Analyse - Joni Mitchell - Woodstock

  • Ersteller Neudeli
  • Erstellt am
N
Neudeli
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
09.12.14
Registriert
30.06.11
Beiträge
40
Kekse
0
Hallo,


kann mir jemand erklären, wie man den Song „Woodstock“ von Joni Mitchell analytisch beschreiben könnte. Er baut nur auf zwei arppegierten Akkorden auf; Es-dur und As-Dur (ohne Terz) und ich glaube die Melodie der Strophe ist eine Des-Dur-Pentatonik (?) und im Refrain wird diese um die dorische Eb erweitert oder liegt die ganze Zeit eine dorische Eb-Tonleiter vor mit Aussparung der Mollstufen in der Strophe? Wie kann man das harmonische Grundgerüst der zwei pendelnden Akkorde strukturell beschreiben (I-IV)? Kommt das einer plagalen Kadenz gleich?
Also, wenn mir jemand etwas zu der Songstruktur sagen könnte, wäre das toll. Vielen Dank schon mal im voraus -
 
Eigenschaft
 
Hi Neudeli,

der Song ist in Eb Dorisch. Hauptsächlich besteht er aus den Stufenbewegungen I-7 -> IV7sus. Am Strophenende wird immer mit der dorisch typischen Kadenz bVII -> Im7 abkadenziert.
Die Chordscale (= Tonleiter die sich aus der Summe derAkkordtöne ergibt) ist hier Ausnahmsweise nicht dorisch sondern es handelt sich beim Tonika-Akkord um den 5. Modus der Dur-Pentatonik der bIII Stufe (Gb Pentatonik). Gemeinhin wird das auch als Mollpentatonik bezeichnet, dem ich allerdings nicht zustimme. :)

Eb-7 bildet den Tonikasound. Die Akkorde werden alleinig mit der Gb Dur Pentatonik gebildet und zwar nach dem Prinzip: jeder 2. Ton dieser Pentatonik wird bei der Akkordbildung übersprungen. Es entstehen meist Quartakkorde.
Der Tonikasound wird alterniert mit dem Sound der IV Stufe dem die gleiche Material-Pentatonik zugrunde liegt. Auf die IV bezogen ist dies dann der 2. Modus der Pentatonik der bIII Stufe (Gb Pentatonik).

Dass der Song in Eb Dorisch und nicht in Eb Aeolisch steht hörst du am sehr spärlichen Einsatz der Dorischen Sexte (=c) im Gesang. Z.B. hier bei 2:40 oder auch 5:15.

Auf dem Klavier spielst Du den Song ausschließlich auf den schwarzen Tasten. (Eigentlich hätte ich die Analyse auch auf diesen Satz beschränken können). :D
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
...Eigentlich hätte ich die Analyse auch auf diesen Satz beschränken können). :D

Bitte nicht, das war sehr interessant zu lesen.
Und hast Du deine Sicht zur Dur/Moll-Pentatonik schon einmal im Forum ausgeführt? Ich meine, warum Du die Moll-Pentatonik nicht vom 5.Modus ableitest.
 
Hallo zonquer,
zunächstmal danke für Dein Feedback.

Ja, ich hatte schon mehrmals auf meine Sichtweise in dieser Angelegenheit hingewiesen.
Der Threadsteller möge mir verzeihen, wenn das Folgende nun absolut Off-Topc geht.

Pentatonische Skalen werden hergeleitet aus dem Tonmaterial 4 übereinander gelagerter Quinten. Sind diese alle rein, spricht man von anhemitonischer Pentatonik. Befindet sich eine verminderte oder übermäßige Quinte unter den 4 Übereinandergelagerten, so spricht man von hemitonischer Pentatonik.

Als 1. Modus oder Namensgeber einer Pentatonik wird jeweils der tiefste Ton dieser Quintreihe bezeichnet. Die Quintreihe c - g - d - a - e ergibt somit - innerhalb einer Oktave plaziert - die C Dur Pentatonik. Diese wiederum hat insgesamt 5 Modi.
Natürlich könnte man davon den 5. Modus, a - c - d - e - g, als A Moll Pentatonik bezeichnen. Das ist gewiss auch Interpretationssache.

Ich als Jazzer jedoch höre den Moll-Tonika-Klang eher "Melodisch Moll" als "Aeolisch" oder "Dorisch". Somit könnte ich besagte "A Moll Pentatonik" nicht als tonic-minor gebrauchen (Septim-Problem!)

