Alle Werkzeuge aus dem Video sind vermutlich zuviel Stoff auf einmal, wenn das alles auch geübt und zu eigenen Werkzeugen werden soll. Einfacher geht es durch Konzentration auf die ersten 9 Minuten.
Dort kannst Du sehen und hören, wie weit man mit Arpeggios und chromatischer An- oder Umspielung kommen kann.
Diese Technien sind megawichtig, ultranützlich und werden von den Großen des Modern Jazz offenbar ständig verwendet.
Das vorausgehende Video von Oliver Prehn geht ausdrücklich auf Arpeggios ein.
youtube.com/watch?v=7gEylGkD5ik
Zur Erläuterung der Akkordfolge, den ersten 8 Takten von Autumn Leaves.
Takt 1 bis 3 ist die II V I Verbindung in Dur, dann folgt in Takt 4 der Akkord der IV.Stufe und weiter geht es ab Takt 5 mit der II V I im parallelen Moll, dabei wurden die V und die I in Moll angepasst.
Der letzte Akkord ist... E-G-B, also Minor, und dann die Major 7 dazu, also D#? Ist das damit gemeint?
Ja, genau so ist es, Em
maj7.
Den Hintergrund dafür liefert die Jazz Theory, ich erkläre das nachfolgend kurz und bündig.
Wie kommt man zu einer II V Verbindung im (hier parallelen) Moll?
Zunächst ein Blick auf die Stufenakkorde in Dur, wegen der puren Theorie mal in "Concert Key" notiert:
Schaut man sich nur die Grundtöne der Stufenakkorde an, dann sieht man natürlich die C Dur Tonleiter, was auch sonst.
Fängt man nun auf einer der weiteren Stufe (hier Dm7) an, so bildet sich aus den vorhandenen Tönen die Tonleiter D E F G A B C (B=dt H).
Nach gleichem Muster kann man für jeden Stufenakkord seine eigene Akkordskala bilden.
Diese Akkordskalen von Dur haben ihre eigenen Namen, es sind die Major Modes (Major bedeutet hier Dur), auf deutsch oft Kirchentonleitern genannt. Ich schreibe solche Bezeichnungen mal klein und mal groß, genauso wie dur und moll, da kann ich mich einfach nicht so recht festlegen.
Nun fällt auf, dass es verschieden gebaute Durakkorde und deren Akkordskalen sowie verschieden gebaute Molllakkorde und deren Akkordskalen und einen ganz speziellen Akkord auf der VII. Stufe gibt.
Die Namen der Akkordskalen (Major Modes) schreibe ich jetzt hinter die Stufenbezeichnungen.
I ionisch, Halbtonschritt 3/4. Ton, 1-3 bildet große Terz, Halbtonschritt 7/8. Ton, große Septime (maj7): C D E F G A B C
I dorisch, Halbtonschritt 2/3. Ton, 1-3 bildet kleine Terz, Halbtonschritt 6/7. Ton, große Sexte: D E F G A B C
III phrygisch, Halbtonschritt zwischen 1/2. Ton, 1-3 bildet kleine Terz, kleine Septim (b7):E F G A B C D E
Allgemeiner Hinweis, in Akkordsymbolen wird nur die große Septime ausführlich bezeichnet: maj7; bei der kleinen Septime schreibt man zwar für die Intervallbezeichnung b7, im Symbol aber einfach nur 7.
IV lydisch, Halbtonschritt 4/5. Ton, 1-3 bildet große Terz, übermäßige Quart (#11), Halbtonschritt 7/8. Ton, große Septime (maj7): F G A B C D E F
V mixolydisch, Halbtonschritt 3/4. Ton, 1-3 bildet große Terz, kleine Septime (dominant 7): G A B C D E F G
Ein Dominantakkord im Jazz ist durch den Tritonus von Durterz und kleiner Septime erkennbar.
Tritonus bedeutet drei Ganztonschritte, ein Tritonus vom Grundton aus teilt eine Oktav in gleiche Hälften.
VI äolisch, 1-3 bildet kleine Terz, kleine Sexte, kleine Septime: A B C D E F G A
VII lokrisch, Halbtonschritt zwischen 1/2, 1-3 bildet kleine Terz, 1-5 bildet verminderte Quinte, durch zusätzliche kleine Septime wird aus dem verminderten Deitklang ein halbverminderter Akkord: B C D E F G A B
Die Bezeichnungen und vor allem die Klänge der Akkordskalen sind sehr wichtig, auf sie wird künftig noch oft Bezug genommen.
Zurück zur II V in Moll:
Die Akkorde, die man für eine Jazzkadenz in Moll brauchen kann, sind zunächst das Am7 auf der 6.Stufe und das Bm7
b5 (m7b5 = halbvermindert) auf der 7.Stufe, fehlt noch ein geeigneter Akkord für die V.Stufe, also eine Dominante.
Wie hört sich das an, wenn man das Em7
b9 von der III. Stufe als Dominante nimmt? Es fehlt am Halbtonschritt, der für Spannung im Akkord und für ein Auflösungsbestreben sorgt.
Also formt man mit nur einer kleinen Tonänderung (hier: G zu G#) aus dem Mollakkord eine Dominante (hier: E7). Das bildet jetzt die Akkordskala E F G# A B C D E und hat zur Folge, dass auch das A moll einen Leitton auf der 7.Stufe bekommt, sehr praktisch!
Das ausführliche Akkordsymbol ist E7
b9
Die Bezeichnung für das Moll ändert sich allerdings durch den Eingriff, aus dem ehemals "natürlich Moll" oder hier A äolisch wird nun ein "harmonisch Moll".
Mit den Tönen von harmonisch Moll kann man Stufenakkorde und Akkordskalen bilden, ich zeige nur den Anfang:
A harmonisch Moll: A B C D E F G# A, das Intervall zwischen F und G# ist sehr charakteristisch und heißt Hiatus
Die Stufenakkorde überlasse ich vorerst als Fleißarbeit, die Dominante (Akkord oder Akkordskala) wird oft kurz als HM5 bezeichnet.
Ebenso kann man mit der weiteren bekannten Moll-Tonalität "melodisch Moll" verfahren, die den Hiatus aufhebt.
A melodisch Moll: A B C D E F# G# A
Stufenakkorde und Akkordskalen sind wieder Fleißarbeit.
Jetzt klärt sich die Akkordfolge im Video sicher auf. Für eine "schönere Dominante" wurde der Mollseptakkord "verdurt". Dessen Terz löst sich druch Halbtonschritt in den Grundton der Tonika auf und wird bei Übernahme des geänderten Tons zur großen Septime der Tonika. Die Leittonbildung gefällt dem Ohr.
Der Mollakkord der ersten Stufe und seine Akkordskala sind jetzt aber nicht mehr äolisch, sondern harmonisch Moll: A C E G# = Am(maj7)
Im Jazz haben wir es mit Molltonalität (Moll Tonika) in folgenden Formen zu tun:
Gruß Claus