Liebe Lisa,
Vielen Dank zuerst für Deine ausführliche Antwort, die viele interessante Anregungen enthält.
Aber das ist eine solche Menge, daß ich erstmal versuchen will, allgemein darauf zu antworten, bevor ich speziell auf die einzelnen Punkte antworte.
1.Das AXiS-Layout ist auch für mich nur eine zusätzliche Alternative zum Klavier, nicht der Ausgangspunkt und Kern meiner Position.
Der Kern liegt in einem Akkordeon-Erlebnis und führte mich zum 6+6-Akkordeon.
Du sagtest zwar, Akkordeon sei nicht Deine Welt.
Vielleicht liegt das aber ja nur an der Assoziation mit primitiver Volks-Schunkel-Musik.
"Rocken" heißt aber ja auch auf Deutsch z.T. sowas wie Schunkeln.
Außerdem kann man fast jede Musik und jeden Rhythmus auf dem Akkordeon spielen.
Und wenn man Synthesizer-Klänge dahinter legt, erweitern sich die Möglich keiten noch einmal.
Einmal sah ich einen Straßenmusiker auf dem Akkordeon sehr schön orientalische Musik spielen.
Klassik geht sowieso.
Ich warte noch auf den ersten, der es schafft, Beethovens Pathetique vollwertig daruaf zu spielen.
Hier ist z.B. Vivaldi's Winter:
http://www.youtube.com/watch?v=GGVx6rhDZ5c&feature=related
Mehr Klassik-Beispiele findest Du hier:
http://www.gerd-r-hamann.de/ChromaKlav/LinkListe.html
Mein Akkordeonspiel-Erlebnis begann auch erst im fortgeschrittenen Alter von 51 vor jetzt gut 6 Jahren.
Ich hatte erstens viel Glück mit dem Klang des auf dem Flohmarkt für 280 Euro gekauften italienischen Piano-Akkordeons.
(Der polnische Verkäufer hat eine einzige Enkeltochter, die inzwischen zum Klavier- und Musikstar in Polen heranreift und die damals mit 7 sowas gespielt hat:
http://www.youtube.com/watch?v=g-D7pvQGnz
)
Dieses erste Akkordeon bescherte mir durch die schnelle Belohnung mit schönen Klängen Freude.
(Es klang viel besser als die mit 900.- billigsten Hohner im Geschäft)
Doch die Bässe sind ja ganz anders, und zugleich viel systematischer als beim Klavier.
(Übrigens ein bißchen ähnlich dem AXiS)
Dann kam ich mit diesen Bässen zu grundlegenden "Riffs" aus Bassmelodie-Linie und eingestreuten Akkorden, während ich rechts die Melodie spielte.
Anfangs ging das gut, zunächst in C-Dur und dann weiter zu F, G, Es etc.
Und die gewohnte Klaviertasten-Orientierung half wirklich.
Aber je komplizierter die Musik wurde, umso mehr kam ich ins Zweifeln, ob ich es in meinem Leben noch schaffen kann, neben derm neuen Bass-Fingersatz
auch noch die 12 gewohnten Klavier-Fingersätze sicher zu beherrschen.
Dann kam die Idee, wenn die Melodie-Tasten rechts gleichmäßig angeordnet wären, also 6 Töne auf der unteren und 6 auf der oberen, und wenn sie alle
gleich groß wären, dann hat man ja rechts auch in jeder Tonart den gleichen Fingersatz, bzw. nur zwei verschiedene, je nachdem, ob sich der Grundton
auf der oberen oder unteren Reihe befindet.
Das ist auch eine Tastenanordnung auf 2 Ebenen, wie beim Klavier.
Letztlich geht es beim Musizieren ja auch darum, das Tempo bis zu sehr schnell variieren zu können, und das schien mir leichter erreichbar zu sein mit
diesem 6+6-System, weil ja - wie gesagt - der Bass synchron gespielt wird.
Die Harmonielehre "katalogisiert" in jeder Tonart gleichbleibende Kombinationen von Melodie und Begleitung.
Man kann Klassen dieser Kombinationen zufassenfassen und findet zu vielen Kombinationen einen Haufen Lieder, manche sehr populäre.
Man kann diesen Kombinationesklassen wahrscheinlich auch Gefühlsklassen zuordnen.
Die Idee ließ mich nicht los und ich kam darauf, dieses 6+6-Akkordeon-Tastenlayout auf die PC-Tastatur zu legen, so daß jeder das selbst probieren
kann. Es macht auf dem Mac mehr Spaß als auf Windows, weil die Tasten schneller ansprechen.
Das ist zwar nur ein sehr schwacher Abglanz im Verleich zur Erfahrung mit einem echten, wohlklingenden Akkordeon (Idealklang wäre für mich
wahrscheinlich Celli links und Geigen rechts), aber immerhin kann jeder das mit der Tastatur eingeübte sofort auf ein echtes Akkordeon übertragen.