Für mich ist eine Moll Pentatonik eine Dur Pentatonik mit ausgetauschter Mollterz - ebenso wie Melodisch Moll ein Ionisch mit Mollterz ist.

Die für den molltonikalen Klang (Melodisch Moll) erforderliche Pentatonik erhält man durch konsequenten Quintaufbau auf der I Stufe der Melodisch Moll Tonleiter (oder auch II Stufe der Durtonleiter). Das wäre in C Melodisch Moll die Quintreihe c - g - d - a - eb. Zusammengefasst innerhalb einer Oktave ergibt das c - d - eb - g - a.
Diese Skala heißt Kumoi (Persichetti, Twentieth Century Harmony, Seite 50). Sie ist im Gegensatz zur Dur Pentatonik anhemitonisch.
Bei Levine's "Das Jazz Theoriebuch" wird sie indirekt erwähnt und zwar erscheint nur in der Form ihres 2. Modus unter der Bezeichnung In-Sen (auch Insen geschrieben).

Diese Skala ist immens wichtig und mit der Dur Pentatonik in ihrer Wichtigkeit unbedingt vergleichbar. Beide Skalen, Dur Pentatonik und Kumoi, unterscheiden sich NUR durch die Terz. Deshalb nenne ich die eine Dur- und die andere Moll Pentatonik.

Einsatzmöglichkeiten von Kumoi (=Mollpentatonik)

Cm6 (tonic minor) C Kumoi

Cm7b5 (rel. IIm7) Eb Kumoi

C9 (V7/X) G Kumoi

C7alt (V7/X) Db Kumoi

C7sus4(b9) Bb Kumoi

CMA7(#11) E Kumoi ( auch A Kumoi möglich)
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 6 Benutzer
Vielen Dank für die ausführliche und gut nachvollziehbare Gedankenführung.
 
Hi Cudo,
Vielen Dank! Ich finde deine Erklärung auch sehr interessant und hilfreich, denn nachspielen konnte ich es ja, nur beschreiben nicht - Leider verstehe ich die Kadenzbewegung noch nicht wirklich ...Kadenz bVII -> Im7, was ist bVII? Als Akkord in dem Fall? Intervallbewegung des Intros und Zwischenspiels, das auch in der Begleitung immer wiederkehrt, so wie ich es verstehe, in der linken Hand: es-Moll7 (ges-b), As-sus4(as-des), es, ohne Terz (b-es) zurück zu es-Moll, rechte Hand I-IV. Im Refrain bewegt sich der Bass auch zu Es, Des (bVII?)und dann Ges (ourselves back to the garden)
Mir hat deine Antwort schon sehr weitergeholfen, aber das mit den Stufen vertsehe ich leider noch nicht ganz. Könntest Du ein Buch empfehlen, wo ich das mit den modalen Skalen und ihren typischen Kadenzen übersichtlich und verständlich nachlesen kann?
 
Auf dem Klavier spielst Du den Song ausschließlich auf den schwarzen Tasten. (Eigentlich hätte ich die Analyse auch auf diesen Satz beschränken können). :D

Bei diesem Satz dachte ich mir: Das hättest Du doch gleich sagen können! :D
Denn ich finde, das ist das typische an dem Song: Er basiert auf der Pentatonik, die ab und zu mal zum Dorischen im Gesang ergänzt wird. In der Begleitung klingt hin und wieder die Blues-Tonleiter an (Einleitung und Schluss: die Töne ab3-a3-bb3-db4-eb4-eb3). Ein in der Begleitung seltener Halbton wird jeweils auch kurz danach gespielt: db4-c4-eb4-gb4-ab4-ab3. (Töne in engl. Schreibweise)

Danke für die Analyse, die mich motiviert hat, mich mit dem Song zu beschäftigen! Hier meine Eindrücke/Ergänzungen:

Du deutest durch IV7sus schon an, daß der Song wohl möglicherweise weniger unter dem Aspekt von sonst üblichen Dur-Moll-Stufenbewegungen betrachten werden sollte. Denn, wie wohl auch Neudeli, fällt mir auf, daß die Terzen kaum zusammen mit dem Grundton und der Quinte gespielt werden.
Insofern wäre eine Interpretation mit Dur/Moll-Stufenakkorden m.E. im Geist stillschweigend ergänzt, doch dem Song eigentlich nicht angemessen. Sie ist im Web verbreitet als Gitarrenakkorde Em, A, D (Gitarre einen halben Ton tiefer stimmen). Es mag aber andere Versionen geben, auf die eine solche Interpretation zutrifft. Ich beziehe mich auf das oben von Dir zitierte Video.

