1. Ich glaube nicht, dass euer Musikunterricht keine Analysekriterien bekannt gegeben hat. Das wäre dann ein sehr schlechter Unterricht, in dem so eine Analyse nicht auch geübt würde und Klarheit darüber herrschen würde, was in einer solchen Analyse zu beschreiben wäre...
2. Es ist nicht gut, seine Hausaufgaben an ein Internetforum zu delegieren. Wo bleibt dein Eigenanteil, wo deine Recherchen, wo dein Erkenntnisgewinn? - das ist Schummelei:
Hier die Analyse zur Seite 90 deiner Partitur.
Bedenke: Formbetrachtung ist immer streitbar und ich erhebe auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder die große Weisheit...
Lied an den Mond
Die Nixe Rusalka ist traurig: Sie gesteht dem Wassermann, dass sie eine menschliche Seele erhalten will, die den Wasserwesen nicht gegeben ist, denn sie liebt einen Prinzen, der oft zum See kommt und dort badet. Seinetwegen möchte sie ein Mensch werden und eine Seele erhalten, um den Geliebten für sich zu gewinnen. Der Wassermann warnt die Verliebte vor der Menschenwelt, aber vergeblich. Von Mitleid gerührt, rät er ihr schließlich, sich an die Hexe Ježibaba zu wenden, bevor er wieder zum Grund des Sees abtaucht. Rusalkas tiefe Sehnsucht nach Liebe kommt im Lied an den Mond zum Ausdruck. Obwohl in der Rusalka Dvoraks Rezeption Wagnerischer Werke in Instrumentaion und Klangbildung unüberhörbar sind, hält er doch an seiner klangüppigen, nationalen Tonsprache in Melodieführung und Rhythmus fest. (Kloiber, Handbuch der Oper) So auch in Rusalkas "Lied an den Mond", das wie die übrigen Opernnummern symphonisch-dramatisch durch Orchesterüberletungen (hier: Larghetto von Harfe, gedämpfte Streicher, Oboen, Klarinetten und Horn) eingefasst ist.
Die Musik ab Takt 471 ist im Grunde als leichte Spannungssteigerung auskomponiert; sie führt in die ausladende, sehnsuchtsvolle und ergreifende Kantilene, "Měsíčku, postůj chvíli ..." , ab Takt 499 ff., die eine Art Refrain zu dem strophisch komponierten Opern-Lied darstellt.
Die Spannungssteigerung wird durch eine feine, leicht aufwärtsstrebende Melodieführung in sechs formal abgrenzbaren Abschnitten vollzogen.
Nach einer kurzen Einleitung der Streicher, in Ges-Dur, T. 471-474, beginnt in T. 475 der erste dieser sechs "dreitaktigen" Melodie-Teile, denen jeweils noch ein deklamatorischer, bisweilen mit motivischem Echo instrumental (z.B. Holzbläser in T. 486 oder T. 494 ) besetzter Pausentakt angehängt ist. Formal gehört dieser "Pausen"-Takt natürlich zum organischen Fluss dazu. Ohne diesen Takt würde die Deklamatorik des Stückes nicht gewährleistet werden können. Dieser erste Melodie-Teil mündet in der Subdominante Ces-Dur und forciert durch die harmonische Spannung den Folgeteil in der Dominante Des-Dur (T. 479-481/482).
Der zweite Abschnitt (T. 479-482) stellt in etwa das formale Gegenstück zum ersten Abschnitt dar. Zum einen liegt das in der anfänglichen Umkehrung der Melodie-Bewegung as'-b' (vorher b' as'), zum anderen liegt das an der harmonischen Bewegung, die eben auch das Spiegelbild zum ersten Abschnitt darstellt.
Nach dem Dominantseptakkord in T. 482 setzt in der erwarteten Tonika der dritte Melodieteil mit dem gleichen Tonmaterial wie zu Beginn ein, jedoch nicht, ohne im weiteren Verlauf (T. 484, 485) die Spannung durch das Aufstreben der Melodie (es'', mit Ziel des'') zu steigern. Sehnsuchtsvoll, auf einem durch die Subdominantparallele, as-Moll, vorbereiteten Sekundakkord der Dominante, klingt dieser Takt (T. 486) in den Flöten und Klarinetten mit einem Echo nach: " … širokem" = tschechisch.: die Ferne/Weite...
Die in Takt 485/486 erreichte Spannung muss durch eine abwärts strebende Bewegung zunächst gelöst werden, um den o.g. großen Spannungsbogen wieder aufnehmen zu können. Dies löst der Komponist ab Takt 487 und bis Takt 490 mit dem vierten Abschnitt ein, nicht jedoch ohne erneut eine formale Gliederung und damit spannungssteigernde Wirkung aufzubauen - den Halbschluss auf der Dominante, der diesmal mit der Doppeldominante, As-Dur, harmonisch vorbereitet wird.
Diese aufgebaute, angestaute musikalisch sinnliche Spannung erfährt eine letzte Steigerung (Takte 491-498), bis sie im "Refrain" zum Ausbruch aller Sehnsucht kommt. Die Abschnitte drei und vier liegen ab Takt 491 quasi als Sequenz, eine Terz höher vor. Der Ausbau der Lage bringt neben der Harmonik (über die Subdominante, Takte 493/494, weiter zur besonders wirkungsvollen und dennoch "einfachen" Klammerdominante Es-Dur nach as-Moll und zuletzt zur Dominante mit Fermate in Takt 496) und dem spannungssteigernden Rhythmus in der Streicherbegleitung (antreibender böhmischer Synkopenrhythmus in den Bratschen; treibende 32-telbewegung auf Zählzeit drei in den 2. Violinen) den gewünschten anreichernden Effekt. Das Erreichen der Tonika über den dreifachen Quintfall am Ende des sechsten Melodieabschnitts (Takte 495-497) ist keinesfalls von einem Abflachen des Spannungsbogens gekennzeichnet. Der deklamatorische vierte Takt (498) übernimmt ab der notwendigen Spannungszäsur in Takt 497 mit einem Synkopenrhythmus in den 1. Violinen die dramatische Steigerung hin zum sehnsuchtsvollen "Refrain".
Die sechs in ihrer formalen Anlage und Wirkung beschriebenen kleinsten Melodieabschnitte (1, 2 , 3, 4, 5, 6) lassen sich in drei größere formale Abschnitte (I., II., III.) zusammenfassen: I. (Takte 475-482), II. (Takte 483-490) und III. (Takte 491-498). Alle drei Formteile stehen unter dem spannungsteigernden Gesamtcharakter und basieren zu Beginn (zwei Achtel, dann eine Achtel um einen Ton tiefer) jeweils auf der nahezu gleichen Intervallstruktur, zuletzt gesteigert durch die Sequenzierung.
Drei mal erhebt sich die Melodie in kleineren Spannungsbögen, um ihren Kulminationspunkt ab Takt 499 ff. zu erreichen. Die Viertaktigkeit der Einzelabschnitte bleibt in den einzelnen Phrasen des "Refrains" formal erhalten.