Jetzt hab ich seit 8 Monaten endlich ein gutes echtes 6+6-Akkordeon und kämpfe gerade hauptsächlich gegen die Schwäche, die Du in Deinen Einwänden
voraussagst:
Die Finger wissen manchmal nicht, wo sie sind, weil im Gegensatz zur unregelmäßigen Klaviertastatur die EF- und HC-Lücken fehlen.
Aber ich habe C,Es,Fis und A als geriffelte Tasten, so daß es wohl nur eine Trainingsfrage ist, wann meine Finger sensibel genug sind und mein Gehirn
optimal programmiert ist, um das Riffel-Gefühl in die genaue Lage zu übersetzen und dadurch kontrollierter, bewußter zu spielen.
Die geriffelten Tasten entsprechen den Tönen einer der drei gebräuchlichen Knopfakkordeon-Reihen, so daß auch Spieler, die von dort her kommen, sich
leichter zurechtfinden.
Mal sehen, wie das weitergeht, bis ich überzeugend darauf spielen kann.
Ich glaube weiterhin daran, daß dies ein System der Zukunft ist.
Der amerikanische Komponist Robert Jourdain schreibt in seinem Buch "Das wohltemperierte Gehirn", Melodie und Begleitung sind wie zwei Dimensionen bei
einem Musikstück. Das eine gibt die Höhe, das andere die Tiefe.
Anstelle eines Akkordeon-Basses könnte man auch mit links die Bässe mit AXiS und mit rechts die Melodie mit 6+6 spielen.
Aber das ist erst recht Zukunftsmusik.
Nach diesen allgemeinen Ausführungen komm ich doch noch zu ein paar konkreten Antworten auf Deine Einwände, obwohl ich aus Zeitgründen noch nicht alle
beantworten kann:
Du schreibst, es sei jedem freigestellt, auf welchem System er spielen möchte.
Das stimmt aber nicht.
Von den 32 Lehrbeauftragten der Musikhochschule Hamburg für Tasteninstrumente unterrichten genau 32 auf Klaviertasten.
Auch an der Schule gibt es im Musikunterricht nur die Klaviertastatur.
Und als Akkordeon wird hier fast nur Piano-Akkordeon und ein bißchen Knopfakkordeon angeboten.
Es stimmt, daß man von Pianisten nicht erwarten kann, daß sie umlernen.
Das ist auch nicht nötig.
Aber Pianisten sollten lernen, die Harmonie-Gesetze von ihrer Klaviertasten-Anordnung zu trennen und akzeptieren, daß es andere. ebenso logische
Tastenanordnungen gibt.
Darum habe ich AXiS, Knopfakkordeon und das neue 6+6-Akkordeon einmal dem Klavier gegenübergestellt.
Vielleicht kann man Verhältnis des neuen 6+6- zum Klavier-System vergleichen mit dem Verhältnis
einer gleichmäßig ansteigenden Geraden-Funktion in einem XY-Koordinatensystem (=6+6)
und einer exponential ansteigenden Funktionskurve, oder vielleicht besser noch einer wellenförmigen (=Klavier).
In der Klaviertastatur sind zwei verschiedene traditionell verwurzelte Tonleitersysteme intuitiv auffindbar: diatonische (weiße Tasten) und pentatonische Leiter (schwarze Tasten). Durch symmetrischen Wechsel zwischen weißen und schwarzen Tasten ergibt sich obendrein die Ganztonleiter. Mit der diatonischen Leiter lassen sich 7 verschiedene Modi spielen. Einfache diatonische oder pentatonische Melodien lassen sich auf der Tastatur ohne Kenntnis des Leitersystems spontan finden und spielen.
Das stimmt und es ist die Fortführung dessen, was ich hier
http://www.gerd-r-hamann.de/ChromaKlav/Unwucht.html
im ersten Absatz gesagt habe.
Aber auf den gegenübergestellten Systemen kann man nicht nur eine, sondern alle pentatonischen und diatonischen Melodien und Tonleitern auf dem einmal trainierten Fingersatz spielen. Das hat Vor- und Nachteile.
Ist vielleicht ähnlich wie immer im Leben: Eine oder Alle, hierarchisch oder gleichgestellt. Ein zentraler Widerspruch.
Aber ein Vorteil von 6+6 gegenüber dem Klavier bleibt bestehen:
Obwohl es seit grauer Computer-Vorzeit die Klaviertastatur auf der PC-Tastatur zu spielen gibt, funktioniert das hier nicht wirklich.
6+6 funktioniert hier aber.
Und das hätte jedes Kind zur Verfügung, im Gegensatz zum Klavier mit Unterricht.
So, das reicht erstmal, denn wir wollen ja nicht nur "offtopic" sein, sondern auch spielen, oder?
Gruß
iofilter