Wenn ich richtig gehört habe, erklingt bei "bVII" keine Terz "f" und bei "IV7" auch keine Terz "c".
Nur bei der Tonika erklingt die kleine Terz "gb", jedoch höre ich sie i.a. nicht direkt als Akkord. Der Baß ist spielt Grundton, Quinte und Oktav und dazu erklingt im Diskant oft eine zweistimmige Pentatonik (z.B. aufwärts) und zwar wird zwischen den beiden Stimmen i.a. ein Ton der Gb- Dur-Pentatonik ausgelassen.

Das kann man als Db-Moll7 hören und das "ab" als Durchgangston. Ich würde dies eher als Pentatonikklänge (als Klangfarbe) zum terzlosen Baß empfinden, der jedoch durch eb2-b2-eb3 klar angibt, daß eb der Grundton ist.

Im Schlussakkord jedenfalls erklingt der Akkord Eb-Moll (ich höre bb2 eb3 gb4 bb4 eb5). Dadurch, daß der tiefste Ton nicht das eb ist, sondern bb erinnert selbst dieser Dur-Schlussakkord noch daran, daß in dem Song etwas andere Gesetze gelten.

Jedenfalls danke an Neudeli für das interessante Songbeispiel und an Cudo für die Analyse! :great:

Viele Grüße

Klaus

P.S.: Inzwischen hat Neudeli gepostet:
In der Kadenz im Dorischen (Tonika Eb-Moll) wäre die Subdominante in Dur (Ab-Dur). Hier wird typischerweise nicht mit V-I abgeschlossen, sondern mit den Akkorden Subtonika (♭VII) - Tonika (I).
Die Subtonika kann im Jazz als Ersatz für die Dominante verwendet werden.

P.P.S.:
Kumoi... Sie ist im Gegensatz zur Dur Pentatonik anhemitonisch.
Du meintest sicher hemitonisch (enthält Halbton).
 
Zuletzt bearbeitet:
Leider verstehe ich die Kadenzbewegung noch nicht wirklich ...Kadenz bVII -> Im7, was ist bVII?

Wie Klaus schon treffend erwähnte, ist es hier eigentlich nicht wirklich angebracht von "Funktionen" im herkömmlichen Sinne zu reden.
Modalität hat allerdings ebenso wie die Dur/Moll Tonalität kadenzierende Akkorde.

Jeder Modus (Lokrisch bleibt hier aussen vor, da ihm nicht die notwendige Stabilität, die ein Modus haben sollte, innewohnt) hat einen Ton der ihn von der gleichnamigen Dur- (Ionisch) bzw.gleichnamigen Molltonleiter(Aeolisch) unterscheidet. Dieser Ton wird als "charakteristischer Ton" bezeichnet und ist maßgeblich beim Kadenzieren im betreffenden Modus beteiligt.
Man spricht dabei von der "Dorischen Sexte", "Phrygischen Sekunde", "Lydischen Quarte" und Mixolydischen Septime".

Auch in einem Modus werden auf allen seinen 7 Stufen Akkorde gleich wie im Dur/Moll System gebildet. Das können sowohl Dreiklänge als auch Vierklänge sein.
Diese Akkorde werden gleich wie im Dur/Moll System in 3 Kategorien aufgeteilt. Allerdings heißen die Kategorien jetzt nicht Tonika, Subdominante, Dominante, sondern Tonika, kadenzierende Akkorde und verbotene Akkorde.

Tonika kann jeweils nur die I Stufe eines Modus sein.
Kadenzierende Akkorde müssen den "charakteristischen Ton" als Akkordton beinnhalten.
Verbotene Akkorde sind alle Akkorde die einen Tritonus beinnhalten. Der Auflösungsdrang zum parallelen Ionisch (Dur) wäre zu stark.

Wenn es Dich interessiert, kann ich weiter erzählen.

Buch Empfehlung:

URS NÜSSLI
DIE NEUE HARMONIELEHRE
Ein Arbeitsheft für Jazz, Pop und Rock
BAND 8/9

LESEPROBE



PS

Hi Klaus. Ja, das war ein Schreibfehler. Kumoi ist natürlich hemitonisch. Danke!
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Vielen Dank!:)
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben