ein Freund meines Mannes, war jung und hinterließ Frau und Baby, ich hatte die vor Trauer versteinerten Gesichter seiner Eltern und seiner Witwe direkt vor mir, setzte zum ersten Ton an und - nichts, ein dicker Kloß im Hals, die Tränen schossen hoch, die Stimme versagte. Zum Glück hat mein musikalischer Begleiter die Sache gerettet und das Intro verlängert, bis ich mich gefangen hatte.
Das sollte nächste Woche möglichst nicht passieren, da ich die Leute nicht kenne, anständig bezahlt werde und dafür entsprechend etwas abliefern muss.
Habt Ihr irgendwelche Tricks ? Wie meistert Ihr diese Beerdigungssingen ?
Puh, das mach ich wirklich zum letzten Mal !!
 
Eigenschaft
 
nimm den gleichen Begleiter mit, oder zumindest jemand, mit dem Du vertraut bist. Das ist schon mal ein sicheres Gefühl hinter Dir.


Ist eine schwierige Position, machs wie die Psychiater + Pyschologen, häng den eiskalten Profi raus, denk ans Geld und daß Dich das alles gar nichts angeht - ...und einen Teil der Gage trägst Du dann zur Supervision.
 
Wenn ich ein Instrument spielen würde, wäre es wahrscheinlich nicht so ein Problem ! Aber Singen ist so unmittelbar an die Emotionen gekoppelt und die Stimme dazu noch so störungsanfällig, daß es echt schwierig ist, das ohne Wackeln und Zittern durchzuziehen.
Ich hab zum Glück einen vertrauten Begleiter mit. Zwar nicht derselbe wie damals, aber ich spiele sehr oft mit ihm.
 
Darf ich fragen, wieso du den Job angenommen hast, wenn du weisst, dass du ihn nicht meistern kannst? Gerade in solch einem wichtigen Moment, ist die Professionalität total wichtig. Wir hatten auf der Beerdigung meines Großvaters einen Cellisten, dem das Cello in den ersten Takten vom Holzblock, auf dem er den Dorn gestellt hatte runtergerutscht ist und einen Höllenlärm produziert hat. Der Cellist wär sicherlich am liebsten im Erdboden versunken. Es war ihm auch kaum einer Böse. Ausser meine Oma, die das so aus der Situation gerissen hat, dass sie beinahe zusammengebrochen wär. Ich finde sowas kann passieren und darum ist das auch okay, solange er halt nicht vorher gewusst hat, dass das passieren wird oder mit einer gewissen Warscheinlichkeit kann.

Zur eigentlichen Frage: Ich denke WilliamBasie hat es recht genau getroffen: Emotionen total abschalten und einfach den Job machen. Das klaut zwar auch in einem gewissen Maße das Gefühl im Gesang, aber ich denke, das ist besser, als es andersweitig zu vermasseln.
 
Tricks gegen Gefühle - oha .... da könnte man wohl reich mit werden.

Ich kann das gut nachvollziehen. Bei sowas zerreisst es mich schon vorher.

Vielleicht kannst du eines mit den Leuten arrangieren: dass du nicht von Beginn der Trauerfeier anwesend bist, sondern erst kommst, kurz bevor du loslegst. Und eventuell könnstest du vermeiden in die Gesichter der Anwesenden zu gucken. Schau lieber deinen Mitmusiker an, sofern du einen hast.

Und vielleicht schadet es auch nicht, vorher ein paar zu heben.

...
 
... Und vielleicht schadet es auch nicht, vorher ein paar zu heben ...
das hätte ich auch fast geschrieben, da ist mir aber der Fahnenschwenker von einem Ortsverein einfallen, den hat es mitsamt seiner Fahne ins Grab geschmissen - ...der hatte vorher auch schon kräftig einen genommen (war im Winter und saukalt)
 
Ich bin trinkfest und ein, zwei Drinks werden mir sicher nichts anhaben ;) Der Tipp ist gar nicht schlecht, angesichts der Uhrzeit war ich nicht darauf gekommen, aber warum nicht mal am frühen Nachmittag einen kleinen Rausch antrinken, es dient ja einem guten Zweck. Ich denke auch, daß ich es dann besser meistern kann.

Während der Trauerfeier muss ich anwesend sein, wir spielen immer zwischendurch einen Song... ich kann also auch nicht rausgehen.
Zum Glück handelt es sich beim Toten nicht um ein Kind. Das könnte ich wirklich nicht aushalten.
 
Puh, das kann ich gut nachvollziehen. Und ich glaube, bei einer Beerdigung, wo ich den Verstorbenen kenne, könnte ich nicht singen. Das fällt mir dann ja schon immer schwer, überhaupt die Gemeindelieder mitzusingen.
Aber wenn ich mal zum Singen gebucht werde, versuche ich nach Möglichkeit nicht die Trauergemeinde anschauen zu müssen, sondern oben auf der Empore oder von hinten oder so. Dann kann man sich besser einbilden, dass man hier nur eine Probe macht...
 
Ich musste glücklicher Weise noch nie auf einer Beerdigung singen. Kann mir aber gut vorstellen, dass das verdammt hart sein muss. Wenn man den Verstorbenen auch noch gekannt hat, ist das noch um ein vielfaches schlimmer. Besonders schlimm finde ich Trauerreden, wenn erzählt wird, was für ein toller Mensch der Verstorbene war. Da fang ich dann unweigerlich an zu heulen.
Aber in anderen belastenden Situation die negativen Gefühle auszuschalten, kann ich inzwischen einigermaßen. Habe in meinem Studium viel mit Leid und Tod Kontakt gehabt und habe zu Anfang bei jedem Patienten, der mir eine traurige Geschichte und von seinen Gefühlen erzählt hat, immer geheult. Und selbst wenn ich es während des Gesprächs geschafft habe ruhig zu bleiben, habe ich spätestens draußen vor der Tür angefangen zu heulen. Ich bin bei solchen Sachen wirklich sehr nah am Wasser gebaut. Inzwischen schaffe ich es genug Distanz aufzubauen und die Arbeit nicht mit nach Hause zu nehmen. Was geholfen hat, war auf jeden Fall, dass ich solchen Situationen sehr häufig ausgesetzt war und Ansprechpartner habe, denen ich das alles erzählen kann. Irgendwann kommt man an den Punkt an dem man verstanden hat, dass das einfach der Job und völlig normal ist. Ganz kalt bleibt man natürlich nicht, aber man ist dann nicht mehr ohnmächtig vor lauter Emotionen. Es ist wie mit schrecklichen Nachrichten im Fernsehen. Man erschreckt sich nicht mehr davor, weil man es häufig hört und es "so weit weg" ist.
Sobald der Betroffene jedoch jemand ist, den man kennt, dann funktionieren diese Abwehrmechanismen nicht mehr. Es wird plötzlich persönlich und dann ist die Distanz weg und es trifft einen voll. Das ist auch bei den härtesten Profis so. Muss da an den Präparator denken, der selbst bei toten Kindern und hübschen Mädchen voller Metastasen hart wie ein Fels bleibt. Als sein Lieblingsfranzösischlehrer auf dem Tisch lag, war der Tag gelaufen. Deswegen denke ich, dass Singen auf der Beerdigung eines guten Bekannten fast ein Ding der Unmöglichkeit ist. Irgendwann gehen dann doch die Emotionen durch. Bei der Beerdigung eines Fremden kann man noch Distanz halten und somit viel leichter den Profi machen.
 
...Besonders schlimm finde ich Trauerreden, wenn erzählt wird, was für ein toller Mensch der Verstorbene war. Da fang ich dann unweigerlich an zu heulen ...
Das ist wirklich ganz schlimm, wenn man den Dumm-Fug hört, den die Pfarrer rauslabern und das mit dem Leben des Verstorbenen abgleicht, ich war da öfters kurz davor zu buhen oder zu pfeifen...

...es wird nirgendwo so heftig gelogen wie auf Beerdigungen, unter Hobby-Anglern, unter Politikern und nach Treib-Jagden!
 
Naja nun. Das kommt ja zum einen auch mal auf den Pfarrer an, zum anderen kann der ja auch nur weitergeben, was er vom Trauergespräch her weiß. Oft kennen die Pastoren die Leute ja kaum.
Muss mich hier mal zur Ehrenrettung der Pastoren aufschwingen, weil mein Vater einer ist. ;)
Und da er viel Trauerarbeit und Sterbebegleitung macht, weiß ich, dass es ihm da ähnlich geht wie Vali. Manchmal habe ich das Gefühl, meine Mutter macht den Beruf im Grunde auch, da sie meinem Paps immer wieder auffängt.
Und ein Bekannter von mir hat erzählt, dass er auf der Beerdigung von seinem Großvater Posaune gespielt hat. Und das hat ihn emotional so aus der Bahn gerissen, dass er danach nicht mehr weinen konnte. Als hätte er alle Tränen schon vergossen.
Also es ist definitiv keine leichte Sache.
 
Hallo Bell,

von Alkohol halte ich nichts - aber das wurde schon in anderen Threads längs und breit durchdiskutiert.

So behelfe ich mir:

1. Versuchen gedanklich nicht an der Trtauerfeier teilzunehmen um die Emmotionen so etwas von mir fernzuhalten.
2. Gesang und Musik von der hinteren Empore in der Kirche. So siehst Du nur die hinterköpfe der Leute und nicht das Elend in deren Gesichtern.
3. Wenn von vorne aufgeführt wird setzte ich mir gerne noch einen Statisten in die Gemeinde (publikum) der mich troz des traurigen Anlasses anlächelt. Diesen Menschen behalte ich dann wärend des Auftritts im Auge.

Aber es ist immer wieder schweer.....

Viel Erfolg!

Gruß

Fish
 
Danke nochmal für alle Tipps.
Die Emotionen fernhalten, das wird bei mir nicht klappen, ich fürchte, daß das sowieso eine emotionale Geschichte wird; der Verstorbene soll ein sehr netter und geschätzter Mensch gewesen sein, die Trauer um ihn wird also echt sein (hab ich auch schon ganz anders erlebt, mit scheinheiligem Getue und geheuchelter Anteilnahme, schrecklich, so was!!); und wir spielen nicht in der Kirche, sondern während der Trauerfeier in der Leichenhalle, wo er aufgebahrt ist und nicht nur der Pfarrer, sondern auch einige Freunde und Angehörige sprechen werden. Und wir sitzen vor den Leuten, d.h. ich sehe in ihre Gesichter. Wegsehen kann man ja auch nicht dauernd !
Das volle Programm also :(
Die erste Wunschnummer hab ich schon einstudiert, Hallelujah von Leonard Cohen. Jessas, da heule ich ja schon beim Proben.
Entgegen Fish´s Warnungen (bin ja schon etwas länger volljährig als die meisten hier ;) ) hab ich beschlossen, vorher mit meinem Begleiter ein, zwei Drinks zu nehmen und die Sache so gut es geht durchzuziehen.
An etwas anderes denken, das funktioniert bei mir leider nicht. Besser wird es sein, ich tauche voll ins Geschehen und stelle mir vor, das ist unser letztes Geschenk an den Verstorbenen, eine letzte Ehrerbietung, und daß es er verdient hat, daß ich gut singe .
 
.....Besser wird es sein, ich tauche voll ins Geschehen und stelle mir vor, das ist unser letztes Geschenk an den Verstorbeneneine, letzte Ehrerbietung, und daß es er verdient hat, daß ich gut singe .

Mein Respekt und meine hochachtung für diese Aussage und Einstellung.
Ich wünsche Dir alles erdenklich gute für den Auftritt und bin seelisch und moralisch bei Dir.

Gruß

Fish
 
... Entgegen Fish´s Warnungen (bin ja schon etwas länger volljährig als die meisten hier ;) ...so so...!) hab ich beschlossen, vorher mit meinem Begleiter ein, zwei Drinks zu nehmen und die Sache so gut es geht durchzuziehen. ...
...dann aber bitte standesgemäß: Champagner!
 
Au weia, ausgerechnet auch noch dieses Halleluja. Das kann ich auch ohne Beerdigung kaum singen ohne zu heulen.

Mein spezieller Trick um Emotionen auszublenden: Ich mache die Situation zum Filmset. Ich stelle mir also vor, das alles seien nur Schauspieler und Kulissen und ich muss jetzt halbwegs echt rüberkommen, damit der Regisseur nicht meckert. Auf die Weise sind nach aussen hin genug Emotionen da, dass ich nicht kalt wirke, aber ich habe sie unter Kontrolle. Keine Ahnung wie gut du das hinbekommst, bei mir funktioniert es jedenfalls. Wäre vielleicht einen Versuch wert.:great:
 
An etwas anderes denken, das funktioniert bei mir leider nicht. Besser wird es sein, ich tauche voll ins Geschehen und stelle mir vor, das ist unser letztes Geschenk an den Verstorbenen, eine letzte Ehrerbietung, und daß es er verdient hat, daß ich gut singe .
So klingt's doch gut.
Au weia, ausgerechnet auch noch dieses Halleluja. Das kann ich auch ohne Beerdigung kaum singen ohne zu heulen.

Ich verstehe beim besten Willen nicht, was an diesem Lied zum Heulen anregen könnte (außer vielleicht dem Zynismus drin). Vielleicht hilft es Euch ja, das mal zu übersetzen ;)
 
Sind für dich die Emotionen eines Songs immer am Text festgemacht? Bei mir - und ich bin mir sicher, auch bei vielen anderen - jedenfalls meistens nicht. Da könnte auch die ganze Zeit "la la la" gesungen werden. Und zur Bedeutung des Songs gibt es diverse Interpretationen. Die sexuelle halte ich für vollkommen an den Haaren herbei gezogenen Blödsinn. Für mich ist das ganz klar auf der ersten Ebene ein religiöser Text über König David, unter dem sich eine zweite Ebene verbirgt, in der es um eine tragisch aus dem Ruder gelaufene Liebe geht. Wo ist da der Zynismus?

Aber wenn es Bell hilft, sich "Hallelujah" als Spottsong voller sexueller Andeutungen vorzustellen, wären wir zumindest wieder on topic
 
Sind für dich die Emotionen eines Songs immer am Text festgemacht?
Nein. Und speziell dieses Lied hat von der Melodie her eine beruhigende Wirkung auf mich. Die trägt.
Und zur Bedeutung des Songs gibt es diverse Interpretationen. Die sexuelle halte ich für vollkommen an den Haaren herbei gezogenen Blödsinn.
Schön für Dich. Wie übersetzt Du die zweite und die dritte Strophe dieser Version? (http://www.azlyrics.com/lyrics/leonardcohen/hallelujah.html - diese wird allerdings zumindest von uns nicht gesungen, es gibt eine kurze)
Cohen selber sagte wohl in einem Interview dieses:
"Wissen Sie, ich schrieb diesen Song vor einigen - es fühlt sich an wie gestern, doch ich denke, es war vor fünf oder sechs Jahren, und es hatte 'Hallelujah' als Refrain. Es war ein Song mit Bezug zur Bibel, auch wenn dieser Bezug zum Ende des Songs hin mehr und mehr verschwand. Und schließlich begriff ich, dass es gar nicht nötig war, sich auf die Bibel zu beziehen. Dann schrieb ich den Song um, zu diesem 'weltlichen' Hallelujah. (...) Ich wollte damit sagen, dass Dinge ein 'Hallelujah' hervorrufen können, die nichts mit Religion zu tun haben."
http://www.boelters.de/LC/Hallelujah.html
Bei der kurzen Version schaut es a weng ander aus, ok, da ist es eine Sache, wie es interpretiert wird.
Für mich ist das ganz klar auf der ersten Ebene ein religiöser Text über König David, unter dem sich eine zweite Ebene verbirgt, in der es um eine tragisch aus dem Ruder gelaufene Liebe geht. Wo ist da der Zynismus?
Ich habe mir diverse Videos angeschaut, auf denen Cohen das selber singt. Eigentlich, um das Lied zu lernen. Ich war da auch sehr erstaunt über die zusätzlichen Verse.
Aber wenn es Bell hilft, sich "Hallelujah" als Spottsong voller sexueller Andeutungen vorzustellen, wären wir zumindest wieder on topic
Vielleicht hilft es ihr ja schon, dass Halleluja "Lobpreiset Jahwe" bedeutet und im Ursprung ein freudiger Ausruf ist.
 
Ich verstehe den Text ähnlich wie Mario Carrius, nämlich daß es um eine tragisch endende Liebe mit destruktiver sexueller Komponente geht. Zu den religiösen Stellen kann ich als absolut unreligiöser Mensch wenig sagen bzw. empfinden - aber der Song hat einen starken Sog auch jenseits des Textes, und ich finde ihn abgrundtief traurig.....

Wegen dieses "Sogs" ist er wahrscheinlich auch ausgewählt worden. Ich glaube nicht, daß die Betroffenen Englisch können, zumindest nicht genug, um die kryptischen Texte des Herrn Cohen zu deuten....
 
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